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Dossier: Schöner Sterben

1. Begräbnis vom Discounter: Billig-Bestatter mischen die Trauerbranche auf (Stuttgarter Nachrichten)

2. Kompost statt Krematorium: Grüner Sterben – eine schwedische Biologin will Leichen in guten Humus verwandeln (GWEN Magazine)


About: Cheap funerals in Germany
Pri: Malmultekostaj entombigoj en Germanujo
Published, Aperis: Stuttgarter Nachrichten (†), 05.11.2005


Begräbnis vom Discounter

Billig-Bestatter mischen die Trauerbranche auf

Der Tod kostet das Leben und ist auch sonst nicht billig: Ein Begräbnis schlägt in Deutschland durchschnittlich mit drei- bis viertausend Euro zu Buche, es ist aber auch nicht schwer, dafür 10.000 Euro loszuwerden. Wer würde nicht der Berufsschulwerbung glauben, dass Bestattungsfachkräfte „konjunkturunabhängige“ Chancen haben? Dennoch sind viele Friedhofsverwalter, Bestatter, Gärtner und Steinmetze schlecht gelaunt: Neumodische Phänomene wie Internet und Internationalisierung beuteln selbst ihre vermeintlich ebenso konservative wie krisensichere Branche.

Im vergangenen Jahr haben heimische Produzenten 273.000 Särge ausgeliefert – 1990 waren es noch mehr als eine halbe Million gewesen. Ihr Umsatz schrumpfte von einst 86 auf 56 Millionen Euro. Hartnäckig hängen die Menschen am Leben, die Zahl der Sterbefälle in Deutschland ging 2004 auf 821.000 zurück, 37.000 weniger als im Jahr davor. Die Zahlen zeigen aber mehr als nur demographische Unbill: Nur in kleinen Dörfern ist die Welt für Bestatter heil, denn dort gehört zum Abgang oft noch ein Eichen-Truhensarg mit Wulst-Schnitzung und goldfarbenen Griffen. In den Städten aber ist vielen Leuten zunehmend egal, wie sie unter die Erde kommen – Hauptsache billig. Opas, die früher jeden Vorsorgevertrag blind unterschrieben hätten, kommen heute mit Tabellen der „Stiftung Warentest“ zum Bestatter; sie haben Infos der Verbraucherinitiative „Aeternitas“ ausgedruckt, laut denen man beim Begräbnis „durchaus sparen kann“, und feilschen wie beim Autokauf.

Besonders in Berlin machen Billig-Totengräber den Mitbewerbern das Leben schwer. „Berolina Sargdiscount“ zum Beispiel preist nicht nur ein „revolutionäres Tiefstpreiskonzept“ an, sondern lädt zuweilen auch zu Busfahrten nach Tschechien ein. Dort sollen Kunden sich davon überzeugen, dass beim Alles-Inklusive-Schnäppchen „Überführung ab Berlin, Kremierung, Aschenkapsel und annonyme Beisetzung für 888 Euro“ alles mit rechten Dingen zugeht. Krematorium und Friedhof Hrusovany südlich von Chemnitz kommen so pro Monat zu rund 60 Leichen aus Deutschland. Wer unbedingt zu Hause mit Grabstein bleiben will, zahlt einen Aufpreis – kann aber bei Bestellung über www.sargdiscount.de für den Importsarg aus Polen einen Rabatt von 15 Prozent bekommen.

„Bergemann Bestattungen“ versucht, mit „Paketpreisen“ zu punkten, etwa einer Erdbestattung zu 990 Euro, hat aber auch eine Liste für Einzelwünsche: „Sarg (Vollholz, einfach)  238,43 Euro, Überführungswagen 45,37  Euro, Träger 69,16  Euro…“ Unter www.billiger-bestatten.de werden Dankesschreiben veröffentlicht: „Zunächst war es etwas eigenartig, bei Google nach einem Bestattungsunternehmen zu suchen“, aber „Dank E-Mails konnten wir die Angelegenheit unkompliziert aus der Ferne regeln“. „Paul Rusicke Bestattungen“ offeriert via www.der-billigbestatter.de „Komplettpreise“, etwa „Seebestattung Ostsee ohne Angehörige“ für 999 Euro und „Feuerbestattung ohne Feier“ für 985 Euro, dazu die „bundesweite Abholung im Trauerfall für 0,52 Euro pro gefahrenem Kilometer ab Berlin“.

