Travelling Helvetia

Vollgeld-Initiative in der Schweiz: keine Extrawurst für Banker

About: In Switzerland a new initiative wants to nationalize all the money, including electronical cash – thus to prohibit money creation by private banks. Nothing less than an attempt to overthrow the current financial system.
Pri: Initiativo en Svislando volas ŝtatigi ĉion monon, do malpermesi monkreado de privataj bankoj.


„Würde es zu einer Abstimmung darüber kommen, ob
– Geschäftsbanken Geld schöpfen
– Kredite an Spekulanten vergeben werden
– systemrelevante Banken entstehen
– diese mit Steuergeld gerettet werden
– Schattenbanken existieren dürfen
– Staaten sich auf Märkten verschulden müssen (…)
es würde sich wohl in kaum einem Land der Welt auch nur für eine dieser heute gültigen Regeln eine demokratische Mehrheit finden“, ist der österreichische Geld-Aktivist Christian Felber optimistisch.

Tja, das haben wir in der Schweiz gesehen: Beim Referendum am 10. Juni 2018 erhielt die Vollgeld-Initiative nur 24,3 Prozent der abgegebenen Stimmen….


1. Geld ohne Angst? (Letzebuerger Land, 27.04.2018)

2. Ohne Schuld und Zins (GWEN-Magazine, 24.03.2016)

3. Keine Extrawurst für Banker (Letzebuerger Land, 09.05.2014)


Published, Aperis: d’Lëtzebuerger Land, 27.04.2018

Geld ohne Angst?

MoMo gegen die grauen Männer von Zürich: Schweizer Volksabstimmung über eine Verstaatlichung der gesamten Geldschöpfung

Totschweigen hat nicht geholfen. Kein Medienkonzern, keine politische Partei, keine Lobby unterstützt MoMo. Trotzdem ist es dem kleinen Verein Monetäre Modernisierung gelungen, 110.000 beglaubigte Unterschriften bei der Bundeskanzlei in Bern abzuliefern. Damit kommt die so genannte Vollgeld-Initiative zustande: Am 10. Juni 2018 werden die Schweizer über die Vorlage „Für krisensicheres Geld: Geldschöpfung allein durch die Nationalbank!“ abstimmen.

Diese Initiatve haben Hansruedi Weber, ein pensionierter Volksschullehrer, und Reinhold Harringer, ehemaliger Leiter des Finanzamts St. Gallen, im Gefolge der Finanzkrise von 2008 gestartet. Es geht um eine scheinbar winzige Änderung der Schweizer Verfassung. In Artikel 99 sollen zwei Wörter eingefügt werden: „Der Bund allein schafft Münzen, Banknoten und Buchgeld als gesetzliche Zahlungsmittel.“ Politisch wäre die Verstaatlichung auch des elektronischen Geldes eine Revolution: Die Macht der Banken würde empfindlich getroffen.

Geld regiert die Welt. Das Geld aber wird heute überwiegend (gut 90 Prozent!) von privaten Geschäftsbanken elektronisch per Knopfdruck geschaffen, durch Kreditvergabe. Die Geldmenge explodiert. Geld auf dem Girokonto ist dabei lediglich ein Darlehen, eine Forderung des Kunden an die Bank, ihm echte gesetzliche Zahlungsmittel (also Bargeld) auszuzahlen. Giralgeld ist Teil der Bankbilanz – geht die Bank pleite, ist es weg.

Die Vollgeld-Verfechter wollen, dass Geld ausschließlich von der staatlichen Zentralbank ausgegeben wird, im Einklang mit der Entwicklung der „realen“ Wirtschaft. Zahlungskonten würden dann, wie heute schon Wertpapier-Depots, dem Kunden gehören – und im Fall einer Bankpleite einfach auf ein anderes Institut übertragen. Banken müssten nicht mehr mit Steuergeldern gerettet werden; man könnte sie wie andere Firmen bankrott gehen lassen. Der Geldschöpfungsgewinn würde dem Staat zufließen, der weniger Schulden machen müsste. Wachstumszwang und Druck auf Mensch und Natur würden gemildert, wenn Geld ohne Schuld und Zins auf die Welt käme.

Eine Referendumskampagne ist eine Art Volkshochschule zum Abstimmungsthema. In der Schweiz diskutiert nun erstmals eine breitere Öffentlichkeit über das Geldwesen. Der eine oder die andere vertieft sich vielleicht gar in die Schriften des Geldtheoretikers Joseph Huber, auf den das Vollgeld-Konzept zurückgeht. Viele Menschen erfahren zum ersten Mal, dass es Geldschöpfungsgewinne gibt, über deren Verteilung man durchaus nachdenken kann. So viel Aufmerksamkeit kann nicht im Interesse der Finanzbranche sein.

Wie konnte es überhaupt so weit kommen? Ein Grund für das PR-Desaster der Schweizer Banken könnte ihre Internationalisierung sein. Bei der Credit Suisse zum Beispiel sind zwei Drittel der Leitung Ausländer, angefangen bei CEO Tidjane Thiam. Kosmopoliten mangelt es möglicherweise an Verständnis für das politische System der Eidgenossen. Vielleicht haben die Manager auch aus ihren Heimatländern die Auffassung mitgebracht, demokratische Regungen der Untertanen seien für Banken grundsätzlich irrelevant.

