Singapore Airport

Luftfahrt: Eleganz über den Wolken

About: Design and architecture for airtravel – an exhibition in the Vitra Design Museum
Pri: Dezajno kaj arkitekturo por aviado – ekspozicio en la Vitra Dezajn-Muzeo

Published, Aperis: d’Lëtzebuerger Land, 23.07.2004


Über den Wolken muss die Eleganz wohl grenzenlos sein

Aufstieg und Niedergang mit Stil: das Vitra Design Museum zeigt Schönheit für die Luftreise

„Der Designer bekommt vom Flugzeughersteller das Innere einer riesigen, steifen Gurke präsentiert. Deren äußere Form ist von den Gesetzen der Aerodynamik bestimmt. Das Einzige, was ein Designer da reinquetschen kann, ist seine Vorstellungskraft“, klagte Henry Dreyfuss, der viele Flugzeuge gestaltet hat. Vielleicht sind es aber gerade Vorschriften, Gewichts- und Raumbeschränkungen, die Grafiker, Architekten und Modeschöpfer beflügeln? Jedenfalls hat die zivile Luftfahrt in ihrer 90jährigen Geschichte nicht nur eigene technische Standards, sondern auch eine eigene Ästhetik geschaffen. Das Vitra-Design-Museum in Weil am Rhein zeigt mit Modellen, Filmen und Originalstücken wie Uniformen, Flugsitzen oder Bordgeschirr die Entwicklung der himmlischen Formen.

In der Pionierzeit, als Fliegen noch ein exklusives Vergnügen war, orientierten sich die Designer lange an Luxusdampfern. Eine gediegene Ausstattung sollte das Gefühl behaglicher Sicherheit vermitteln: Wenn das Geschirr aus Porzellan ist und die Speisekarte Schildkrötensuppe verspricht, wird es wohl keine Turbulenzen geben… Flugboote wie die Do-X verwöhnten ihre bis zu 70 Passagiere mit vergoldetem Besteck, Ledersesseln, Teppichen, Damastdecken und einer Bar. In den ersten Flugzeugen, die über Graspisten holperten, musste mehr aufs Gewicht geachtet werden. Dafür kamen die Korbstühle von Thonet. Die 15 Reisenden der Ju-52 wurden 1932 ermahnt: „Die Flugkameradschaft erfordert, dass während des Fluges vorübergehend Plätze im Raucherabteil ausgetauscht werden.“

Einen eigenen Stil entwickelte die Luftfahrt erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Konkurrenz nahm stark zu, gleichzeitig sorgten die Düsenmaschinen dafür, dass sich die Flugzeuge immer mehr anglichen. Die Fluglinien reagierten mit einem einheitlichen Coporate Design vom Ticket bis zum Jet. Die alten Firmensignets, meist Vögel, Flügel, Pfeile oder Globen, wurden abstrahiert. Die Lufthansa ließ sich von Otl Aicher ein wärmeres Gelb, ein tieferes Blau und statt einer kursiven Antiquaschrift eine frische Helvetica geben. Die US-Gesellschaft Braniff International malte ihre Flugzeuge bunt an und die Warteräume mit lila, blauen und gelben Streifen. Emilio Pucci war nicht der erste Mode-Star im Fluggeschäft, aber seine Braniff-Kollektion erregte Aufsehen: Stewardessen in hellgrünen Stiefeln, Mänteln und Hütchen, darüber kugelförmige Plexiglashelme.

Die ersten Flugbegleiterinnen waren Krankenschwestern gewesen, die sich weiß gewandet um Luftkranke kümmerten. Um 1960 änderte sich das gründlich: Die Fernreisen, die Kontakte zu wohlhabenden Männern machten die Stewardess zum Traumberuf, zur Projektionsfläche für Fantasien – und zum vermarktbaren „Gesicht“ der Fluglinie. Der Höhepunkt dieser Phase war, von den roten Miniröcken und Schnürstiefeln der Southwest Airlines einmal abgesehen, der Bestseller „Coffee, Tea or Me? The Uninhibited Memoirs of Two Airline Stewardesses“. Ab den 1970er Jahren machten Berufsverbände Schluss mit Heirats- und Kinderverboten, Alters- und Gewichtsreglements. Vor drei Jahren bemühte sich British-Airways-Designer Julien McDonald noch einmal, etwas gegen den nüchternen Businesslook zu unternehmen: „Ich möchte dem Fliegen den Glamour zurückgeben. Die Mädchen sollen sehr sexy und die Männer wie Helden aussehen.“ Die Gewerkschaften verhinderten das. Spätestens seit die 1969 eingeführte Boeing-747 bis zu 490 Touristen auf einmal wegschaufelt, ist im Flugbetrieb mehr Effizienz als Sex-Appeal gefragt.

Die Zeittafel am Ende der Ausstellung stimmt pessimistisch: Der letzte Flug der Concorde, der Bankrott von PanAm, Swissair und vielen anderen. Die gigantische Flughalle Berlin-Tempelhof wird wohl heuer geschlossen; der Flughafen Paris Roissy machte zuletzt durch einstürzende Dächer von sich reden; in New York will eine Billigairline den eleganten TWA-Terminal von Eero Saarinen übernehmen.

Und doch gibt es Zukunftsvisionen! Mit dem Airbus A380 soll 2006 endlich ein Flugzeug auf den Markt kommen, das es mit dem Komfort der einstigen Flugboote aufnimmt: auf drei Etagen begehbar, Wendeltreppen, für die 555 Passagiere nicht nur eine Bar, sondern auch eine Bibliothek. Die Konkurrenz will mit der Boeing-7E7 kontern: größere Fenster und eine weitläufige Eingangszone, die während des Flugs zum Aufenthaltsbereich wird. Der Künstler Andy Warhol fand schon 1977 das Gemecker über die Plastikwelt der Luftfahrt unangebracht: „Airplanes and airports have my favourite kind of food service, my favourite kinds of entertainment, my favourite graphics and colors, the best security checks, the best views, the best employees and the best optimism.“

Martin Ebner

„Airworld. Design und Architektur für die Flugreise“ war bis bis 9. Januar 2005 im Vitra Design Museum in Weil am Rhein zu sehen: www.design-museum.de; der Katalog, hrsg. von Alexander von Vegesack und Jochen Eisenbrand, war 296 Seiten dick und fürs Handgepäck zu schwer.

Ballone über Stockholm, Schweden
Eleganz in den Wolken: Ballone über Stockholm, Schweden



 


Foto: Singapore Airport. Flughaveno en Singaporo. Flughafen Singapur


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