Zum Horror der Konkurrenz ist heuer auch „Ahorn-Grieneisen“, Deutschlands größter Bestatter, unter die Discounter gegangen. Der zur Versicherung „Ideal“ gehörende Marktführer, der 2007 an die Börse gehen und gegen Beerdigungskonzerne aus USA und England antreten will, bietet bundesweit eine „Volksbestattung“ zu 569 Euro an, bei Online-Bestellung 544 Euro. Zu diesem reinen Bestatterpreis kommen allerdings noch kommunale Gebühren, die extrem unterschiedlich ausfallen: Esslingen kassiert für eine Erdbestattung 661, Kelkheim im Taunus 4800 Euro. „Aeternitas“ empfiehlt deshalb, sich von den Billiganbietern schriftlich einen exakten Kostenvoranschlag mit Mehrwertsteuer geben zu lassen und parallel Angebote bei „normalen“ Bestattern einzuholen.

Die Lobbyisten des Trauergewerbes bejammern „Pappsarg und Leichentourismus“, beklagen wortreich „Entsorgungsmentalität“ und „Kulturverlust“. Gegen veränderte Verbraucherwünsche und den Druck des Marktes werden sie aber wohl nicht viel ausrichten. Von der Versuchung ganz zu schweigen: In Sachsen-Anhalt wurde der Vorsitzende eines Bestatterverbandes erwischt, der den Hinterbliebenen ein teures Krematorium berechnet, die verstorbene Großmutter aber in Wirklichkeit nach Tschechien gebracht hatte. Dort ist die Einäscherung schon ab 56 Euro zu haben.

Martin Ebner

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Published, Aperis: GWEN-Magazine (†), 16.01.2019

Kompost statt Krematorium

Grüner Sterben – eine schwedische Biologin will Leichen in guten Humus verwandeln

Warum hat sie sich dem Tod verschrieben und arbeitet schon seit Jahrzehnten an einer neuen Bestattungsmethode? Die Frage ärgert Susanne Wiigh-Mäsak: „Wir sprechen über das Leben! Die Natur lebt.“ Außerdem findet die schwedische Biologin, sie könne diese Aufgabe nicht anderen überlassen: „Es gibt nicht so viele Fachleute für Verwesung und Kompostierung. Wussten Sie zum Beispiel, dass Heißkompost Blödsinn ist, weil die meisten Mikroorganismen sich bei 2 bis 4 Grad Celsius am wohlsten fühlen?“

Im Jahr 1996 gab Susanne Wiigh-Mäsak ihren Job bei einer Chemiefabrik auf und eröffnete einen Bioladen auf der Insel Lyr bei Göteborg, wo ihr Mann Peter eine Muschelzucht aufbaute. „Die Insel hat nur 150 Einwohner“, berichtet sie: „Da habe ich viel Zeit zum Gärtnern und Kompostieren. Und zum Nachdenken.“ Vor allem eine Frage treibt sie um: Wie können wir nach dem Tod umweltfreundlich in den organischen Kreislauf eingehen, so wie etwa ein Apfelrest oder der Kadaver einer Maus? Sie hat sich vorgenommen, selbst einmal einen weißen Rhododendron zu düngen.

Organische Stoffe, zum Beispiel Leichen, sind kohlenstoffhaltig und nicht wasserlöslich. Sie können grundsätzlich auf drei Arten zerkleinert werden, erklärt die Biologin: Verrotten oder Verfaulen ist langsam, verbraucht Platz, stinkt und gefährdet das Grundwasser. Verbrennen kommt in der Natur kaum vor, schon gar nicht von Körpern, die 70 Prozent Wasser enthalten; es verbraucht viel Energie und setzt giftige Gase frei, aber auch zum Beispiel Quecksilber aus Zahnfüllungen. Die beste Methode sei dagegen die Produktion von Erdboden: schnell und wohlriechend.