Eine weitere Erklärungsmöglichkeit ist, dass die Geldschöpfung immer zu den intimsten Arcana Imperii zählte. Politiker, Professoren und Journalisten, die Diskussionen frühzeitig abwürgen oder in genehme Richtungen lenken können, haben oft selbst keine Ahnung davon – und werden erst jetzt hektisch mit Argumentationshilfen versorgt.

Da die Schweizer nicht zu Revolutionen neigen, das Thema von Gegnern nach Kräften vernebelt wird und MoMo ganz alleine kämpft, wird allgemein mit einem Scheitern der Geldreform-Initiative gerechnet. In letzter Zeit haben systemkritische Anliegen bei Volksabstimmungen jeweils 23 bis maximal 40 Prozent Ja-Stimmen erzielt, so etwa das bedingungslose Grundeinkommen, die Begrenzung von Manager-Löhnen und das Verbot von Nahrungsmittel-Spekulation. Ein ähnliches Potential hat wohl auch die Vollgeld-Initiative. Überraschungen sind aber nicht ausgeschlossen:

Die Schweizer haben schon einmal für Vollgeld entschieden: Anno 1891 verboten sie Privatbanken den Druck von Banknoten. Vielleicht erscheint ihnen nun die Verstaatlichung der elektronischen Geldschöpfung als logische Fortsetzung. MoMo bemüht sich, Vollgeld nicht als radikalen Umsturz, sondern als „liberales Projekt“ darzustellen: Geld sei eine öffentliche Infrastruktur, die nun einfach modernisiert gehöre. Außerdem wird die Begeisterung der Eliten für Schulden und Inflation von schlichteren Menschen kaum geteilt: Vollgeld entspricht volkstümlichen Wünschen nach stabilen Werten.

Ein neuer Ausbruch der schwelenden Finanzkrise könnte wieder spektakuläre Banken-Rettungen nötig machen und das Stimmvolk verärgern. Ist die Schweiz wichtig genug, damit der nächste Crash auf jeden Fall über den Abstimmungstermin hinausgezögert wird? Allerdings könnte die Angst um Sparguthaben auch dazu führen, dass sich das Volk dann erst recht um die Banken schart und nichts von Reformen der Geldordnung wissen will. Psychologen nennen das „Stockholm-Syndrom“.

Eine weitere Bombe, die jederzeit hochgehen kann, ist die Schweizer Nationalbank. Im vergangenen Jahr hat sie 54 Milliarden Franken Gewinn gemacht – aber das kann sich schnell ändern. Die SNB hat mehr als 90 Prozent ihrer Mittel im Ausland investiert und gilt als „größter Hedgefonds der Welt“. Laut Bloomberg stecken derzeit 21 Prozent ihrer 800 Milliarden Dollar Fremdwährungen in Aktien, besonders Apple, Microsoft und Amazon. Die SNB ist selbst eine Aktiengesellschaft: Ihr nach dem Kanton Bern zweitgrößter Einzelaktionär ist der deutsche Spekulant Theo Siegert (rund 6 Prozent). Der Kurs der SNB-Aktie wurde in den letzten Monaten von unter 2.000 auf zeitweise mehr als 8.000 Franken hochgezockt. Möglicherweise stellt sich mancher Schweizer eine seriöse Zentralbank anders vor.

Spannend ist auch das Potential der Initiative, Zwist innerhalb der Eliten zu schüren: Unternehmer und Politiker könnten in Versuchung geraten, sich aus der Vorherrschaft des Finanzkapitals zu befreien. Müssen die Geldsäcke jetzt ihren Lakaien mehr zahlen, damit sie treu auf Linie bleiben? Dagegen spricht der enge personelle und ideologische Zusammenhalt der Eliten. Dazu kommt der absehbare Ärger mit den USA: Im Außen- und Devisenhandel würde sich mit Vollgeld-Franken zwar unmittelbar nichts ändern. Goldman Sachs und die anderen Eigentümer der De-facto-Welt-Zentralbank FED wären aber vermutlich not amused, wenn ausgerechnet die reiche Schweiz aus der Schuldgeld-Wirtschaft aussteigen wollte.

Die Schweizer Politiker wollen kein Risiko eingehen. Nach dem Bundesrat (Regierung) und dem Ständerat (Kantone) hat sich auch der Nationalrat (das Parlament) bei 17 Enthaltungen mit 165 zu 10 Stimmen gegen Vollgeld ausgesprochen, also dem Volk eine Ablehnung empfohlen. Dabei wurden die Argumente der Schweizer Bankiervereinigung übernommen: Vollgeld sei ein weltweit einzigartiges „Hochrisiko-Experiment“, das die „Glaubwürdigkeit der SNB“ (!) beeinträchtige, ja die ganze Schweizer Wirtschaft gefährde. Es sei auch unnötig, weil das Finanzwesen ohnehin bestens reguliert und sicher sei. Wieso Negativzinsen und Quantitative Easing solider, historisch erprobter als Vollgeld sein sollen, wurde von den Abgeordneten nicht erläutert.

