Schmetterling im Schmetterlingshaus auf der Insel Mainau

Schmetterlinge: Im Land der Überflieger

About: Projects for butterflies in Southwest Germany
Pri: Papilioj estas bonvenaj en sudokcidenta Germanujo
Published, Aperis: Südwestpresse, 19.04.2014


Schuppenflügler willkommen! Baden-Württemberg soll Falter-freundlich werden. Dafür wäre etwas hilfreich, das Gärtnern besonders schwer fällt: im Freien öfter mal nichts tun.

Wunderding Schmetterling: Schwärmer saugen mit langen Rüsseln Nektar aus Blüten, die sonst niemand erreicht. Taubenschwänzchen bleiben wie Kolibri-Vögel in der Luft stehen und können sogar rückwärts fliegen. Zünsler hören die Ultraschall-Rufe von Fledermäusen. Admirale, Distelfalter und Totenköpfe wandern jedes Jahr aus Afrika über Tausende Kilometer zu uns und manchmal weiter bis zum Polarkreis.

Leider sind Schmetterlinge nicht nur sehr schön, sondern auch sehr empfindlich. Falter sind so genannte Biotopkomplexbewohner. Das ist genau so kompliziert, wie es sich anhört: Sie brauchen für ihre verschiedenen Lebensstadien jeweils unterschiedliche Lebensräume. Wenn das Ei nicht an einem passenden Ort abgelegt wird, wenn die Raupe nicht ihre Leib- und Magen-Pflanze zum Fressen findet, wenn die Puppe nicht in Ruhe gelassen wird, wenn das Wetter nicht taugt, wenn nicht dieses oder jenes – dann schlüpft am Ende eben auch kein orange leuchtender Mauerfuchs.

Wiesenknopf-Ameisenbläulinge zum Beispiel legen ihre Eier in die Blüten des Großen Wiesenknopfs, der nur auf feuchten Wiesen oder an Gewässerrändern wächst und zu bestimmten Zeitpunkten gemäht werden muss. Die fast ausgewachsenen Raupen lassen sich auf den Boden fallen und locken mit einem Sekret Ameisen an, von denen sie in ihr Nest getragen werden. Dort fressen sie Ameisenbrut – was nur ein gut entwickelter Ameisenstaat verkraftet. Die Ameisenbläulinge überwintern dann im Ameisenbau, verpuppen sich dort – im Juli flüchten die erwachsenen Falter von ihren wohl nur mäßig begeisterten Gastgebern. Kein Wunder, dass so ein heikles Vieh vom Aussterben bedroht ist.

Ähnlich geht es dem Hochmoor-Gelbling, der unbedingt Hochmoore braucht, dem Fetthennen-Bläuling, der nur an Flüssen vorkommt, und dem Randring-Scheckenfalter, für den es partout kühle, staunasse Wiesenknöterich-Fluren sein müssen. In Baden-Württemberg stehen mehr als zwei Drittel der Tagfalter auf der Roten Liste. Bereits verschwunden ist bei uns unter anderem der Rotbindige Samtfalter. Früher häufige Schmetterlinge wie Kaisermantel oder Schwalbenschwanz werden seltener. „Stark gefährdete Arten wie der Apollofalter oder der Große Eisvogel kämpfen im Südwesten um ihr Überleben“, warnt Brigitte Dahlbender von der Naturschutzorganisation BUND. Falter wiederum sind nicht nur Dekoration: Sie bestäuben viele Pflanzen und dienen oft als Nahrung für Käfer, Spinnen, Fledermäuse und Vögel.

Den Apfelwickler-Raupen, die es sich im Fruchtfleisch von Äpfeln bequem machen, würden die meisten Menschen kaum nachweinen. Kleidermotten, die zu den Nachtfaltern zählen, werden ebenfalls selten vermisst. Sonst aber sind Schmetterlinge beliebt. Umweltschützer hoffen deshalb, dass die farbenfrohen Gesellen gerettet werden können. Das Projekt „Schmetterlingsland Baden-Württemberg“ schickt eine Wanderausstellung auf Tournee, deren Bildtafeln von der BUND-Gruppe Ulm gestaltet wurden. Für Falter-Schutz werben nicht nur Flugblätter und Lehrmaterialien, sondern auch ehrenamtliche „Schmetterlings-Guides“. In Stuttgart untersuchen Forscher des zoologisch-botanischen Gartens Wilhelma auf Parkflächen, wie Wiesen schmetterlingsfreundlicher bewirtschaftet werden können.

Die vom BUND verteilte Broschüre „Überflieger im Schmetterlingsland“ stellt Gemeinden und Landkreise vor, die sich vorbildlich um Schuppenflügler kümmern. Im oberschwäbischen Bad Saulgau zum Beispiel legt die Stadtgärtnerei Blumenwiesen an. Für den Lautersteiner Kuhberg bei Göppingen haben Auszubildende der Schuler AG die Patenschaft übernommen; einmal im Jahr pflegen sie dort die Wacholderheiden. Früher hielten weidende Kühe die steilen Hänge frei, auf deren Magerrasen Perlmuttfalter, Kreuzdorn-Zipfelfalter und verschiedene Ameisenbläuling-Arten angewiesen sind.

