About: Fairtrade gold.
Pri: Oro sen krimoj.
Published, Aperis: GWEN-Magazine (†), 03.08.2017
Fairtrade-Gold – Die Gewinnung von Edelmetall ist nicht sehr appetitlich. Gütezeichen für Juwelen versprechen mehr Verantwortung für Menschen und Umwelt.
„Man kriegt immer mehr mit, wo die Materialien herkommen, mit denen man jeden Tag arbeitet“, sagt Hannes Brötz von der Tübinger Goldschmiede Grüngold: „Die Wahrscheinlichkeit ist ziemlich groß, dass Kinderarbeit beteiligt ist oder Leute früher sterben, weil sie mit Cyanid hantieren.“ Mit derartigen Bedenken ist Brötz in seinem Metier immer noch eine Ausnahme. Wer edle Geschenke verkauft, will mit seinen Kunden nicht unbedingt darüber reden, dass bei der Herstellung von einem Ring aus 10 Gramm Gold im Durchschnitt mehr als 20 Tonnen Giftmüll anfallen.
Eigentlich hatte die Glitzer-Branche ja gehofft, diese ganze Fairtrade-, Nachhaltigkeits- und Öko-Diskussion würde an ihr vorbeigehen. Schön, wer heutzutage Hühnereier, Kaffee oder T-Shirts vertreibt, der muss zu Herkunft und Lieferkette genau Auskunft geben können. Aber ist es deshalb gleich nötig, dass die Schweiz, der weltweit bedeutendste Umschlagplatz für Gold, ihre Handelsstatistik nicht mehr länger geheim hält? Muss denn wirklich jeder wissen, dass illegales Gold mittlerweile mehr Profit abwirft als Drogenhandel? Oder dass dafür ganze Landstriche verwüstet, Regenwälder abgeholzt, Flüsse verseucht und andere Verbrechen begangen werden. Wenn niemand nachhaken würde, müsste auch nichts geändert werden.
Neuer Goldrausch
Seit im Gefolge der Finanzkrise der Preis pro Unze auf über 1.000 Dollar kletterte, hat Gold einen Anteil von rund 2 Prozent am Welthandel – vier Mal mehr als noch zu Beginn des Jahrtausends. Rund um die Erde ist ein Goldrausch ausgebrochen. Neu ist zum Beispiel Madagaskar in den Export des Edelmetalls eingestiegen. Selbst die entlegensten Nationalparks Neuseelands werden nun von Goldschürfern durchwühlt. Die mit der Goldherstellung verbundenen Probleme und Konflikte lassen sich immer schlechter aus der öffentlichen Wahrnehmung halten.
Sollte nicht gerade bei Luxusgütern ein Aufpreis möglich sein, damit die Produktion weniger Kosten für Mensch und Umwelt verursacht? Das fanden anno 1999 rund 700 afrokolumbianische Bergleute in Kolumbien. Die Nachfahren von Minen-Sklaven schlossen sich zu einer Kooperative zusammen und entwickelten mit Umweltschützern die Marke „Oro Verde“: Die Abnehmer in Europa und Nordamerika sollen einen Aufschlag zahlen – dafür sollen die Kumpel einen anständigen Lohn bekommen und der Urwald im Chocó, einem der Biodiversitäts-Hotspots der Erde, erhalten bleiben.
Fairer Bergbau
Aus dieser kolumbianischen Initiative ging im Jahr 2004 die Alliance for Responsible Mining (ARM) hervor, die sich für kleingewerbliche Goldgräber einsetzt und mit dem Slogan „Gold, auf das man stolz sein kann“ das Label „Fairmined“ entwickelt. Gemeinsam mit Fairtrade International in Bonn, dem Dachverband der diversen nationalen Initiativen für gerechteren Handel, erarbeitete dann die ARM ab 2007 Standards für Produktion und Handel von Gold. Im Jahr 2011 wurde zuerst in England Gold mit dem Label „Fairtrade“ verkauft, ab 2015 wurden Deutschland und die Schweiz damit beliefert, seit vergangenem Jahr auch Österreich. Sotrami in Peru war die erste Mine, die von dem Fairtrade-Zertifizierungsinstitut FLO-Cert überprüft wurde. Die Bergleute sollen dort jetzt bis zu 15 Euro am Tag verdienen, mehr als das Doppelte des Mindestlohns in Peru.