Meist stimmen die Eidgenossen brav so ab, wie von den Eliten gewünscht. Wenn sie den Vorgaben einmal nicht folgen, etwa den Bau von Ferienwohnungen bremsen oder Masseneinwanderung verhindern wollen – dann werden die Voten oft einfach umgangen oder schlicht ignoriert. Ein interessantes, wenn auch rein theoretisches Gedankenspiel: Was wäre, wenn die Schweizer für Vollgeld stimmen UND die Regierung das tatsächlich umsetzen würde? Dann müsste wohl – wie in irgendeiner Bananenrepublik – das Militär putschen, notfalls gar die US-Armee einmarschieren, um mit nackter Gewalt wieder „geordnete“, also profitable Verhältnisse zu schaffen. Für das Schweizer Finanz-Establishment wäre das ein massiver Gesichtsverlust, denn im eigenen Land hat es (meistens) Wert auf eine elegante, demokratische Fassade gelegt.

„Die Wenigen, die das System verstehen, werden dermaßen an seinen Profiten interessiert sein, dass aus ihren Reihen niemals eine Opposition hervorgehen wird“, sollen die Gebrüder Rothschild geschrieben haben: „Die große Masse der Leute aber, geistig unfähig zu begreifen, wird ihre Last ohne Murren tragen, vielleicht sogar ohne je Verdacht zu schöpfen, dass das System ihnen feindlich ist.“ Für dieses Zitat gibt es keinen Beleg; man weiß nicht, ob die Banker das wirklich jemals ausgeplaudert haben. Vor der Schweizer Vollgeld-Initiative hat auch noch nie jemand den Versuch unternommen, das Gegenteil zu beweisen.

Martin Ebner

⇑ up ⇑ supren ⇑ nach oben ⇑


Published, Aperis: GWEN-Magazine (†), 24.03.2016

Ohne Schuld und Zins

 

Vollgeld − Als voraussichtlich erstes Volk der Welt werden die Schweizer demnächst demokratisch über die Geldschöpfung abstimmen. Staatliches Vollgeld soll Macht und Privilegien der privaten Banken brechen.

Muss man einen Verein ernst nehmen, der sich nach einem alten Märchen-Roman „MoMo“ nennt, der von einem pensionierten Grundschullehrer angeführt wird, der weder von politischen Parteien noch Massenmedien unterstützt wird und der eine Revolution des Geldwesens anzetteln will? Nein, die PR-Abteilungen der Schweizer Großbanken waren nicht dieser Meinung.

Das könnte sich als Fehler erweisen. Einer bunt zusammengewürfelten Gruppe um den Pädagogen Hansruedi Weber ist es gelungen, für ihre Vollgeld-Initiative 110.955 gültige Unterschriften zu sammeln, sogar etwas mehr als nötig. Daher wird das Schweizer Volk bald über die Vorlage „Für krisensicheres Geld: Geldschöpfung allein durch die Nationalbank!“ abstimmen. Der Schweizer Franken könnte zur stabilsten Währung der Welt werden. Die privaten Geschäftsbanken dürften dann nicht mehr virtuelles Geld schaffen und dafür reale Zinsen kassieren, sondern müssten wirtschaften wie alle anderen Unternehmen.

Spielregeln für eine bessere Welt

Wer ist schuld an Spekulationsblasen und Schuldenkrisen, an der immer ungleicheren Einkommensverteilung, an der alles verschlingenden Vorherrschaft des Finanzsektors? Die radikale, an die Wurzel gehende Volksinitiative will nicht die Gier von Kapitalisten bekämpfen, überrissene Boni kürzen oder Banken stärker kontrollieren – den Grund für die heutige Misere sieht sie im Geldsystem selbst. Deshalb will sie etwas erreichen, von dem die meisten Menschen glauben, sie hätten es schon: staatliche Zahlungsmittel.

Dazu sollen zwei Wörter in die Schweizer Verfassung eingefügt werden. Artikel 99 soll künftig lauten: „Der Bund allein schafft Münzen, Banknoten und Buchgeld als gesetzliche Zahlungsmittel.“ Wie heute schon das Bargeld soll die Zentralbank – und nur sie – auch das gesamte elektronische Geld machen. In Umlauf soll dieses Vollgeld gebracht werden durch zinsfreie Übergabe an den Staat oder direkt an die Bürger. Die Geschäftsbanken sollen kein Giralgeld mehr schöpfen dürfen, sondern als bloße Vermittler nur noch mit bereits vorhandenem Geld arbeiten, etwa mit Spareinlagen.

Boom und Bankrott

Heute machen die von der Regierung ausgelieferten Münzen und die von der Zentralbank ausgegebenen Banknoten nur einen Bruchteil der gesamten Geldmenge aus: weniger als 10 Prozent. Die Hauptmasse, das Giralgeld, auch Buchgeld genannt, schaffen die Geschäftsbanken per Tastendruck durch Bilanzverlängerung, indem sie Kredite vergeben oder mit selbst gemachtem Geld zum Beispiel Immobilien oder Aktien kaufen. Vier Fünftel aller Kredite gehen dabei nicht in die Realwirtschaft, sondern in mehr oder weniger illusionäre „Finanzprodukte“.

