About: Books and CDs about the Berlin Wall, during the Cold War the frontier between communist Eastern Germany and US-occupied Western Germany
Pri: Libroj kaj KD pri Berlina Muro inter orienta kaj okcidenta Germanujo dum malvarma milito
Published, Aperis: Bücher: Südkurier, 06.11.1999; CDs: Stuttgarter Nachrichten (†), 22.12.2001
Geschichte eines irrsinnigen Bauwerks: zwei neue Bücher zur Berliner Mauer
Am Sonntag, den 13. August 1961, verlöschten in Berlin um 1.05 Uhr die Lichter am Brandenburger Tor, stoppten S-Bahnzüge, rollten Grenzpolizei und Kampftruppen Stacheldraht aus. Unter der Leitung eines damals noch unbekannten Funktionärs, Erich Honeckers, riegelten 10.500 „Einsatzkräfte“ und über 8.000 Soldaten die Grenze der DDR ab. Das Parteiblatt „Neues Deutschland“ meldete: „Die Erhaltung des Friedens erfordert, dem Treiben der westdeutschen Revanchisten einen Riegel vorzuschieben“. In der Bernauer Strasse konnten noch ein paar Flüchtlinge aus den Fenstern auf den „westdeutschen“ Bürgersteig springen – dann wurden auch diese letzten Schlupflöcher geschlossen.
Heute, zehn Jahre nach der Öffnung der Berliner Mauer am 9. November 1989, ist von dem einst 144 Kilometer langen Bauwerk fast nichts mehr zu sehen. 70 Meter dienen in der Bernauer Strasse als Gedenkstätte, beim Ostbahnhof zerbröckeln die 1,3 Kilometer der mit Graffiti übersäten „East Side Gallery“, am Potsdamer Platz kämpft ein Krefelder Kaufmann um die letzten 20 Mauersegmente, an der Grenze zu Brandenburg sind noch ein paar Reste zu finden – das ist alles, was Abrissfirmen und Souvenirjäger übrig liessen. Touristen und Jugendliche können sich den „antifaschistischen Schutzwall“ kaum noch vorstellen; spätere Generationen werden sich fragen, wieso in den 90er Jahren die Denkmalschützer derart schlafen konnten.
Um so verdienstvoller sind zwei Dokumentationen, die dieses Jahr erschienen: Christine Proske hat eine erweiterte Neuauflage ihrer Bild-Chronik von 1990 herausgebracht, die nicht nur zahlreiche Fotos, sondern auch Gedichte und Mauersprüche enthält. Thomas Flemming, ein Historiker aus Bochum, hat ein Buch zur Geschiche des „politischen Bauwerks“ veröffentlicht; Hagen Koch hat dazu umfangreiche Informationen und originales Foto- und Aktenmaterial der DDR-Grenztruppen beigesteuert – und so seine eigene Vergangenheit bewältigt. Als Offizier des DDR-Wachregiments „Feliks Dzierzynski“ hatte Koch nämlich ab 1961 den Verlauf der Mauer kartographiert – 1989 war er „Abrissbeautragter“.
Beide Bücher schildern den Ausbau der Mauer und ihr Ende – aber auch das Leben in „Exklaven und Idyllen im Schatten der Mauer“, abenteuerliche Fluchtversuche und die Auseinandersetzungen um den Umgang mit ihren Resten. Die im Westen als „die Mauer“ bekannten, 4 Meter hohen „Betonelemente mit Rohrauflage“ wurden übrigens erst ab 1976 aufgestellt. Die DDR-Bevölkerung hat sie erst 1989 zu Gesicht bekommen; sie wurde nämlich schon weit davor von den Sperranlagen der „Hinterlandmauer“ aufgehalten. In den Jahren von 1974 bis 1979 scheiterten von 4956 Fluchtversuchen 3984 bereits an der ersten Sperre – nur 229 „Republikflüchtlinge“ schafften den Weg nach Westberlin. An der Berliner Mauer gab es mindestens 255 „Todesfälle“.
Für die marode DDR-Wirtschaft war der Unterhalt des ganzen Mauer-Systems mit all seinen Grenztruppen, 302 Wachtürmen, 259 Hundelaufanlagen, Panzersperren und Hunderten Kilometern Gitterzäunen eine gigantische Belastung. Trotzdem wollte die SED-Führung noch mehr investieren. Von Flemming bei der Arbeit an seinem Buch gefundene Akten zeigen, dass sie noch 1989 eine mit Sensortechnik und Elektronik ausgestattete „High-Tech-Mauer“ plante. Als die beauftragten Potsdamer Wissenschaftler keine Bewegungsmelder liefern konnten, die in der Lage waren, zwischen Mensch und Tier zu unterscheiden, kamen die Apparatschiks auf einen naheliegenden Gedanken: Sie wollten die Überwachungstechnik im Westen kaufen. Ab 1993 hätte die DDR Millionen in die neue Mauer investiert – wäre nicht die alte Mauer gefallen und mit ihr die DDR.
