Red Cross office in Stockholm, Sweden

Neues Symbol im Blaulicht-Milieu: Roter Kristall

About: New symbol in the blue-light-milieu: after Red Cross and Red Crescent comes the Red Crystal
Pri: Nova protekta simbolo por la Ruĝa Kruco: ruĝa kristalo
Published, Aperis: d’Lëtzebuerger Land, 18.01.2005


Neben Rotem Kreuz und Rotem Halbmond gibt es bald ein weiteres Schutzzeichen

Ein weißes Loch, eingerahmt von einem roten Quadrat, das vor weißem Hintergrund auf einer Ecke steht: so soll künftig die Menschlichkeit in Zeiten des Krieges symbolisiert werden. Nach jahrzehntelangen Verhandlungen, unzähligen Konsultationen, Resolutionen, Sitzungen und Sichtbarkeitstests wird voraussichtlich Ende Oktober eine Konferenz in Genf ein neues Abzeichen für Rettungskräfte ins Völkerrecht aufnehmen. Was wie eine Beschäftigungstherapie für Diplomaten aussieht, kann gravierende Folgen haben: Die Kennzeichnung von Sanitätern, Ambulanzen und Krankenhäusern ist in Krisengebieten eine Frage von Leben und Tod.

Im 19. Jahrhundert hatten die Retter bei jeder Armee eine andere Farbe: bei den Österreichern weiß, bei den Franzosen rot, den Spaniern gelb, anderswo schwarz… Die Soldaten hatten keinen Durchblick mehr und schossen oft sogar die eigenen Krankenschwestern über den Haufen. Seit seiner Gründung durch die Genfer Konvention von 1864 legt daher das Rote Kreuz größten Wert auf ein einheitliches, leicht erkennbares und universell respektiertes Emblem, nämlich ein „weißes Banner mit Purpurkreuz“.

Das ging gut, so lange sich nur Europäer an der humanitären Bewegung beteiligten. 1876 aber führte das Osmanische Reich den Roten Halbmond ein. Die Schweizer Regierung, bei der die Genfer Verträge hinterlegt sind, legte vergeblich dar, dass das Rote Kreuz nichts mit Religion zu tun habe, sondern lediglich eine „Umkehrung“ der Schweizer Fahne zu Ehren des Gründers Henry Dunant sei. Die Türken beharrten: Das Kreuz sei eine „Beleidigung für Moslems“.

Die Vertragsstaaten der Genfer Konvention akzeptierten 1929 den Roten Halbmond und den Roten Löwen, den Persien im Ersten Weltkrieg verwendet hatte – und legten fest, es dürfe keine weiteren Symbole geben. Thailand beugte sich und verzichtete auf seine Rote Flamme, Afghanistan gab seine Rote Moschee auf.

Nach dem Zweiten Weltkrieg scheiterten die Vorschläge Hollands (ein neues Emblem für alle) und Burmas (jedes Land soll kennzeichnen, wie es will). Die bis heute gültige Konvention von 1949 wiederholt den Stand von 1929: Kreuz, Halbmond, Löwe und sonst nichts. Der Löwe wird zwar nicht mehr gebraucht, Iran behält sich aber das Recht vor, den Halbmond dadurch zu ersetzen.  

Am unzufriedensten sind damit die Israelis: Sie bestehen auf dem Roten Davidstern. Deshalb wird ihre Rettungsgesellschaft international nicht anerkannt und hat beim IKRK in Genf lediglich Beobachterstatus – wie der Rote Halbmond der staatenlosen Palästinenser. Schwierigkeiten haben auch Kasachstan und Eritrea, die sich nicht entscheiden wollen und gerne Halbmond und Kreuz gleichzeitig verwenden würden.

Für diese Fälle hat die Schweiz ein neutrales Zeichen entwickelt. Es soll „Roter Kristall“ heißen, so dass nicht nur das Emblem, sondern auch sein Name völlig frei ist von nationalen, politischen, religiösen oder ethnischen Bedeutungen. In die Mitte der Raute soll jedes Land weitere Zeichen einsetzen können, etwa einen kleinen Davidstern. Kreuz und Halbmond sollen weiter verwendet werden dürfen.

Eigentlich hätte das neue Zusatzprotokoll zur Genfer Konvention schon im Jahr 2000 unterschrieben werden sollen – da verhinderte die zweite Intifada der Palästinenser jeden Kompromiss. Zur Unterstützung Israels hält seither das Rote Kreuz der USA jedes Jahr fünf Millionen Dollar Beiträge für das Genfer Sekretariat zurück, rund ein Viertel des Verwaltungsbudgets, und die US-Regierung droht mit weiteren Kürzungen.

Jetzt gibt es einen neuen Anlauf. Mitte September fand die Mehrheit der 192 Vertragsstaaten, sie könne mit dem Vorschlag leben. 23 islamische Länder erklärten zwar, die Zeit sei „noch nicht reif“, haben aber wohl eingelenkt – sonst würde die Schweiz kaum offiziell eine neue Rot-Kreuz-Halbmond-Konferenz ankündigen. Indien und Sri Lanka jedenfalls freuen sich schon auf den Roten Kristall: Sie wollen ihn mit einem kleinen Sonnensymbol versehen, auch bekannt als „Hakenkreuz“.

Martin Ebner

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Foto: Red Cross office in Stockholm, Sweden. Oficejo de Ruĝa Kruco en Stockholm, Svedujo. Doch keine Raute? Rotkreuz-Büro in Stockholm, Schweden

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