Tile: "Evil women and evil money can be found everywhere"

Alternative Banken: Geld mit gutem Gewissen

About: Alternative banks in German speaking countries
Pri: Alternativaj bankoj en germanlingvaj landoj
Published, Aperis: d’Lëtzebuerger Land, 21.06.2013


Alternative Banken haben in den deutschsprachigen Ländern zweistellige Wachstumsraten

Der letzte Weltspartag ist nicht jedem Banker in guter Erinnerung: Attac, Urgewald und andere NGOs bewarben die Kampagne „Krötenwanderung“. Sie riefen dazu auf, den „zerstörerischen Großbanken den Rücken zu kehren“. In Frankfurt störten sie eine Rekrutierungsveranstaltung der Deutschen Bank, in Saarbrücken organisierten sie einen „kritischen Banken-Rundgang“, überall verteilten sie vorgedruckte „Abschiedsbriefe“, um den Wechsel der Bankverbindung zu erleichtern.

Der Wunsch, mit seinen Spargroschen keine Spekulation mit Lebensmitteln, keine Streubomben und auch sonst keine Sauerei zu finanzieren, scheint sich zu verbreiten. Laut dem „Marktbericht 2013“, den das Forum Nachhaltige Geldanlagen im Mai veröffentlichte, haben „nachhaltige Anlagemärkte“ in den deutschsprachigen Ländern nun ein Volumen von 120,3 Milliarden Euro, 16% mehr als 2011. Von den 73,3 Milliarden Euro in Deutschland entfallen dabei 47,2 Milliarden auf „Spezialbanken mit Nachhaltigkeitsfokus“; den Rest teilen sich Mandate und Investmentfonds, wo besonders das Engagement von Stiftungen zugenommen habe. Für das österreichische Volumen von 5,6 Milliarden Euro seien vor allem nachhaltige Investmentfonds von Bedeutung (plus 36%), die dort mittlerweile fast 4% des Gesamtmarkts ausmachen. Während in Österreich nachhaltige Finanzprodukte zu 81% von institutionellen Investoren gekauft würden, etwa Pensionskassen, werde der entsprechende Schweizer Markt von 48,5 Milliarden Franken zu 46% von Privatkunden getragen.

Das Sustainable Business Institut zählt in Deutschland, Österreich und der Schweiz 382 „nachhaltige“ Publikumsfonds mit insgesamt rund 38 Milliarden Euro. Was als ökologisch, sozial und ethisch korrekt gelten kann, ist dabei umstritten. Das Forum Nachhaltige Geldanlagen, zu dessen 170 Mitgliedern auch Großbanken wie Credit Suisse, Deka oder Unicredit gehören, arbeitet mit einem Best-in-Class-Ansatz, der jeweils die am wenigsten schlechten Unternehmen einer Branche als „nachhaltig“ wertet. Da tauchen in den grünen Indizes dann schon mal Firmen wie TEPCO oder BP auf.

Kirchliche Banken, etwa die Steyler Bank oder das Wiener Bankhaus Schelhammer, und anthroposophische Geldinstitute, wie zum Beispiel Hermes-Österreich oder die Freie Gemeinschaftsbank Basel, finanzieren gerne Öko- und Sozialprojekte und geben kein Geld für Waffen, Drogen oder Pornografie (einmal abgesehen davon, dass die Pax-Bank bei Rüstungsinvestments erwischt wurde). Von transparenter Veröffentlichung ihrer Kreditnehmer und demokratischer Kontrolle durch Anleger wollen sie dagegen meist nicht viel wissen. Dass ihre Gewinne an Missionare gehen, passt auch nicht allen.

Für Attac gibt es im deutschsprachigen Raum nur fünf „konsequent“ alternative Banken: GLS und Triodos wurden im Gefolge der 68er-Bewegung von Anthroposophen gegründet. Aus der Umwelt- und Friedensbewegung gingen ABS und UmweltBank hervor, aus der Globalisierungskritik die EthikBank. Mit einem Marktanteil von insgesamt nicht einmal einem Prozent sind sie nach wie vor nur Nischenspieler. Sie profitieren aber stark von der Finanzkrise:

