3D printers in MAK, Vienna

3D-Druck: Die Revolution der Bastler

About: Additive manufacturing (3d printing) revolutionizes the production of pretty much everything.
Pri: Tridimensia presado ŝanĝas produktadon
Published, Aperis: Südwestpresse, 08.06.2013


3D-Drucker erreichen Fabrikhallen, Werkstätten und private Schreibtische: Noch nie war der Weg von der Idee zum Produkt so kurz.

Hoffnung oder Alptraum? So mancher Besucher der Frankfurter Fachmesse EuroMold kann sich wahrscheinlich nicht recht entscheiden. Forscher der Fraunhofer-Gesellschaft wagten dort einen Blick in die Autowerkstatt der Zukunft: Defekte Teile werden an Ort und Stelle nachgemacht; Kunden können ihr Wunsch-Lenkrad selbst entwerfen und sofort mitnehmen. Gleich nebenan wurden 3D-Drucker für den Hausgebrauch angeboten. Was wird aus der Ersatzteil-Branche, wenn man jedes beliebige Ding überall auf der Welt einfach aus dem Drucker ziehen kann?

Als das Fraunhofer-Institut für Lasertechnik in Aachen im Jahr 1996 erste Patente für „Selektives Laserschmelzen“ anmeldete, konnte sich kein normaler Mensch viel darunter vorstellen. Die Aussicht auf „schnelle Herstellung von Prototypen“ begeisterte die Allgemeinheit ebenso wenig wie „Verfahren zur additiven Fertigung“. Modelle, Flugzeugteile oder Zahnkronen werden aus hauchdünnen Schichten zusammengesetzt – na und? Erst seit die Medien dafür das griffige Schlagwort 3D-Druck gefunden haben, dämmert der Öffentlichkeit, dass Atome bald genauso leicht und billig bewegt werden wie Bits: Computer, Desktop-Drucker und Internet hatten zunächst „nur“ Verlage, Musik- und Filmhändler, auch Dienstleister wie Banken umgekrempelt – jetzt kommt die Industrie dran.

„Das ist wie damals in den 1980ern, als PCs das Leben revolutionierten“, schwärmt Chuck Pettis, Marketingchef des Drucker-Herstellers MakerBot: „Aber diesmal ist es viel größer.“ Wie Computer werden auch 3D-Drucker immer leistungsfähiger, während die Preise purzeln. Noch sehr teuer sind industrielle 3D-Maschinen für Metall- oder Keramik-Pulver. Daimler zum Beispiel fertigt mit einer Laserschmelz-Anlage große Aluminiumteile. Schreibtisch-Geräte, die geschmolzenes Plastik verarbeiten, sind aber bereits für Bastler erschwinglich: Noch im Jahr 2006 waren sie erst ab 15.000 Euro zu haben; mittlerweile gibt es Bausätze schon für weniger als 500 Euro. Ihre Produkte haben zwar bestenfalls Fußball-Größe und erinnern oft stark an Legosteine – aber die ersten pixeligen Digitalfotos waren ja auch verlacht worden. Wer kennt heute noch die Namen einst großer Unternehmen wie Kodak oder AgfaPhoto?

Junge 3D-Druck-Firmen, deren Aktien 2012 sehr gehypt wurden, erleben gerade einen Einbruch, ähnlich wie Internet-Unternehmen vor zehn Jahren. Dass 3D-Druck die Welt verändern wird, lässt sich trotzdem kaum bezweifeln: Altehrwürdige Fertigungsverfahren wie Fräsen, Drechseln oder Schrauben fallen oft schlicht weg. Ohne Verschnitt maßgeschneiderte Produkte brauchen weniger Material. Gedruckte Bauteile können fast beliebig komplex gestaltet werden und sind dabei oft stabiler und leichter als aus herkömmlichen Werkstoffen. Statt Gegenstände um den Globus zu karren, werden künftig möglicherweise vor allem Baupläne gehandelt. Vielleicht werden Verkehr und Umweltbelastung aber auch zunehmen, weil Heimwerker mit ihren Kreationen den Markt überschwemmen?