Was wir auf Bankkonten zu haben glauben, ist kein gesetzliches Zahlungsmittel (obwohl alle so tun, als ob), sondern bloß ein Versprechen auf die Auszahlung von echtem Geld. Wenn die Bank pleitegeht, löst sich der ganze elektronische Zauber zusammen mit der Bank-Bilanz in Luft auf. Der Staat hat deshalb heute kaum eine andere Wahl, als große Finanzinstitute zu retten, egal wie dummdreist die sich verspekulieren.

Die Kreditvergabe der Banken soll durch Vorschriften zu Eigenkapital und Mindestreserven begrenzt werden. In der Praxis verteilen die Banken in Boom-Zeiten so viele Darlehen, wie sie wollen, das heißt, wie sie glauben, von den Kunden samt Zinsen zurückzubekommen. Dafür drehen sie in schlechten Zeiten, wenn Kredite am meisten gebraucht würden, prozyklisch den Hahn zu. Wenn aber Privatleute nicht genügend Kredite nachfragen, muss der Staat Schulden machen, um das System vor dem Kollaps zu bewahren.

Zahlen außer Kontrolle

„Die heutigen Leitzins-Rituale stellen überwiegend einen Mythos dar. Sie geben Gelegenheit, Unruhe und damit Umsätze an den Finanzmärkten zu generieren“, sagt der deutsche Wirtschafts- und Umweltsoziologe Joseph Huber: „Faktisch ist die Geldmenge außer Kontrolle geraten.“ Die Zentralbanken seien bloß noch Erfüllungsgehilfen: „Aus der Kreditvergabe und den Aktiva-Käufen der Banken ergibt sich, wie viele Reserven und Bargeld die Banken von der Zentralbank nachträglich benötigen – und bekommen müssen, damit der Zahlungsverkehr nicht ins Stocken gerät.“

In der Schweiz wuchs das Bruttoinlandsprodukt von 1992 bis 2008 um 37 Prozent – die Geldmenge dagegen um satte 121 Prozent. Huber nennt das „überschießende Giralgeldschöpfung“. Von Inflation sei nur deshalb noch nicht viel zu merken, weil die Geldschwemme bislang vor allem in Sachwerte wie Immobilien oder in abstruse Finanzanlagen schwappte.

Crash mathematisch unausweichlich

Auf Huber geht das Vollgeld-Konzept zurück, das jetzt in der Schweiz zur Abstimmung kommt. Am herrschenden Geld stören ihn und seine Anhänger die Instabilität und Krisenanfälligkeit, besonders aber die Entmachtung des Staates: Das Finanzkasino werde überproportional aufgebläht; Kapitaleinkommen zu Lasten von Arbeitseinkommen privilegiert. Sicheres Geld mit gleichen Standards für alle Menschen sei Teil der Infrastruktur; mit der Geldschöpfung habe sich der Staat eine genuin öffentlich-rechtliche Aufgabe aus der Hand nehmen lassen.

Der Verzicht auf den Geldschöpfungsgewinn, die so genannte Seigniorage, mache den Staat abhängiger von den Finanzmärkten als nötig. Abgesehen davon könne das heutige System schlicht nicht auf Dauer funktionieren: Das mit Schulden geborene Geld muss verzinst werden – nach einer Weile reiche die gesamte Geldmenge der Welt nicht mehr, um die unerbittlich wachsenden Schulden zurückzuzahlen. Ein Crash sei mathematisch unausweichlich.

Geld von Kredit trennen

Zur Abhilfe empfiehlt Huber, das heutige Mischsystem von Zentralbank- und Giralgeld durch einen einzigen Vollgeld-Kreislauf zu ersetzen. Zinsloses Vollgeld soll nicht in die Bank-Bilanzen eingehen. Wie heute Aktien in einem Wertpapierdepot dem jeweiligen Aktionär gehören und von der Bank nur treuhänderisch verwaltet werden, so soll künftig auch das Girokonto-Geld im Fall einer Bank-Pleite einfach zu einer anderen Bank übertragen werden.

Wenn Geld und Kredit getrennt würden, müssten Steuerzahler keine Geschäftsbank mehr retten: Wer schlecht wirtschaftet, soll verschwinden! Private Banken sollen kein Geld mehr schöpfen dürfen, ansonsten aber nicht verstaatlicht werden, sondern ihre bisherigen Geschäfte weiter betreiben. Wenn sie künftig Kredite vergeben wollen, müssten sie dieses Geld erst selbst verdienen – oder selbst gegen Zinsen borgen.

Kein Wachstumszwang mehr

Von Gold oder Bitcoins hält Huber nichts: Wenn die Geldmenge zu unflexibel sei, führe das zu Deflation, Wirtschaftskrise und Arbeitslosigkeit. Anders als die Ökonomen der Österreichischen Schule will Huber, der sich selbst als „ordoliberal“ einstuft, die Zentralbanken auch nicht einfach abschaffen: Währungen dürfe man nicht dem freien Markt überlassen, da Wildwuchs erst zu einem „Transaktionskosten-Trauma“ und dann zu einem Oligopol von Großbanken führen würde.