Die Gemeinschaftsbank für Leihen und Schenken wurde 1974 in Bochum von dem Notar Wilhelm Ernst Barkhoff eingerichtet, um eine Waldorfschule zu bauen. Später gab sie Geld für die ersten deutschen Windräder, die Stromrebellen von Schönau und 18.000 weitere Projekte. Heute hat die als Genossenschaft organisierte GLS von Freiburg bis Berlin sieben Filialen. Seit 2007 stieg ihre Bilanzsumme von 0,8 auf 2,715 Milliarden Euro, die Zahl ihrer Mitarbeiter wuchs von 180 auf 450, die ihrer Kunden von 55.000 auf 143.000. Pro Monat kommen in Deutschland und Österreich rund 2.000 Neukunden dazu. Um Basel-III zu erfüllen und mehr Eigenkapital einzusammeln, werden GLS-Anteile seit 2011 verzinst. Bei aller Liebe zur alternativen Geldanlage scheint der Idealismus zu schwinden: Heute verzichtet nur noch jeder 18. GLS-Kunde zugunsten von Förderprojekten auf Zinsen – am Anfang war es noch jeder Fünfte.
Triodos ist eine niederländische Aktiengesellschaft, bei der eine Stiftungskonstruktion den Einfluss von Rabobank, Delta Lloyd und anderen Großinvestoren begrenzt. In Holland, Belgien, Großbritannien und Spanien wächst sie rasant. Ihre deutsche Vertretung startete erst 2009 und macht noch Verluste (2012 fast 2 Millionen Euro). 38 Mitarbeiter in Frankfurt betreuen rund 5000 Kunden. Die Bilanzsumme in Deutschland wuchs seit 2011 von 174 auf 234 Millionen Euro.
Die Nürnberger UmweltBank wurde 1994 gegründet von Horst Popp, dem ehemaligen Vorstand der Ökobank. Mit einem Anteil von 15% ist er der wichtigste ihrer 7.000 Aktionäre. „Die Finanzkrise hat den Vorteil, dass die Menschen sich endlich Gedanken machen, was mit ihrem Geld geschieht“, meint Popp. Die UmweltBank hat rund 111.000 Kunden und 142 Mitarbeiter; sie hat nicht nur einen Aufsichtsrat, sondern auch einen Umweltbeirat. Ihre Bilanzsumme stieg 2012 um 17% auf 2,3 Milliarden Euro. Im Gegensatz zu den anderen Alternativbanken bietet sie als reine Zweitbank keine Girokonten an.
Im thüringischen 11.000-Einwohner-Städtchen Eisenberg baute die Sekretärin Sylke Schröder ab dem Jahr 2002 die EthikBank als Zweigniederlassung der Volksbank auf. Mittlerweile beschäftigt die in Deutschland und Österreich aktive „ethisch-ökologische Direktbank“ 14 Mitarbeiter. Sie hat mit mehr als 18.000 Konten und Kundeneinlagen von 136 Millionen Euro ihr Mutterhaus überrundet. Eine Besonderheit ist das Mikrokonto auf Guthabenbasis für private Insolvenzschuldner, die „ihre finanziellen Probleme ernsthaft lösen wollen“.
Die Alternative Bank Schweiz in Olten wurde 1987 von Apartheid-Gegnern, Greenpeace und 120 anderen NGOs gegründet. Ihre 4500 Aktionäre begnügen sich mit einer mageren Dividende. Die 84 Mitarbeiter betreuen 28.500 Kunden; die Bilanzsumme stieg 2012 um 11% auf 1,240 Milliarden Franken. Neuerdings vergibt die ABS keine Kredite mehr für Bauprojekte, die „zu Zersiedlung führen“. Wie andere Schweizer Banken ist auch die ABS nicht mehr an ausländischen Kleinkunden interessiert und vergrault diese mit einer „Bearbeitungsgebühr“ von monatlich 10 Franken.

Die Alternativbanken sind eng verbandelt, zum Beispiel über wechselseitige Beteiligungen. GLS, Triodos und ABS gründeten das Bochumer Institut für Social Banking, das Mitarbeiter ausbildet. Sie zählen auch zu den Gründern der Lobby Global Alliance for Banking on Values, die sich im März in einer „Berliner Erklärung“ für „mehr Transparenz, Nachhaltigkeit und Vielfalt in der Bankenwelt“ stark machte. Zur Beurteilung ihrer Anlagen verlassen sie sich oft auf Ratingagenturen: vor allem Sustainalytics, oekom und imug. Oft haben sie die gleichen Hauptkunden, etwa die deutsche Bewegungsstiftung, und investieren in die gleichen Projekte.

Das Desaster der europäischen Solarhersteller scheint den Alternativbanken bislang nicht viel auszumachen. Dass auch sie untergehen können, zeigte die Insolvenz der Frankfurter noa bank: Sie versprach hohe Zinsen und sammelte ab November 2009 fast 300 Millionen Euro von 15.000 Sparern ein – im September 2010 wurde sie von der Finanzaufsicht schon wieder geschlossen. Die 1988 in Frankfurt gegründete Ökobank scheiterte 2001, als Kredite für Recyclingbetriebe platzten. Der Verband der Genossenschaftsbanken verweigerte ihr die Rettung, im Gegensatz zur viel stärker verschuldeten Berliner Volksbank.

Vom Widerstand der etablierten Banken will sich in Österreich das im Jahr 2010 gestartete Projekt Demokratische Bank nicht entmutigen lassen. Die Initiatoren hoffen, heuer die Lizenz zu bekommen. Geschäfte machen sie also noch keine. Dafür haben sie im Plenum schon ausdiskutiert, was sie alles nicht haben wollen: kein Investmentbanking, keinen Börsengang und keine Boni.

Martin Ebner

Links (last update: 09.12.2014):

N.B. (10.03.2024):
Die GründerväterInnen der österreichischen „Demokratischen Bank“, später umbenannt in „Bank für Gemeinwohl“, haben zwar alles brav gegendert, eine Gemeinwohl-Bilanz erstellt, ein supergerechtes Gehaltsschema ausgearbeitet und auch sonst allerhand Trara veranstaltet – aber offensichtlich nicht damit gerechnet, dass das Finanzestablishment Gegenwehr leisten könnte. So eine Überraschung aber auch! Die Wiener FMA konnte das Projekt bereits mit den Gründungsformalia abwürgen. Immerhin ist es gelungen, sich selbst in vier Jahren Gehälter von rund 2 Mio. Euro auszuzahlen – und einen Verlust von 3 Mio. Euro zu bauen. Ab 2019 wurde dann in Kooperation mit der oberösterreichischen  Raiffeisenbank Gunskirchen ein Girokonto als „Gemeinwohlkonto“ angeboten.


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Foto: Tile in national museum in Karlsruhe, Germany: „Evil women and evil money you’ll find everywhere in the world“. Kahelo en nacia muzeo en Karlsruhe, Germanujo: „Malbonajn virinojn kaj malbonan monon vi trovos ĉie en la mondo“. Frauen- und Geld-feindliche Kachel im Badischen Landesmuseum Karlsruhe, Deutschland.


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