Wenn weniger Arbeitsschritte gebraucht werden, verlieren Lohnkosten an Bedeutung, dafür wird Kundennähe wichtiger. Besonders in den USA gibt es Hoffnungen, 3D-Druck könne eingerostete Industrie-Regionen wiederbeleben – so wie Schweizer Uhrmacher von Robotern und Automaten gerettet wurden. Als im vergangenen Sommer in Ohio das „Nationale Innovationsinstitut für Additive Fertigung“ eröffnet wurde, versprach Präsident Obama: „Das wird helfen, dass die Produktions-Jobs der Zukunft nicht in China oder Indien, sondern in den USA entstehen.“ Allerdings wird auch in Fernost eifrig an 3D-Druckern getüftelt.

Mancher Dinosaurier wird in diesem Wettrennen auf der Strecke bleiben. „Sobald etwas auf einem normalen Computer ausführbar ist, kann es jeder“, betont Chris Anderson, der ehemalige Chef des Technologie-Magazins Wired: „Die Produktion großer Stückzahlen erfordert Fachwissen, Ausrüstung und Kapital und blieb daher die Domäne der großen Unternehmen und ausgebildeten Spezialisten. Das wird sich in Kürze ändern.“

Nicht jeder Haushalt wird tatsächlich alles selbst machen wollen, bloß weil er es könnte. PET-Flaschen zum Beispiel werden wohl auch künftig in Massen gefertigt: Eine Spritzgussform ist teuer, kann dann aber konkurrenzlos effizient Millionen Stück auswerfen. Bei 3D-Druck gibt es dagegen keine Stückkosten-Degression: Wie im Handwerk kostet jedes Teil gleich viel. Oder gleich wenig. Das ändert in vielen Fällen die Kalkulation und ermöglicht ausgefallene Sonderanfertigungen, Kleinserien und individualisierte Fabrikate, die bisher nie über Entwürfe hinausgekommen sind.

Du sitzt am Computer, zeichnest etwas und wählst dann den Menüpunkt „Herstellen“: Die Kiste neben dem Bildschirm rattert und spuckt den gewünschten Gegenstand aus. Oder du schickst die 3D-Datei per Tastendruck an irgendeinen Lohnfertiger und setzt – gültige Kreditkarte vorausgesetzt – riesige Fabriken in Bewegung. Was ist daran revolutionär? Weniger die Maschinen, sondern die heute mögliche Kombination von digitalem Entwerfen, Fertigen und Verkauf übers Internet, meint der britische Autor Jack Roberts: „Es tauchen Unternehmungen auf, die ohne Lager auskommen, sofortigen Profit abwerfen, ökonomisch ohne Risiko sind und hochqualitative Güter zu niedrigen Kosten herstellen können, sogar bei geringen Stückzahlen. So etwas hat es noch nie gegeben.“ So wie das Internet die Zugangshürden im Kommunikationsbereich radikal gesenkt und Monopole gebrochen habe, werde nun 3D-Druck die Herstellung „demokratisieren“.

Wie schon beim Internet gehen die Zukunftsvisionen weit auseinander. Rechtsanwälte reiben sich die Hände: 3D-Dateien sind das nächste große Copyright-Thema; Ärger ist auch wegen gedruckten Waffen oder kopierten Schlüsseln absehbar. Derweil basteln idealistische Aktivisten in „FabLabs“, also öffentlichen Hightech-Werkstätten, an Open-Source-Hardware: Gratis-Baupläne für alle. Unklar ist noch, welche Anwendung den Durchbruch für Heim-3D-Drucker bringen wird: Sonnenbrillen oder Schuhsohlen? Spielzeug, Zahnrädchen für Staubsauger oder Blumentöpfe? Kleine Porträtbüsten oder doch Autoteile? Ach, macht doch einfach, was Ihr wollt!

