About: Living heritage of medieval times: foundations are booming in Germany.
Pri: Fondaĵoj estas viva heredaĵo de mezepoko.
1. Nützlicher Nachruhm: Stiftungen sind ein lebendiges Erbe des Mittelalters (09.03.2019)
2. Helfer in der Krise: überall im Land entstehen neue gemeinnützige Stiftungen (06.06.2020)
Published, Aperis: Südwestpresse, 09.03.2019
Nützlicher Nachruhm: Stiftungen
Lebendiges Erbe des Mittelalters: Stiftungen sind ganz besonders hartnäckige Institutionen. Seit rund 20 Jahren boomen Schenkungen an die Allgemeinheit.
Wie wird man unsterblich? Burkhard und Heilwig Wadler in München ist das mit Brezeln gelungen: Am 12. Juli 1318 stiftete das reiche Salzhändler-Paar 63 Pfund Pfennige, um den Armen der Stadt einmal jährlich Teigwaren zu spendieren. Anno 1801 schaffte der Stadtrat diese Aktion ab, weil der Brezenreiter verprügelt worden war. Vor ein paar Jahren wurde der Brauch aber wiederbelebt, und so ist die „Wadler-Spende“ bis heute ein Begriff.
Grabsteine zerbröseln, Ruhm verblasst, sogar Skandale sind schnell vergessen. Selbst mächtige Konzerne werden kaum alt: Von den Ur-Mitgliedern des vor 30 Jahren gegründeten DAX-Börsenindex ist nur die Hälfte noch übrig. Wer seinen Namen mit einer Stiftung verbindet und ihr Grund oder Wald vermacht, hat dagegen Chancen, wirklich lange in Erinnerung zu bleiben. Trotz Kriegen und Katastrophen gibt es in Deutschland mehr als 250 Stiftungen, die über 500 Jahre alt sind. Eine Handvoll ist sogar älter als 800 Jahre – neben Kirchen und Universitäten die beständigsten Einrichtungen.
Im Mittelalter dienten Stiftungen vor allem dem Seelenheil: Messen an Todestagen, ewige Lichter, Altäre, Kirchen oder ganze Klöster. Zur Reformation und erst recht der Säkularisierung ab 1802 wurden aber viele kirchliche Stiftungen aufgelöst oder umgewandelt. In Heidelberg zum Beispiel wurde im Jahr 1560 das Kloster Schönau geschlossen. Sein Besitz ging in die „Evangelische Stiftung Pflege Schönau“ ein: Die größte öffentliche Stiftung und größte Waldbesitzerin Baden-Württembergs unterhält nach wie vor Kirchen und besoldet Geistliche. Aus katholischen Vermögen ging 1821 die Rottenburger Stiftung „Interkalarfonds“ hervor, die in Württemberg unter anderem für Pfarrer-Pensionen sorgt. In der Erzdiözese Freiburg wurden im Jahr 2002 über 1.000 alte Pfarrpfründe zu einer neuen Stiftung zusammengefasst.
Ungestörter verlief die Geschichte mancher sozialer Stiftung. Dass das Altersheim in Wemding wirklich schon im Jahr 917 von der Edelfrau Winpurc gegründet wurde, muss man nicht unbedingt glauben. Besser bezeugt sind Spitäler und Siechenhäuser ab dem 13. Jahrhundert. Der Konstanzer Spital-Stiftung von 1225 gehören unter anderem Weinberge. Ebenfalls bis heute engagieren sich zum Beispiel die Hospital-Stiftungen in München (seit 1208), Biberach (1239), Kaufbeuren (1249) und Freiburg (1255). Wie moderne Bürgerstiftungen entstanden diese Wohlfahrtseinrichtungen dank zahlreicher Einzelspenden und Zustiftungen.
