Plakat im Musée de la Chartreuse de Molsheim

Archäologie: Raubgräber zerstören Fundstätten

About: Pot hunters destroy archeological sites and findings.
Pri: Rabistoj detruas arkeologiajn trovaĵojn.
Published, Aperis: Südkurier, 24.01.2009


Aus Abenteuerlust oder Geldgier vernichten Sondengänger unwiederbringliche Informationsquellen zur Geschichte. Eine Ausstellung in Biberach dokumentiert Archäologie-Krimis.

Reich mit Ornamenten verziert ist der Kegel aus der Bronzezeit, 75 Zentimeter hoch und aus purem Gold: Der „Berliner“ Goldhut entstand vor rund 3.000 Jahren. Wo wurde das Prachtstück geschmiedet, von wem und wozu? Wir werden es nie erfahren. Der Liechtensteiner Kunsthändler, der das Kleinod 1996 für 1,5 Millionen Mark an ein Berliner Museum verkaufte, murmelte nur etwas von einer Privatsammlung. „Dass die Fundumstände nicht aufklärbar sind, ist eine wissenschaftliche Katastrophe“, klagt Frank Brunecker vom Museum Biberach: „Der Goldhut stammt wahrscheinlich aus einer Raubgrabung in Süddeutschland.“ Er ist zwar schön und teuer, erzählt uns aber nichts.

In Biberach ist gerade eine Sonderaustellung zu archäologischen Kriminalfällen der letzten Jahre zu sehen. Dem Württembergischen Landesmuseum zum Beispiel wurden im Dezember 1990 über 100 Gewandspangen, Ringe und Gürtelschnallen angeboten. Es stellte sich dann heraus, dass beim „Heidentor“ in der Nähe von Tuttlingen ein ganzer Hang durchwühlt worden war. Immerhin konnten die Wissenschaftler an den Schürflöchern noch sicherstellen, was die Antiquitätenjäger übrig gelassen hatten: Glasperlen aus Griechenland, Haarnadeln, Keramik. Der Großteil des ersten archäologisch bekannt gewordenen Opferplatzes aus keltischer Zeit ist nun aber zerstört.

Schatzsucher hat es immer schon gegeben: Nahe Ludwigsburg wurde 2006 ein Friedhof der Merowinger gefunden, bei dem fast alle Gräber bereits im Mittelalter ausgeraubt wurden – keine Spur mehr von Schwertern oder Schmuck. Seit aber Metalldetektoren und Minibagger erschwinglich sind und im Internet Karten von fundträchtigen Orten, aber auch anonyme Verkaufsplattformen geboten werden, haben die Raubgräber dramatisch aufgerüstet. Der Gebrauch von Sonden ist zwar genehmigungspflichtig – aber wer kann das schon kontrollieren?

Manche historische Plätze wurden regelrecht „zu ‚Schweizer Käse‘ verarbeitet“, berichtet Wolfgang Schönleber vom Landeskriminalamt: „Beispielsweise die römischen Gutshöfe bei Rottweil, die keltischen Oppida bei Waldshut und die alemannischen Siedlungen bei Bad Urach.“ Auf der Schwäbischen Alb gibt es praktisch keine Höhle mehr, wo man Funde anhand unberührter Erdschichten datieren könnte.

Archäologen mühen sich, dem Fundzusammenhang möglichst viele Erkenntnisse abzuringen: Sie zählen unter dem Mikroskop Pollen, um das Klima zu rekonstruieren; aus Knochenresten ziehen sie Rückschlüsse auf die Lebensbedingungen vergangener Tage. Sondengänger reißen dagegen meist nur Metallteile heraus, die sich gut verscherbeln lassen. Rücksichtslos vernichten sie dabei Informationen über unsere Geschichte. Der Schaden, den Raubgräber anrichten, steht in keinem Verhältnis zu ihrem Gewinn: Römische Münzen sind oft erstaunlich billig. Und den Reibach macht – wie bei anderen Verbrechen – nicht, wer sich die Hände schmutzig macht, sondern erst der Hehler.

Was kann zum Schutz der Bodendenkmale getan werden? Baden-Württemberg versucht es mit strengen Gesetzen: Anders als etwa in Bayern gehören im Ländle herausragende Funde dem Staat. Das könnte allerdings auch kontraproduktiv sein, gibt Frank Brunecker zu bedenken: „Bei uns werden den Landesmuseen im Jahr etwa 80 Fundmünzen zur Herkunftsbestimmung vorgelegt, in Bayern sind es 5.000.“ Der Biberacher Museumsleiter plädiert dafür, die Hobbyforscher einzubinden: „Es könnte gelingen, wenn man das Abenteuer kanalisiert. Eigentlich darf sich die Archäologie die Vermehrung goldschimmernder Rätsel nicht leisten.“


Keine Nachsicht mit Plünderern
 
Strenger als andere Bundesländer versucht Baden-Württemberg Schatzsucher von Bodendenkmälern fernzuhalten. §21 des Denkmalschutzgesetzes bestimmt: „Nachforschungen, insbesondere Grabungen, mit dem Ziel, Kulturdenkmale zu entdecken, bedürfen der Genehmigung des Landesdenkmalamts.“ Es sind also nicht nur alle Grabungen genehmigungspflichtig, sondern jedes planmäßige Suchen, etwa mit Metallsonden. Entsprechende Anträge werden für ganz Baden-Württemberg vom Regierungspräsidium Stuttgart, Landesamt für Denkmalpflege, geprüft – und meist abgelehnt. Verstöße können mit Bußen bis 250.000 Euro geahndet werden.
 
Funde, deren ursprüngliche Eigentümer nicht mehr zu ermitteln sind, gehören laut Schatzfund-Paragraph §984 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zur Hälfte dem Entdecker und zur Hälfte dem Eigentümer des Fundorts. Allerdings nur im Prinzip, denn in Baden-Württemberg gilt §23 des Denkmalschutzgesetzes, das so genannte Schatzregal: Wenn sie einen „hervorragenden wissenschaftlichen Wert“ haben, gehören Funde dem Land. Sondengänger auf fremden Grundstücken bekommen schnell ein ganzes Strafregister zusammen: Hausfriedensbruch, Sachbeschädigung, Unterschlagung, beim Verhökern der Funde auch Hehlerei.

Martin Ebner

Die Ausstellung „Raubgräber – Schatzgräber“, die in Zusammenarbeit mit dem Landeskriminalamt entstanden ist, war bis zum 22. Februar 2009 im Museum Biberachzu sehen: www.museum-biberach.de. Ein Begleitbuch mit dem gleichen Titel wurde von Frank Brunecker im Stuttgarter Theiss-Verlag herausgegeben.


 

 


Foto: Leave history in place! Poster of the French ministry of culture in the Musée de la Chartreuse in Molsheim, France. Lasu historion trankvila! Afiŝo de la franca kultura ministrejo. Hände weg von der Geschichte! Plakat des französischen Kulturministeriums in Molsheim, Frankreich.

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Texts of timeless beauty. Or at least some historical interest.