Fischerboote bei Iznang

Berufsfischer auf dem Bodensee haben es schwer

About: Professional fishermen on Lake Constance
Pri: Profesiaj fiŝistoj sur Konstanca lago
Published, Aperis: Südwestpresse, 28.05.2005


Leben von der Hand im Netz


Viel Knochenarbeit, wenig Romantik: Berufsfischer auf dem Bodensee haben es schwer

Wind, Wellen und launische Felchen sind die Fischer von Bregenz bis Bodman seit Jahrhunderten gewohnt. Zu schaffen machen ihnen unerwartete Probleme: die EU-Osterweiterung und die erneute Sauberkeit des Bodenseewassers

„Der Morgen graut und noch tief hängen die Nebel im Schilf. Außer dem Motorengeräusch eines kleinen Bootes ist nur vereinzelt der Schrei eines Kormorans zu hören. Die Welt scheint in Ordnung, als plötzlich der Knall eines Schusses zu hören ist: Der tägliche Kampf um die Fische hat begonnen!“ So fängt das Computerspiel „Der Fischer vom Bodensee“ an. In Wirklichkeit wird auf dem Schwäbischen Meer eher selten geschossen. „Kampf“ trifft aber das Leben der letzten Berufsfischer recht gut.

Räuberische Kormorane sind nur eines ihrer Probleme, obwohl diese schwarzen Vögel immer öfter an den Bodensee pendeln oder sich sogar dauerhaft ansiedeln und kräftig mitfischen. Mehr noch jammern die Fischer aber über Importe aus Osteuropa, die viel billiger sind als ihre eigenen Selbstkosten: So mancher Kretzer „vom Bodensee“, der den Touristen serviert wird, stammt zum Beispiel aus Estland und wird hierzulande bestenfalls filetiert. Wer schaut schon, ob auf dem Etikett „aus dem Bodensee“ steht?

Von drei bis fünf Uhr morgens Netze auswerfen oder in langwieriger Handarbeit Köder an Aalschnüre zu hängen, war noch nie ein leichter Weg zu Reichtum. Bootsfahrten bei Wind und Regen und Arbeitszeiten von 13, 14 Stunden täglich sind auch nicht jedermanns Sache. Immerhin hat der Konkurrenzkampf der Profis untereinander nachgelassen: Vor 100 Jahren stritten noch 460 Berufsfischer um jede Flosse; heute sind es nicht einmal mehr halb so viele.

Die „Internationale Bevollmächtigtenkonferenz für die Fischerei im Bodensee“ regelt seit 1893 für die diversen Anrainerländer gemeinsam die Verhältnisse von Bregenz bis Bodman. Sie hat derzeit 160 Patente für die professionelle Fischerei auf dem Hohen See ausgegeben, also für die Teile von Obersee und Überlinger See mit mehr als 25 Metern Wassertiefe. Am seichten Untersee rund um die Insel Reichenau, wo andere, zum Teil jahrhundertealte Fischerei-Rechte gelten, arbeiten noch 44 Berufsfischer.

Meist schuften sie in Familienbetrieben: Wenn Vater und Sohn, also zwei Patentinhaber, zusammen ausfahren, können pro Boot doppelt so viele Netze ausgelegt werden. Seit im Jahr 1971 erstmals eine Frau die Fischermeister-Prüfung abgelegt hat, ist auch die Fischerin vom Bodensee nicht mehr nur im Heimatfilm anzutreffen.

Mit den Freizeitanglern, von denen es rund um den Bodensee über 15.000 gibt, kommen sie sich kaum in die Quere. Die Hobby-Fischer bevölkern meist nur die Ufer und stellen anderen Fischarten nach, wenn sie überhaupt etwas fangen. Allerdings werden sie wohl nicht so genau kontrolliert wie die Berufsfischer. Staatliche Fischerei-Aufseher registrieren und plombieren deren Schwebenetze: Wird die erlaubte Maschenweite eingehalten? Außerdem müssen die Berufsfischer eine genaue Fangstatistik führen.