Huber will eine staatliche Fiat-Währung, die an einen „Knappheitsanker“ gebunden ist: Neues Vollgeld soll eine unabhängige Zentralbank ausgeben im Gleichschritt mit dem Wirtschaftswachstum, das an Indikatoren wie Bruttoinlandsprodukt, Einkommen und Preisentwicklung gemessen wird. Wenn die Wirtschaft nicht weiter wächst, dann eben nicht: Anders als das heutige Schuldgeld habe Vollgeld keinen eingebauten Wachstumszwang. Bei einem zinsfreien Start des Geldes wäre die Zinseszins-Problematik zumindest gemildert.

MoMo ist das Grauen der Banker

Getragen wird die Schweizer Vollgeld-Initiative von dem Verein „Monitäre Modernisierung (MoMo)“, den Hansruedi Weber im Gefolge der Finanzkrise von 2008 gegründet hat. Zu den rund 1500 Aktivisten und Unterstützern gehören viele Lehrer und Psychologen, Journalisten und Künstler wie der Kabarettist Emil Steinberger. Es sind aber die unterschiedlichsten Berufe vertreten. Der Unternehmer Ulrich Zimmermann zum Beispiel regt sich auf über die „unvorstellbare Wettbewerbsverzerrung“ und Subventionen für Banken.

Andere liebäugeln mit dem Geldschöpfungsgewinn: Wenn das heutige Schweizer Giralgeld in einer rund 15-jährigen Übergangsphase nach und nach durch Vollgeld ersetzt würde, könnte einmalig eine Seigniorage von 300 Milliarden Franken anfallen – genug um den Staat schuldenfrei zu machen. Danach würden je nach Wirtschaftswachstum und Ausweitung der Geldmenge pro Jahr vielleicht fünf bis zehn Milliarden Franken in die Staatskasse fließen.

Vollgeld macht Bankenaufsicht überflüssig

Überraschender ist das Motiv von Bernd Lüthje, ehemals Vorstandsvorsitzender der Förderbank von Nordrhein-Westfalen: Vollgeld würde die immer bürokratischere und teurere Bankenaufsicht überflüssig machen, die Kleinbanken erstickt, aber dem Kasino der Großbanken doch nichts anhaben kann.

Zum Wissenschaftlichen Beirat der Initiative gehören außer dem emeritierten Professor Joseph Huber auch Forscher wie Bernd Senf („Monetative“), Nico Paech („Befreiung vom Überfluss“) oder Irmi Seidl („Postwachstumsgesellschaft“), aber auch zum Beispiel Thomas Mayer, früher Chefvolkswirt der Deutschen Bank. Kampagnenleiter ist der Bürgerrechtler Thomas Mayer, der den deutschen Verein „Mehr Demokratie“ mitbegründet und bereits in Bayern erfolgreich ein Volksbegehren zur Einführung des kommunalen Bürgerentscheids mit organisiert hat.

Totschweigen und Vernebeln

Vollgeld würde Investmentbanking und Eigenhandel der Banken stark behindern. Die Schweizer Großbanken haben auf den Angriff trotzdem noch nicht reagiert. Auf ihren Internetseiten findet sich kein Mucks dazu. Wie die Wurstherstellung ist auch das Geld-Machen ein zuweilen unappetitliches Geschäft, das man am liebsten diskret betreibt: Wozu die Leute auf Themen wie Seigniorage aufmerksam machen?

Nur zwei kleine Banken haben bislang ablehnende Stellungnahmen abgegeben: Die Alternative Bank Schweiz fürchtet offenbar, die eigene Klientel könnte abtrünnig werden. Die aus der Geldreform-Bewegung der 1930er Jahre hervorgegangene WIR-Bank bangt wohl um die von ihr herausgegebenen WIR-Punkte, eine an den Franken gebundene Komplementärwährung. Ein paar Artikel und Positionspapiere gegen Vollgeld haben auch die Schweizer Bankiervereinigung, der neoliberale Thinktank Avenir Suisse und verschiedene Ökonomen veröffentlicht. Thomas Jordan, der Präsident der Schweizer Zentralbank, findet Vollgeld „konzeptionell in gewisser Hinsicht interessant“, es müsse aber erst noch genauer untersucht werden.

Kritik am Vollgeld

Sofern die Initiative nicht vorsätzlich falsch als kommunistisches Experiment dargestellt wird, kreist die Kritik vor allem um drei Punkte: Vollgeld sei noch nirgends erprobt und zu riskant. Tatsächlich gibt es derzeit außer der Schweiz nur in Island ernsthafte Bestrebungen dazu. Vor allem wird geunkt, dass die Zentralbank zu viel Macht bekommen und zum Selbstbedienungsladen für Politiker werden könnte.

Wieso ein demokratisch kontrolliertes Staatsorgan schlechter sein soll als der Großbanken-Club, der heute die Welt beherrscht, wird allerdings nicht erläutert. Befürchtet wird auch, das Vollgeld könnte zu gut, zu attraktiv ausfallen, so dass der Zustrom ausländischen Kapitals und die Aufwertung des Frankens der Exportwirtschaft schaden würde. Erfahrungen in Inflationsländern wie Italien oder Zimbabwe sprechen jedoch gegen weiche Währungen.

Schweizer haben die Wahl

Reinhold Harringer, früher Leiter des Finanzamts in St. Gallen und nun Sprecher der Vollgeld-Initiative, ist optimistisch: „1891 hat das Schweizer Volk per Referendum den Privatbanken das Drucken von Banknoten verboten und zu einer Aufgabe der Nationalbank gemacht. Dasselbe wollen wir nun mit dem elektronischen Geld machen – so einfach ist das.“ Bis darüber tatsächlich abgestimmt wird, kann es noch mehrere Jahre dauern.