3D Betonsäulen
„Basteln“ kann man das nicht mehr nennen: 1,8 Meter hoher Betonpfeiler, im Juni 2019 in 120 Minuten gedruckt von Ana Anton, Patrick Bedarf und Angela Yoo (Designlabor im Zürcher Museum für Gestaltung)

Schicht für Schicht

3D-Drucker wandeln Computerdaten ohne Werkzeuge direkt in dreidimensionale Objekte um, indem sie viele dünne Schichten übereinander stapeln und miteinander verbinden. Einfachere Geräte verarbeiten geschmolzenes Plastik, das heißt meist ABS-Kunststoffe, wie sie auch für Lego-Bausteine gebraucht werden. Industrielle 3D-Drucker arbeiten dagegen mit selektivem Lasersintern: Metall- oder Keramik-Pulver wird durch Laserstrahlen verschmolzen. Ein weiteres Verfahren ist die Stereolithografie: Ein UV-Lichtstrahl erhärtet die Oberfläche eines Kunstharz-Bades.

3D-Drucker sind das spektakulärste Beispiel für digitale Fertigung. Andere computergesteuerte Maschinen sind Laser-Cutter zum Schneiden oder Durchbohren von Platten; CNC-Fräsen können ebenfalls Material abtragen. Im Gegensatz zu subtraktiven Verfahren fallen bei der additiven, beziehungsweise generativen Fertigung keine Abfälle an: 3D-Drucker verarbeiten für ihre Schichten-Gebilde nur so viel Material wie für das jeweilige Objekt gebraucht wird.

Unschlagbar sind 3D-Drucker, wenn es um die Herstellung von kniffligen Einzelstücken geht. Deshalb werden mit ihnen bereits heute viele Architekturmodelle und Prototypen, aber auch Zahnkronen und medizinische Prothesen fabriziert. Für Luft- und Raumfahrt oder für Rennautos sind gedruckte Teile interessant, weil sie wie Knochen dank interner Verstrebungen sehr leicht und stabil sein können. In Zukunft könnten 3D-Drucker sogar Körpergewebe oder Organe aus Stammzellen aufbauen.


Machen – Lernen – Teilen (last update: 28.04.2014):

– Was sind 3D-Drucker, wer stellt sie her und wo kann man sie ausprobieren? Steht alles im „Grundkurs 3D-Drucker“: www.3druck.com
– FabLabs im deutschsprachigen Raum: https://de.wikipedia.org/wiki/FabLab
– Das Offene Technologielabor OTELO will „kreative Geister im ländlichen Raum“ ansprechen, v.a. in Österreich: www.otelo.or.at
– In Deutschland haben sich 11 Fraunhofer-Institute zur „Allianz Generative Fertigung“ zusammengeschlossen: www.generativ.fraunhofer.de
– Selber machen! Hier sind schon mehr als 25.000 digitale Design-Vorlagen gratis zu haben: www.thingiverse.com
– Chris Andersons Buch „Makers. Das Internet der Dinge: die nächste industrielle Revolution“ ist 2013 im Hanser-Verlag erschienen.
– Die Zürcher Denkfabrik W.I.R.E. hat 2012 das Buch „Machen ist Macht. Zum Aufstieg der Do-it-yourself-Kultur“ herausgebracht: www.thewire.ch

Martin Ebner

Perpetual Plastic Project
What if you could make almost anything from plastic waste? (Presentation of the „Perpetual Plastic Project“ at Ars Electronica 2014)

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Foto: 3d-printers on display in the MAK in Vienna, Austria; Tridimensiaj presiloj en ekspozicio en la Viena MAK, Aŭstrujo; 3D-Drucker in einer Ausstellung im MAK in Wien, Österreich

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Texts of timeless beauty. Or at least some historical interest.