Monte Rosa, Switzerland

Architektur: Spektakuläre Bauwerke für den Alpen-Tourismus

About: New buildings for alpine tourism
Pri: Novaj domoj por turismo en la alpoj
Published, Aperis: Südwestpresse, 05.10.2009


Hoch hinaus


Wellnesstempel und Designhotels, Ferienresorts und Aussichtsplattformen: in den Schweizer Bergen wird geplant und gebaut wie schon lange nicht mehr. Besonders ausländische Investoren versprechen sich große Gewinne; Heimatschützer sorgen sich um die Gebirgslandschaft.

Zwischen Gorner- und Grenzgletscher glitzert ein kantiges Gebilde, das – je nach Fantasie des Betrachters – einem Bergkristall oder einem UFO ähnelt. Die Monte-Rosa-Hütte, die im Herbst eröffnet wird, ist ganz mit Metall verkleidet. Der Schweizer Alpen-Club will damit nicht nur architektonisch andere Wege gehen: Komfort mit warmer Dusche, Viererzimmer statt Massenlager sollen den gestiegenen Ansprüchen der Bergsteiger entsprechen, Solarzellen und Wasseraufbereitung das Ökogewissen beruhigen. Die 120-Betten-Unterkunft auf 2.883 Metern über dem Meer ist der vorläufige Höhepunkt eines neuen Baubooms im Gebirge.

Aufsehen erregende Bauwerke ziehen Besucher in die Berge. Den Anfang machte 1996 Vals mit einer Therme von Peter Zumthor. Arosa zog mit der „Tschuggen Bergoase“ nach, für die Mario Botta segelförmige Lichteinlässe aus Glas entwarf. Davos will da nicht nachstehen und sich ebenfalls von Stararchitekten ein neues Wahrzeichen bauen lassen: Herzog & de Meuron sollen einen 105 Meter hohen Turm mit Ferienwohnungen und Hotel auf die Schatzalp stellen. Noch höher hinaus wollen die Bergbahnen Zermatt: Eine 117 Meter hohe Aussichtsplattform auf dem Gipfel soll aus dem Klein Matterhorn einen Viertausender machen.

„In den 1990er-Jahren war im Alpen-Tourismus tote Hose“, sagt Hansruedi Müller von der Universität Bern. Viele Urlauber jetteten lieber zu fernen Stränden; die Zahl der Schweizer Hotels nahm von 7.600 auf rund 5.000 ab. Seit 2000 geht es aber wieder aufwärts. Obwohl heuer die Schweizer Statistik im ersten Halbjahr nur rund 17 Millionen Logiernächte verzeichnete, 1 Million weniger als im Rekordjahr 2008, rechnen Investoren damit, dass der Trend zur Höhenluft anhält. Tourismusforscher Müller zählt derzeit in den eidgenössischen Alpen rund 50 Großprojekte, das heißt, Bauvorhaben für Hotelkomplexe, Feriensiedlungen und Bäder mit Kosten von jeweils über 20 Millionen Euro. „Bei fast allen ist viel ausländisches Kapital im Hintergrund“, stellt Müller fest. In gewisser Weise kehrt die Schweizer Hotellerie so zu ihren Anfängen zurück: Vor 120 Jahren wurden in Graubünden mit belgischem, französischem, vor allem aber englischem Geld die ersten Grandhotel-Paläste eröffnet.

Heute zieht es Kapitalgeber aus der ganzen Welt in die Schweizer Berge. Die Moskauer Mirax-Gruppe zum Beispiel will bei Crans-Montana für umgerechnet über 200 Millionen Euro fünf 13-stöckige Hotelhochhäuser mit 1.600 Betten errichten. Am Bürgenstock plant eine Immobiliengesellschaft aus Katar vier neue Fünfsternehäuser, ein Viersterne- und zwei Dreisterne-Hotels, ein Theater, einen Kinderclub und neue Boutiquen. Das niederländisch-deutsche Unternehmen Landal Green Parks baut am Walensee für über 50 Millionen Euro ein Resort mit 850 Betten, samt Sporthalle und eigenem Hafen; eine weitere Ferienhausanlage ist für Klosters geplant. In Lenzerheide wollen Briten für über 60 Millionen Euro ein 700-Betten-Hotel hochziehen. Im Wallis planen Kanadier ein neues Chaletdorf mit 2.000 Betten.

Das größte Projekt ist Andermatt im Gotthardmassiv: Der ägyptische Investor Samih Sawiris will das ganze 1.300-Einwohner-Dorf für eine Milliarde Dollar „ungefähr zweimal so groß wie jetzt“ ausbauen – nämlich mit rund 3.000 Betten in diversen Hotels, Villen und Appartmenthäusern in eine „exklusive Weltklasse-Destination“ verwandeln. Da Andermatt von der Schließung militärischer Einrichtungen schwer getroffen wurde und der demnächst eröffnete Gotthard-Basistunnel droht, die ganze Region aus dem Blickfeld von Touristen verschwinden zu lassen, hat die Schweizer Regierung dafür erstmals eine Ausnahme von der Lex Koller genehmigt, die ansonsten den Grundstückskauf von Ausländern einschränkt. Die Vorarbeiten sind weitgehend abgeschlossen; Ende September ist der Spatenstich für das erste Hotel „Chedi“ geplant.

Philipp Maurer vom Schweizer Heimatschutz ist über die Entwicklung nicht glücklich: „Die Großprojekte verschlingen riesige Mengen intakter Landschaft“. Oft mangele es auch an Baukultur; von Frankreich bis Slowenien werde ohne Rücksicht auf örtliche Gegebenheiten im gleichen Stil geplant. „Kitschige Kopien traditioneller Bauten“ seien aber ebenfalls abzulehnen. Gebremst wird die Disneylandisierung der Alpen nicht nur von der Finanzkrise, sondern auch durch den Widerstand von Bürgerinitiativen: In Celerina wurde ein 17-Stockwerke-Turm von Mario Botta verworfen, in Tschlin scheiterte ein Hotelkomplex von Peter Zumthor. Dem Wettlauf um immer größere, ausgefallenere und teurere Attraktionen verweigern sich auch die Bewohner von Binn im Wallis. Sie haben ein kleines Jugendstilhotel restauriert und werben mit ihrer idyllischen Landschaft: „Kommen Sie zu uns – wir haben nichts!“

Martin Ebner

Suchbild: Wo ist die Monte-Rosa-Hütte? (Hinweis: Man ziehe eine gerade Linie von der Brust des Vogels nach rechts). Eigentlich passt sie sich recht gut in die Landschaft ein…


 


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