Die Schweizer Regierung will Geld-Diskussionen aber wohl möglichst schnell vom Tisch haben: Nach kurzer Beratung lehnte der Bundesrat Vollgeld ab, denn damit würden „das Vertrauen in die Werthaltigkeit des Zahlungsmittels leiden“ und „unabsehbare Gefahren für den Finanzsektor und damit für die gesamte Volkswirtschaft“ drohen. Man beachte die Reihenfolge: erst die Banken, dann das Volk… Jetzt hat das Parlament bis spätestens Mai 2018 Zeit, Stellung zu nehmen – wird sich aber voraussichtlich ebenfalls beeilen. Da viele Abgeordnete dem Finanzsektor nahestehen, wird die Empfehlung wohl „Ablehnung“ lauten: Das bestehende Geld-System sei gut, es müsse nur besser reguliert werden.

Welche Chancen hat die Volksabstimmung?

Dann aber wird es spannend: Was das Schweizer Volk beschließt, wird noch am Tag der Abstimmung Gesetz. Zum Glück für die Eliten neigen die Eidgenossen nicht zu Revolutionen. Meist votieren sie brav: Die Armee haben sie bislang nicht abgeschafft und Mindestlöhne ebenso wenig eingeführt wie höhere Steuern für Millionäre. Wenn die Stimmbürger doch einmal aufmucken, etwa den Bau von Ferienwohnungen einschränken oder zur EU auf Distanz gehen wollen, dann werden Volksentscheide oft schlicht ignoriert oder trickreich umgangen. 
Die große Frage ist nun, was den Schweizern gefährlicher erscheint: das heutige Geld-System, dessen Konkurs mit Negativzinsen und immer absurderen Verzweiflungsmaßnahmen mühsam von Woche zu Woche verschleppt wird oder der Umstieg auf staatliches Vollgeld? Vielleicht crasht das Finanzunwesen aber auch schon vor der Abstimmung. Dann muss auf jeden Fall etwas Neues her.

Martin Ebner

Informationen im Internet:

  • Die Schweizer Vollgeld-Initiative, ihr Trägerverein MoMo, deutsche Aktivisten für Vollgeldreform und der Vordenker Joseph Huber – sie alle sind über dieses Portal zu erreichen: www.vollgeld.org
  • Wer sich „humanes Geld für eine mündige Welt“ lieber auf Österreichisch erklären lassen will, wird hier fündig: www.medianus.at
  • Die Idee, eine unabhängige Zentralbank solle als „Monetative“ neben Exekutive, Legislative und Judikative treten, kommt von Bernd Senf: www.berndsenf.de
  • Bereits in mehr als 20 Ländern gibt es Initiativen, die den Banken die Geldschöpfung wegnehmen wollen: www.internationalmoneyreform.org
  • Männer rausschmeißen, Hornkühe fördern: Schweizer Volksabstimmungen sind nicht nur in Geld-Dingen inspirierend.

Bücher zur Schweizer Vollgeld-Initiative:

⇑ up ⇑ supren ⇑ nach oben ⇑


Published, Aperis: d’Lëtzebuerger Land, 09.05.2014

Keine Extrawurst für Banker

In der Schweiz will die „Vollgeld-Initiative“ das gesamte Geld verstaatlichen

Es sind nur zwei Worte, aber sie könnten die Welt verändern. In der Schweiz startet gerade eine Volksinitiative, die mit einer Verfassungsänderung den Spekulanten den Hahn zudrehen und den Schweizer Franken zum „sichersten Geld der Welt“ machen will. Heute hat der Staat das alleinige „Recht zur Ausgabe von Münzen und Banknoten“. Geht es nach den Reformern, soll in dieser Vorschrift künftig außerdem „und Buchgeld“ stehen. Die Folge dieser kleinen Ergänzung wäre eine Revolution des Finanzwesens: Als erstes Land würde die Schweiz die Vollgeld-Theorie verwirklichen und auch das elektronische Geld zum voll gültigen gesetzlichen Zahlungsmittel machen. Vor allem die Geschäfte der Investmentbanker würden davon empfindlich getroffen.

Der radikale Umsturzversuch wird bereits seit 2011 gründlich vorbereitet von dem überparteilichen Verein „Monetäre Modernisierung“. Seine rund 300 Mitglieder sind bislang nicht als Wirrköpfe aufgefallen; zu ihnen gehören zum Beispiel Reinhold Harringer, ehemaliger Leiter des Finanzamts St. Gallen, und Peter Hablützel, früherer Direktor des Eidgenössischen Personalamtes. Den Wissenschaftlichen Beirat bilden Ökonomen. Der St. Galler Professor Hans Christoph Binswanger etwa wurde vor allem mit Plänen für eine ökologische Steuerreform bekannt. Sie alle wollen die Geldschöpfung durch private Banken abschaffen. Das soll Finanzblasen und Inflation verhindern, die freie Marktwirtschaft wieder herstellen und zur Schonung von Mensch und Natur den durch das Zinssystem verursachten „Wachstumsdruck auf die Wirtschaft“ verringern.