Martin Ebner
Bücher:
- Thomas Flemming, Hagen Koch: Die Berliner Mauer. Geschichte eines politischen Bauwerks. be.bra Verlag, Berlin 1999
- Christine Proske: Die Mauer. Chronik eines Aufbruchs, Heyne Verlag, München 1999 (3., überarbeitete Auflage)
Propagandakrieg über dem Stacheldraht. Grenzschutz-Lieder und Agitation: Originaltöne zur Berliner Mauer
Nicht alles an der DDR war schlecht, angeblich. Öffentlichkeitsarbeit war jedenfalls keine Stärke des „Arbeiter-und-Bauern-Staates“; Pressekonferenzen gerieten den SED-Führern mehr als einmal zum Desaster. Die Bauarbeiter in Berlin seien mit Wohnungsbau beschäftigt, sprach Staatsratsvorsitzender Ulbricht am 15. Juni 1961 in die Mikrofone, obwohl ihn danach niemand gefragt hatte: „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten.“ Als zwei Monate später die DDR die ersten Betonbarrieren aufstellte, hatten die westlichen Radiosender leichtes Spiel: Sie wiederholten dieses Zitat immer wieder. 1989 schließlich scheiterte Günter Schabowski beim Versuch, ein verworrenes Reisegesetz zu erläutern. Tausende Ostberliner hörten seine Rede gar nicht erst zu Ende, sondern strömten zur Mauer, die prompt fiel.
In den Jahren zwischen diesen vermurksten Auftritten gab sich die DDR-Regierung große Mühe, der eigenen Bevölkerung Sinn und Notwendigkeit des „antifaschistischen Schutzwalls“ beizubringen. „Unsensationell“ sei die Mauer, antwortete Rundfunkkommentator Karl Eduard von Schnitzler den Lautsprechern des im Westen eilends eingerichteten „Studios am Stacheldraht“. Ostberliner Grenzgänger würden nun von Westbesuchen „Abstand nehmen“ und „sich eine anständige Arbeit suchen“. Der Westen habe Jugendliche in Unsicherheit, Frauen und Mädchen in die Prostitution gelockt, erläuterte Politbüromitglied Willi Stoph, überhaupt habe man mit dem „Schiebertum“ Schluss machen müssen. Die Mauer sichere Frieden und Freiheit erklärte eine Schallplatte für DDR-Oberschüler. Im Kampf gegen RIAS und andere Westsender schreckte die DDR selbst vor Gesangseinsatz nicht zurück: Im „Lied von der Grenze“ trällerte Stabsfeldwebel Alfons Stritz: „Das ist die Grenze, die das Volk schützt. Das ist ein Freund. Das ist die Grenze zwischen dem Profit und unserer Macht. Das ist die Klassengrenze…“
Vor allem diese, in Westdeutschland unbekannten DDR-Originaltöne machen den Reiz der von Marcus Heumann, einem Redakteur des Kölner Deutschlandfunks, zusammengestellten Dokumentation „Niemand hat die Absicht…“ aus. Die erste der beiden CDs zeichnet die Ereignisse der Jahre 1961 und 1962 nach. Zum Verständnis ist ein gewisses Hintergrundwissen nötig, immerhin bietet das Begleitheft eine kleine Zeittafel zur Geschichte. Die zweite CD dokumentiert das Leben mit der absurden Grenze in den 1970er und 80er Jahren, zum Beispiel mit dem Südwestfunk-Feature „Graffitti an der Berliner Mauer“. Zum Schluss ist heftiges Hämmern und Meißeln zu hören: Im November 1989 verarbeiteten Mauerspechte den Betonwall zu kleinen Souvenirs. mte
CDs:
„Niemand hat die Absicht… Tondokumente zur Mauer“, hrsg. von Marcus Heumann, 2 CDs mit insgesamt 78 Minuten Spielzeit, Litera/BMG Wort, Berlin 2001
Foto (29.09.1989): Berlin, Eastern Germany: Brandenburg Gate and the – still closed – wall. Berlino, Orienta Germanujo: portalo de Brandenburg kaj ferma muro. Berlin, Hauptstadt der DDR: Brandenburger Tor und die – noch geschlossene – Mauer.