Ab dem 19. Jahrhundert waren auch andere Stiftungszwecke möglich, etwa Kunst und Kultur, Bildung und Wissenschaft. Typische Beispiele sind die Stetten’schen Stiftungen von 1803, die eine Mädchenschule in Augsburg fördern, und die Ramsperger’sche Stiftung von 1890, die der Musikschule Ulm zugute kommt. Der Anteil frommer Beweggründe nahm mit der Zeit ab. Heute verfolgen noch etwa 11 Prozent aller Stiftungen religiöse Ziele – dagegen widmen sich 15 Prozent dem Umweltschutz, der historisch jüngsten Aufgabe.
Das 20. Jahrhundert war für Philanthropie ein Desaster: Die Nazis beschlagnahmten „jüdische“ Einrichtungen. Weltkriege, Inflation und Währungsreformen zerstörten die Vermögen vieler Stiftungen. In der DDR war bürgerliches Engagement schlicht verboten. Erst ab den 1980er Jahren hatten die Deutschen wieder so viel Kapital, dass sie in größerer Zahl über private Wohltätigkeit nachdenken konnten.
Seit rund zwanzig Jahren boomen Schenkungen an die Allgemeinheit. Im bisherigen Rekordjahr 2007 wurden in Deutschland 1.134 neue gemeinnützige Stiftungen gegründet, davon 188 in Baden-Württemberg. Dieses Frühjahr will die Bundesregierung Vorschläge zur weiteren Reform des Stiftungsrechts vorlegen: Nützlicher Nachruhm soll einfacher werden.
Martin Ebner
Stiften gehen?
Der Bundesverband Deutscher Stiftungen vermittelt Basiswissen zu Stiftungen und veranstaltet jedes Jahr den „Deutschen Stiftungstag“, Europas größten Stiftungskongress: www.stiftungen.org
Zum dauernden Wohl der Gemeinschaft
Eine Stiftung ist ein Vermögen, das dauerhaft einem bestimmten Zweck gewidmet ist. Da der Begriff rechtlich nicht festgelegt ist, kann eine „Stiftung“ auch ein Verein oder ein Unternehmen sein. Anders als Aktiengesellschaften müssen Stiftungen keine Daten veröffentlichen. Für „Treuhandstiftungen“, die schon mit kleinen Beträgen gegründet und zum Beispiel von Kommunen oder Bürgerinitiativen verwaltet werden können, gibt es keine staatliche Aufsicht. Daher ist unbekannt, wieviele Stiftungen es insgesamt gibt, welche Vermögen sie verwalten und was sie alles so treiben.
Eine „rechtsfähige Stiftung bürgerlichen Rechts“ ist das, was sich die meisten Menschen darunter vorstellen: eine eigenständige Organisation, die sich selbst gehört und meist hehre Ziele verfolgt, die in ihrer Satzung festgelegt sind. Sie muss von Aufsichtsbehörden genehmigt werden, die dafür üblicherweise ein Startkapital von mindestens 50.000 Euro voraussetzen. Wenn sie vom Finanzamt als gemeinnützig anerkannt wird, sind ihre Gründung wie auch Spenden an sie steuerlich begünstigt. Die Zahl dieser Art Stiftungen hat sich in Deutschland seit dem Jahr 2000 mehr als verdoppelt: Die Bundesländer verzeichnen schon mehr als 22.000, davon über 3.300 in Baden-Württemberg.
Einmal registriert, können Stiftungen nicht ohne Weiteres geändert oder abgeschafft werden. Wer sich mit einer eigenen Stiftung verewigen will, muss volljährig und geschäftsfähig sein. In Baden-Württemberg wende man sich dazu an die Regierungspräsidien: www.rp.baden-wuerttemberg.de/Themen/Stiftung
In Bayern sind die Bezirksregierungen zuständig: www.stiftungen.bayern.de
Published, Aperis: Südwestpresse, 06.06.2020
Helfer in der Krise
Neue gemeinnützige Stiftungen entstehen überall im Land. Kapitalerhalt und Vermögensbildung gestalten sich für die Organisationen allerdings immer schwieriger.