Die Intensivierung der Landwirtschaft ist die Hauptursache für das Verschwinden der Schmetterlinge: Bunte Wiesen werden zu Äckern umgebrochen, feuchte Flächen trockengelegt, Hecken und Feldraine beseitigt, Monokulturen angelegt und in großen Mengen Kunstdünger und Pestizide ausgebracht. In den letzten Jahren wurden auch die meisten Ackerbrachen mit Blütenpflanzen aufgegeben, die bis 2007 aufgrund von EU-Vorgaben zur „obligatorischen Flächenstilllegung“ angelegt werden mussten. Der BUND schätzt, dass allein von 2000 bis 2010 in Baden-Württemberg rund 70.000 Hektar Schmetterlingslebensräume verloren gingen: In der aus- und aufgeräumten Landschaft suchen Insekten vergeblich nach Nektar.

Vielleicht finden Falter auf Verkehrsinseln und in Hausgärten Asyl? Angesichts der zunehmend eintönigen Agrarsteppen werden jedenfalls Siedlungen für das Überleben von bedrohten Arten immer wichtiger. Dabei können kommunale Verwaltungen mit gutem Beispiel vorangehen, denn sie haben die Planungshoheit für ihre Flächen und besitzen oft auch selbst Grünanlagen, Parks, Gewässer-Randstreifen oder andere Biotope.

In Balingen wollte sich Landrat Günther-Martin Pauli nicht abfinden mit der „Friedhofsbepflanzung“ rund um sein Amtsgebäude: Er ließ Blütenpflanzen wachsen und machte sich überhaupt für einen „Blühenden Zollernalbkreis“ stark. Mittlerweile beteiligen sich an dieser Aktion 40 Gemeinden, und die geförderten Blühmischungen sind in diesem Landkreis bereits auf rund 1,5 Hektar kommunaler Flächen zu finden. Blühende Wiesen kommen bei den Bürgern gut an, erläutert Werner Ludwig vom Umweltamt Balingen: „Wir stellen fest, dass die einjährigen ‚Trachtmischungen‘ spontan eigentlich allen gefallen; die mehrjährigen Blühmischungen sind hin und wieder erklärungsbedürftig. Diese mehrjährigen Mischungen sind aber aus ökologischer und betriebswirtschaftlicher Sicht für uns die interessanteren.“

Was Schmetterlingen hilft, widerspricht oft dem Aufräumtrieb von Stadt- wie Hobbygärtnern: nicht so oft düngen und spritzen, keine exotischen Gewächse anpflanzen, nur ein- oder zweimal im Jahr mähen und zwischen Juli und September am besten gar nicht, nicht alle Flächen gleichzeitig bearbeiten und Brennesseln auch mal stehen lassen. Und wer große grüne Raupen mit schwarzen Querstreifen und orangenen Punkten sieht, soll sie bitte nicht alle totmachen – das werden besonders schöne Schwalbenschwänze.

Martin Ebner

Links (last update: 30.12.2014):

Schmetterling in Engen, Deutschland
Schmetterling in Engen, Deutschland

Die Schönen der Nacht

Mondfleck, Weinschwärmer und Schönbär sind bunt und prächtig und gar nicht eitel. Jedenfalls legen sie keinen Wert darauf, von Menschen bestaunt zu werden: Von den rund 3.700 Schmetterling-Arten in Baden-Württemberg lassen sich tagsüber nur weniger als 200 blicken; die meisten sind Nachtfalter. Zu unterscheiden sind die kleinen Flatterer weniger an ihren Flugzeiten als an ihren Köpfen: Tagfalter haben keulenförmig verdickte Fühlerspitzen, Nachtfalter meist fadenförmige Antennen.

Der Konstanzer Designer Armin Dett verfolgt in seinem Garten die Diven der Nacht schon seit Jahren mit seiner Kamera. Ein durchaus unbequemes Hobby: Der Purpurbär zum Beispiel fliegt kurz nur um fünf Uhr morgens und pflegt ansonsten Schönheitsschlaf. Belohnt werden die Stunden langen Wartens mit unerwarteter Vielfalt: Wie tagaktive Schmetterlinge versuchen auch Nachtfalter, sich Fressfeinde durch auffällige Farben oder bizarre Tarnungen vom Leib zu halten.

Im Konstanzer Stadler-Verlag ist von Armin Dett das Buch „Schönbär und Nonne – Licht ins geheime Leben der Nachtfalter“ erschienen. Bei Weltbild ist mit seinen Fotos der Kalender „Das geheime Leben der Nachtfalter“ herausgekommen.


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Schmetterling
Fleißiger Schmetterling

Foto: Exotic butterfly on Mainau island, Germany. Papilio en la botanika ĝardeno sur la insulo Mainau, Germanujo. Exotischer Falter im Schmetterlingshaus auf der Insel Mainau, Deutschland

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Texts of timeless beauty. Or at least some historical interest.