Aus den Zahlen lässt sich ein neues Problem ablesen, das eigentlich ein uraltes ist: Der Bodensee ist fast zu sauber für die Fischerei. Um 1931, als der Phosphatgehalt des Wassers noch unterhalb der Nachweisgrenze lag, ernteten die Fischer auf einem Hektar Obersee gerade einmal 5,4 Kilo Fische – und konnten nur dank Nebenjobs überleben, etwa Schilfrohr schneiden oder Vogeljagd. Ihre Armut barmte damals die Behörden so sehr, dass sie daran dachten, den See mit Abwässern zu düngen.

Die vorsätzliche Verschmutzung erwies sich bald darauf als überflüssig, denn Waschmittel und die moderne Landwirtschaft sorgten dafür, dass bis 1979 der traurige Rekordwert von 87 Milligramm Phosphat pro Kubikmeter Wasser erreicht wurde – der See war am Umkippen. Gleichzeitig schnellten die Fisch-Erträge in die Höhe: auf über 40 Kilo pro Hektar.

Nun haben Kläranlagen den Phosphatgehalt wieder auf 10 Milligramm gedrückt. Entsprechend ging auch das Wachstum von Algen und Plankton zurück – und die Fänge der Berufsfischer von durchschnittlich 1800 Tonnen (im Jahr 1991) auf 770 Tonnen (2001). In den letzten Jahren haben sich die Erträge wieder verbessert. Ohne Nebenverdienste, zum Beispiel Gemüsebau oder Vermieten von Ferienwohnungen, käme aber trotzdem kaum ein Fischer über die Runden.

Allerdings hat Umweltschutz auch für die Fischer Vorteile. Derzeit sind die ihre „Brotfische“, also Felchen, Barsche, Hechte und Aale, meistens Retortenbabys, die aufwändig in Brutanstalten herangezogen werden müssen. Sobald einmal nicht nur das Wasser, sondern auch der Seeboden wieder sauber sein wird, werden die Fische dort wieder laichen und sich natürlich fortpflanzen können.

Es werden auch wieder Fischarten gesichtet, die früher gerne gefangen wurden, in den 1970er aber ausgestorben waren – etwa Groppen, die der „Groppenfasnacht“ im Fischerdorf Ermatingen den Namen gaben. Ermutigend ist auch die Rückkehr der schmackhaften Seeforellen: Dank neuer Fischtreppen bei Kraftwerken können sie wieder vom Bodensee den Alpenrhein zu ihren traditionellen Laichgründen hinaufwandern.

Allein den badischen Berufsfischern gingen 2004 fast zwei Tonnen Seeforellen ins Netz. Überhaupt war ihr Verband mit den Fängen „durchaus zufrieden“. Dafür empören sich die Fischer über die Stadt Konstanz, die nicht nur Schnellfähren nach Friedrichshafen über den See jagt, sondern auch Hafenschlamm verklappt.

Zum Krieg wird es wohl kaum kommen. Obwohl man das nie so genau wissen kann: Als im 14. Jahrhundert ein Konstanzer Fischer, der die Grenzen des Reichenauer Fischwassers missachtet hatte, geblendet wurde, rotteten sich die Konstanzer zusammen und zündeten die Burg am Eingang zur Reichenau an. Die Ruine dient heute als Aussichtsturm und bietet einen Blick auf die Idylle des Untersees.

Martin Ebner

Link (last update: 03.04.2014):
Das Seemuseum in Kreuzlingen dokumentiert die Entwicklung der Fischerei an Untersee und Seerhein: www.seemuseum.ch
Informationen zur heutigen Bodenseefischerei sind zum Beispiel unter www.bodenseeweb.net und www.seespiegel.de zu finden.

Siehe auch: Leckeres Ländle – Spezialitäten in Baden-Württemberg


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Foto: Fishing boats on Lake Constance in Iznang, Germany. Boatoj de fiŝistoj apud Iznang, Germanujo. Fischerboote auf dem Untersee bei Iznang, Deutschland

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