„Wer eine Stiftung gründet, ist zuversichtlich, die Zukunft positiv beeinflussen zu können“, sagt Joachim Rogall, der Vorsitzende der Robert Bosch Stiftung: „Diese Haltung macht Mut. Stiftungen sind eine tragende Säule unserer Gesellschaft.“ Sie betreiben Krankenhäuser und Pflegeheime, fördern Sport, Bildung und Museen, engagieren sich für die Allgemeinheit. Die Folgen von Corona lindern jetzt Nothilfefonds, zum Beispiel der Deutschen Orchester-Stiftung oder der DFB Stiftung Sepp Herberger.
Vielleicht brauchen die Helfer aber bald selber Hilfe? Bereits vor der aktuellen Krise gab bei einer Umfrage des Bundesverbands Deutscher Stiftungen über die Hälfte der Stiftungen an, ihr Vermögen nicht mehr erhalten zu können: Niedrigzinsen schlagen auf die Rendite durch; es wird immer schwieriger, Erträge zu erwirtschaften.
Der Wille, Vermögen guten Zwecken zu widmen, ist trotzdem ungebrochen: In Deutschland gibt es bereits über 23.000 gemeinnützige Stiftungen bürgerlichen Rechts. Allein in den letzten zwei Jahren wurden 1.130 gegründet, davon 147 in Baden-Württemberg, 186 in Bayern. Die meisten von ihnen starteten allerdings mit weniger als 1 Million Euro – sie werden pro Jahr kaum mehr als 10.000 Euro Zinsen ausgeben können und ohne weitere Zustiftungen oder Spenden nicht viel ausrichten.
Im Verhältnis zur Einwohnerzahl sind die Würzburger am großzügigsten: 139 aktive Stiftungen. Im gleich großen Ulm gibt es nun 65. Frisch dabei sind dort die Alexander-Spohn-Stiftung, die Stipendien für Auslandsaufenthalte von Abiturienten vergibt, und die Stiftung Mosaik Ulm, die den christlichen Glauben fördern will. Zu den deutschen Städten mit den meisten Stiftungen gehören auch Stuttgart (297), Tübingen (61) und Reutlingen (41). Nicht im staatlichen Verzeichnis sind kirchliche und öffentliche Stiftungen, wie zum Beispiel die Kinderstiftung Funke in Waiblingen, eine Treuhandstiftung der Caritas.
Außer Geld kann auch ein prominenter Name nützlich sein. Die Ferry-Porsche-Stiftung zum Beispiel soll vor allem Kinder und Jugendliche fördern. In Backnang hat der Fußballtrainer und Sportdirektor Ralf Rangnick eine Stiftung gegründet, die sich „Sport und Bewegung, Herzensbildung sowie der individuellen Talentförderung im Kindesalter“ widmet. In Freiburg spendete Matthias Ginter 150.000 Euro für benachteiligte Kinder; mit seinen 26 Jahren ist der Fußballer vermutlich der jüngste Stifter im Land.
Traditionell sind Wohltäter einem Heimatort verbunden. Überregional ist die Stiftung Pro Kommunikation in Heidelberg, die Taubstummen-Organisationen aus Württemberg und Baden vereint. Zunehmend sorgen sich Stifter auch um die weite Welt. Ein Beispiel ist die Kühn Foundation – Orthopedic Surgery for Africa, die der Arzt Thomas Kühn in Biberach gegründet hat. Überhaupt werden englische Namen immer beliebter: Die Ulmer Care-for-Rare Foundation etwa ist für Kinder mit seltenen Erkrankungen da; die Knowledge Foundation@Reutlingen University soll die Karrieren von „High Potentials“ beschleunigen.