„Die heutige Geldordnung ist aus den Fugen geraten, weil die Zentralbanken die Kontrolle über die Geldmenge verloren haben“, erläutert Binswanger sein Engagement. Geld ist schon lange nicht mehr durch Gold gedeckt, sondern nur durch die Wirtschaftskraft des jeweiligen Landes. Daher sollte die Geldmenge ungefähr gleich wie die Wirtschaft wachsen. In Deutschland zum Beispiel legte die Wirtschaft jedoch von 1993 bis 2008 real nur um 25 Prozent zu, dagegen wurde die Geldmenge M1 (Bargeld und Sichteinlagen) um satte 190 Prozent vergrößert. In der Schweiz schwoll die Geldmenge M1 in den letzten fünf Jahren von 270 Milliarden Franken auf 550 Milliarden an. Diese Flut schwappte vor allem ins Finanzkasino: Inflation bei Wertpapier- und Immobilienpreisen. Wenn Spekulationsblasen platzen, trifft das aber nicht nur die Zocker, sondern die gesamte Wirtschaft: viele Firmenpleiten und hohe Arbeitslosigkeit.

Woher kommt die Geldschwemme? In der Schweiz – wie in der EU – werden die Münzen von der Regierung in Umlauf gebracht, die Banknoten von der Zentralbank. Das staatliche Bargeld macht aber nur noch etwa 10 Prozent der gesamten Geldmenge aus. Der allergrößte Teil ist elektronisches Buchgeld, auch Giralgeld genannt: Per Computer-Tastendruck erzeugen die privaten Geschäftsbanken Geld, nämlich indem sie Kredite vergeben und die Summen auf Girokonten verbuchen. Anders als viele Laien glauben, vermitteln die Banken an Kreditnehmer überwiegend nicht Einlagen von Sparern, sondern machen sich ihr virtuelles Geld selbst – und das verleihen sie dann für reale Zinsen, gegen handfeste Sicherheiten wie Häuser. Für das Do-it-yourself-Giralgeld gibt es keine Rechtsgrundlage, es ist aber ein tolles Geschäft: Um 100 Franken aus dem Nichts zu erzeugen, müssen Banken lediglich 2,5 Franken Nationalbank-Geld haben. Großbanken umgehen selbst diese niedrige Hürde und leihen sich die nötigen Reserven einfach nachträglich aus.

„Guthaben“ auf Girokonten sind eigentlich Schulden von Kreditnehmern – und aus Sicht des Kontoinhabers lediglich Ansprüche auf gesetzliche Zahlungsmittel. Wenn zu viele Kunden sich  diese gleichzeitig bar auszahlen lassen wollen, bricht die Bank zusammen, weil sie so viele Reserven gar nicht hat; wer zu spät kommt, verliert sein Geld. Da dann auch der Zahlungsverkehr und weite Teile der Wirtschaft kollabieren würden, muss der Staat derartige Anstürme auf Banken verhindern. Zur Rettung von bankrotten, aber systemrelevanten Banken muss der Staat Schulden machen – natürlich bei Banken. Die Steuerzahler berappen die Zinsen.

Neben Unsicherheit und ständiger Gefahr von Überschuldung und Bankrott sieht der Ökonom Mark Joób weitere Nachteile des heutigen Giralgeldsystems: „Es erzeugt Inflationsdruck und ist prozyklisch. Je mehr Kreditgeld die Geschäftsbanken schöpfen, desto größer sind ihre Zinseinnahmen und ihre Profite – solange die Schuldner zahlungsfähig sind.“ In Zeiten des Aufschwungs würden die Banken daher zu viel Geld in Umlauf bringen, dafür in der Rezession zu stark auf die Bremse treten. „So verstärken sie die Schwankungen im Wirtschaftszyklus.“ Oft trägt es sie ganz aus der Kurve: Allein seit 1970 hat der Internationale Währungsfonds in seinen Mitgliedsländern 145 Bankenkrisen, 208 Währungskrisen und 72 Staatsschuldenkrisen gezählt.

Die Idee, die Kreditgeldschöpfung der Geschäftsbanken zu unterbinden, entstand bereits in den 1930er Jahren in den USA. Der „Chicago-Plan“ für zu 100 Prozent durch Zentralbank-Reserven gedecktes Geld, den Irving Fisher, Milton Friedman und andere Wissenschaftler ausarbeiteten, überzeugte zwar den US-Präsidenten Franklin Roosevelt, scheiterte aber am Widerstand der Banken. Später wollte zum Beispiel der deutsche Bundesbank-Direktor Rolf Gocht dem Staat wieder die Kontrolle über die gesamte Geldmenge verschaffen. Die heutigen Vollgeld-Konzepte gehen auf den Berliner Ökonomen Joseph Huber zurück. Für seinen Ansatz werben Bürgerinitiativen mittlerweile nicht nur in der Schweiz, sondern von Island bis Neuseeland auch in 15 weiteren Ländern.