Die Umweltschützerin ließ das von ihr entwickelte Verfahren unter dem Namen „Promession“ patentieren: Der auf -18°C vorgekühlte tote Körper wird in flüssigen Stickstoff mit -196°C getaucht. „Stickstoff ist ein Abfallprodukt der Sauerstoff-Herstellung. Das bekommen wir von der Gasindustrie praktisch umsonst.“ Spröde und brüchig wird die Leiche dann durch Schallwellen-Vibration in ein Granulat zerlegt. Gefriertrocknung entzieht das Wasser. Nach dem maschinellen Aussortieren von Metall und Kunststoffen, etwa Goldzähnen oder Implantaten, verbleibt noch ungefähr ein Drittel des ursprünglichen Körpergewichts. Das feine, geruchslose Pulver wird in einem Sarg aus Maisstärke in 50 Zentimeter Tiefe bestattet, also in „lebenden“ Erdschichten mit Sauerstoff und Mikroorganis-men. In 6 bis 18 Monaten wird daraus Humus.

Um diese Methode zur Serienreife zu bringen, gründete Susanne Wiigh-Mäsak mit ihrem Mann das Unternehmen „Promessa Organic“. Eine Firma habe den Vorteil, dass sie Franchise-Nehmern Vorschriften machen kann, zum Beispiel die Verwendung von Öko-Strom. „Promessions“-Tests mit rund 100 toten Schweinen seien sehr erfolgreich gewesen: „Biologisch sind Schweine und wir sehr ähnlich.“ Obwohl die angehenden Bio-Bestatter nach eigenen Angaben bereits mehr als 3 Millionen Euro von Investoren eingeworben haben, gibt es bislang aber noch keine Pilotanlage für das unblutige Granulieren und Trocknen menschlicher Überreste.

„Unser größter Fehler war, dass wir viel zu lange auf die Schwedische Kirche gewartet haben“, resümiert die Biologin die bisherige Entwicklung: „Die hat bei uns praktisch das Monopol der Friedhofsverwaltung. Seit der Trennung vom Staat werden für die Kirche die Einnahmen von Friedhöfen und Krematorien immer wichtiger. Die haben uns immer wieder hingehalten.“

Trotz des Widerstands der Bestattungsbranche ist Susanne Wiigh-Mäsak aber optimistisch: „Kremation hat auch Jahrzehnte gebraucht, bis sie sich durchsetzen konnte. Wir sind auf einem guten Weg und haben jetzt eine Stiftung für einen eigenen Friedhof. Wir hoffen, dass bald in Uddevalla der Prototyp eines Promessionsgeräts gebaut wird.“

In der Zwischenzeit tourt das Ehepaar Wiigh-Mäsak auf Vortragsreisen um die Welt: „Wir haben Anfragen aus 93 Ländern.“ Am größten seien die Chancen wohl in Deutschland und Spanien, aber auch in Südafrika und Australien würden gerade die Gesetze für das Begräbniswesen so geändert, dass Schockfrosten eine Option werde. Besonders interessiert seien die Parsen: „Die sind verzweifelt, weil in Indien und Pakistan die Geier für ihre Luftbestattungen aussterben. Dort finden nun Geistliche, dass Promession die Natur nachahmt und ihrer Tradition sehr nahe kommt. Und Parsen sind ja nun wirklich sehr konservativ.“

Martin Ebner

Susanne Wiigh-Mäsak verspricht „ökologische Bestattung“: www.promessa.se


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Skelette und Totenschädel müssen durchaus nicht entsorgt werden, sondern können als formschönes Baumaterial dienen (Sedletz-Ossarium in Kutná Hora, Tschechien)

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