Bei der Katzenhilfe Stuttgart ist der Name Programm, wie auch bei der Förderung der Knorpelforschung in Pforzheim. Erklärungs-bedürftiger sind die Stiftungen Mypegasus in Reutlingen, die Berufsbildung unterstützt, und Geistreich in Schwäbisch-Hall, die Jugendhilfe „im Sinne des Reichs Gottes“ beabsichtigt. Die neue Wissensstiftung in Stuttgart soll nachhaltiges Bauen voranbringen. Wer bisher noch nichts Passendes gefunden hat, kann sich vielleicht in Backnang von der Stiftung Zielgerade im letzten Lebensabschnitt dabei helfen lassen, Versäumtes nachzuholen: „Bringen Sie Ihre ‚drei Wünsche‘ zum positiven Ende!“
Martin Ebner
Schnell und unbürokratisch beistehen
„Corona Soforthilfe“ für Kleinstfirmen in Tübingen, Lebensmittel für Tafelläden im Kreis Ravensburg, Einkaufsdienste für Senioren in Ostfildern oder „Rockt zu Hause“-Konzerte in Mannheim: Bürgerstiftungen können rasch auf aktuelle Notlagen reagieren. Sie arbeiten nicht mit Geld eines einzigen Spenders oder eines Unternehmens, sondern mit kleineren Zuwendungen von vielen Gebern. In Baden-Württemberg gibt es bereits über 100, in Bayern rund 40 dieser gemeinnützigen Mitmach-Vereinigungen, an denen sich jeder mit Geld, oft auch mit ehrenamtlicher Arbeit beteiligen kann.
Bürgerstiftungen starten meist mit einem kleinen Grundkapital, zum Beispiel in Burgrieden mit 50.000, in Biberach mit 64.000 Euro. Sie bauen erst mit der Zeit ein Vermögen auf, mit dessen Erträgen dann Projekte gefördert werden können. Typisch ist dabei ein breites Spektrum: von Bildung und Erziehung bis Umweltschutz, von sozialen Problemen bis Denkmalpflege können sie praktisch alles anpacken, was in der jeweiligen Gemeinde gerade unter den Nägeln brennt.
Mit bürgerschaftlichem Engagement wurden bereits im Mittelalter Krankenhäuser und Altersheime gebaut. Als älteste und größte moderne Bürgerstiftung gilt die Deutsche Umweltstiftung, die 1982 in Mainz gegründet wurde. Mittlerweile ist sie nach Berlin umgezogen und wird von über 3.500 Stiftern getragen – bereits mit 1,- Euro kann man dabei sein, um zum Beispiel Naturschutzgebiete zu erhalten.
Informationen zu über 400, aber leider nicht allen deutschen Bürgerstiftungen sind in einem Verzeichnis zu finden, das die Genossenschaftsbanken zusammengestellt haben: www.aktive-buergerschaft.de/buergerstiftungen/ Was eine gute Bürgerstiftung ausmacht, erklärt auch der Bundesverband Deutscher Stiftungen: www.buergerstiftungen.org
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Foto: Since 750 years this vineyard above Lake Constance enriches the hospital foundation in Konstanz, Germany. Ekde 750 jaroj hospitalfondaĵo de Konstanz posedas tion vinberejon apud Meersburg, Germanujo. Die Haltnau am deutschen Bodensee-Ufer gehört seit 750 Jahren der Spitalstiftung Konstanz, auf der anderen Seeseite. Der Legende nach wollte eine adlige, jedoch ästhetisch benachteiligte Jungfer das Rebgut ursprünglich der benachbarten Stadt Meersburg vermachen – gegen sonntägliche Essen mit, bzw. gar Küsse von den Stadtoberen. Die lehnten entsetzt ab. Die Konstanzer dagegen waren angesichts des schönen Weinbergs nicht so heikel und nahmen sogar regelmäßige Bootsfahrten in Kauf…
(Realistischer ist allerdings die viel langweiligere Erklärung, dass ein Konstanzer Bürger anno 1272 dem Heilig-Geist-Spital den Weinberg schenkte mit der Auflage, dass seine Witwe jährlich 20 Eimer Wein erhalten müsse.)