Joseph Huber, der sich als Ordoliberalen bezeichnet, sieht Geldschöpfung als öffentlich-rechtliche Aufgabe: Geld soll nicht mehr durch verzinsliche Schulden in Umlauf kommen, sondern als schuldfreier Wert der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt werden, nämlich durch Überweisung der Zentralbank an den Staat. Damit dabei keine Inflation entsteht, soll die Zentralbank zur eigenständigen „Monetative“ ausgebaut werden – strikt unabhängig von Regierung und Parlament. Gelder auf Girokonten werden in diesem Modell von den Geschäftsbanken nur verwaltet; sie gehen Vollgeld-Initiative in der Schweiz: keine Extrawurst für Bankeralso nicht mehr in die Bankbilanzen ein und werden im Konkursfall – wie heute schon Wertpapiere – einfach auf ein anderes Geldinstitut übertragen. Dann kann der Staat unfähige Privatbanken ruhig pleite gehen lassen. Die Banken sollen weiterhin verzinste Sparkonten anbieten und Kredite vergeben, gerne auch an der Börse spekulieren – aber eben nicht mehr mit selbstgemachten Geld. Banken verlieren so ihre Privilegien und werden zu normalen Unternehmen. Und der beträchtliche Gewinn, der bei der Geldschöpfung anfällt, soll nicht mehr für hohe Banker-Gehälter und Boni verwendet werden, sondern an den Staat fallen. Bei der Umstellung der bestehenden Giralgelder auf Vollgeld, die rund 15 Jahre braucht, sollen in der Schweiz einmalige Mehreinnahmen von etwa 300 Milliarden Franken anfallen.

Die Schweizer Banken, deren Geschäftsmodell frontal angegriffen wird, sind überraschend still. Vielleicht wollen sie das Stimmvolk nicht unnötig auf heikle Themen aufmerksam machen? „Die Schweizerische Bankiervereinigung beschäftigt sich derzeit nur am Rande mit dieser Diskussion“, sagt jedenfalls deren PR-Chefin Sindy Schmiegel: „Die SBVg lehnt die Idee einer Vollgeldreform klar ab.“ Es bestehe kein Handlungsbedarf, „denn das heutige System hat sich bewährt. Die Inflation und die öffentliche Verschuldung sind in der Schweiz tief, die Wirtschaft stabil wachsend, die Kreditversorgung ausreichend.“ Ein „so tiefgreifender Umbau des Wirtschaftssystems“ berge „unkalkulierbare Risiken“. Es sei „zu befürchten, dass die Nationalbank zu einem Spielball politischer Interessen würde“, wenn sie allein alles Geld schöpfe. Ähnlich argumentiert auch das von UBS, Credit Suisse und anderen Konzernen bezahlte Institut Avenir Suisse, das im März die Studie „Leere Vollgeld-Hoffnungen“ veröffentlichte: Das Finanzsystem könne „durch kontrollierte Schritte zuverlässiger reformiert werden als durch einen kühnen Salto“.

Ob die Mehrheit der Schweizer das auch so sieht, wird spannend. Den Großbanken vertraut laut neuen Umfragen kaum mehr jemand. Dagegen fand die Vollgeld-Initiative schon vor ihrem amtlichen Start im Mai mehr als 64.000 Unterstützer für die Forderung, „dass die Banken künftig gleich lange Spiesse haben sollen wie alle anderen Unternehmen, welche ja weder selbst Geld herstellen noch auf staatliche Rettungsaktionen zählen können“. Jetzt müssen innerhalb von 18 Monaten mindestens 100.000 Unterschriften gesammelt werden, um eine Volksabstimmung durchzusetzen. In letzter Zeit verloren die Eliten mehrfach Referenden, etwa zu den Themen Managerlöhnen und Einwanderung. Es wäre daher durchaus möglich, dass es nächstes Jahr so kommt wie im Jahr 1891: Damals verbot das Schweizer Volk den Geschäftsbanken das Drucken von Papiergeld, weil die private Zettelwirtschaft Inflation angerichtet hatte. Jetzt würde die Nationalbank auch das Monopol für elektronisches Geld bekommen.

Martin Ebner

Links (last update: 16.05.2014):

  • Die Schweizer Vollgeld-Initiative will privaten Banken die Geldschöpfung verbieten: www.vollgeld-initiative.ch 
  • Spenden für die Schweizer Initiative sammelt auch ihr deutscher Schwester-Verein: www.monetative.de
  • International Movement for Monetary Reform ist ein Zusammenschluss von Vollgeld-Bewegungen aus 16 Ländern: www.internationalmoneyreform.org
  • Der Berliner Ökonom Joseph Huber, ein Vertreter der Currency-Lehre, liefert den theoretischen Unterbau: www.vollgeld.de

N.B. (04.06.2014):
Diskussionsmöglichkeiten zu diesem Artikel gibt es 
– in der Schweiz: www.journal21.ch/keine-extrawurst-fuer-banker
– und auch in Schwabien


#Werbung für meine Amazon-Affiliate-Seite:

Die freie Marktwirtschaft dient uns allen. Besonders den etwas Größeren von uns.

Foto: Travelling Helvetia (sculpture by Bettina Eichin), in Basel, Switzerland; Vojaĝanta Helvetia (personigo de Svislando) en Bazelo; Helvetia auf der Reise in Basel, Schweiz

⇑ up ⇑ supren ⇑ nach oben ⇑

Texts of timeless beauty. Or at least some historical interest.