Fairtrade verspricht, Zwischenhändler auszuschalten und die Bedingungen für die Kumpel wie auch für ihre Gemeinden zu verbessern. Dafür, dass die Bergleute sich zu legalen Kooperativen zusammenschließen und an die Spielregeln halten, sollen sie einen Mindestpreis von 95 Prozent des Londoner Börsenkurses bekommen. Dazu kommt eine Fairtrade-Prämie von 10 Prozent, die – mit demokratischen Abstimmungen – für Schulen, Krankenhäuser und andere soziale Einrichtungen in den Minen-Orten oder auch für Schutzkleidung und andere Verbesserungen der Betriebe ausgegeben werden soll. Fairtrade verbietet Kinderarbeit und verlangt, dass auf die Umwelt Rücksicht genommen wird. Für den etwas strengeren „Fairmined“-Standard, den ARM allein festlegt, gibt es eine Öko-Prämie von weiteren 5 Prozent. „Ökofaires“ Gold ist für die Endkunden also ungefähr 15 Prozent teurer als der unzertifizierte Wertstoff.
Cyanid und Quecksilber bleiben
„Öko“ ist faires Gold allerdings meistens nicht. Das Kieswerk des Holcim-Konzerns in Rheinzabern bei Karlsruhe, das als Nebenprodukt Gold allein mit Schwerkraft aus Rheinsand wäscht, ist eine Rarität. In der Regel werden heute für die Goldgewinnung riesige Mengen Gestein gemahlen und mit hochgiftigen Chemikalien behandelt. In der australischen Super-Pit-Mine zum Beispiel werden pro Jahr 15 Millionen Tonnen Gestein bewegt, um mit Cyanidlaugung rund 28 Tonnen Gold zu gewinnen. Einmann- und Kleinbetriebe hantieren meist mit Quecksilber, das dann im Abwasser oder im Staub der Abraumhalden landet.
Aus Sicht von Umweltschützern ist die Goldproduktion eine Katastrophe. Für Reinhard Behrend vom deutschen Verein Rettet den Regenwald helfen da auch keine Gütesiegel, bei denen sich die Einhaltung der Bedingungen im Hinterland des Amazonas ohnehin nicht überprüfen lasse: „Label sind bloß ein bequemes Alibi, um an dem Edelmetall festzuhalten, obwohl eigentlich kein Mensch Gold wirklich braucht.“ Tatsächlich gehen weniger als 8 Prozent der weltweiten Goldförderung in industrielle Anwendungen – der ganze Rest in Schmuck, Münzen und Barren.
Derartige Kritik halten Fairtrade-Aktivisten für unfair. Den Konsumenten Gold auszureden, sei nicht realistisch. Außerdem schätzt die ARM, dass weltweit mehr als 100 Millionen Menschen von kleinen Goldminen abhängen oder keine anderen Einkommensmöglichkeiten haben, als auf eigene Faust zu buddeln. Auf Kleinbetriebe würden zwar nur 15 Prozent der Förderung, aber 90 Prozent der Arbeitskräfte entfallen. Der Fairtrade-Zuschlag ermögliche ihnen Investitionen in Umweltschutz, mache die Welt also zumindest ein bisschen besser.
Fairliebt, fairlobt, fairheiratet
Nach Angaben von ARM sind bislang rund 10 Minen-Kooperativen in Peru, Uganda, Kenia und Tansania „Fairtrade“-zertifiziert; acht kleine Bergbau-Betriebe in Peru, Argentinien, Kolumbien und der Mongolei haben eine „Fairmined“-Zertifizierung. Pro Jahr werden demnach weltweit bereits mehr als 500 Kilo „faires“ Gold verkauft. Das sei zwar immer noch nur ein Bruchteil der gesamten Gold-Nachfrage, die mehr als 4.300 Tonnen erreicht. Bislang habe aber die Zertifizierung den beteiligten Kommunen immerhin eine Prämie von mehr als 1 Million US-Dollar eingebracht.
Wer „faire“ Juwelen sucht, wird in den deutschsprachigen Ländern bereits bei mehr als 60 Anbietern fündig. Darunter sind auch die großen Trauring-Hersteller Rauschmayer aus Pforzheim und Collection Ruesch aus Wien, die zahlreiche Filialen beliefern. Sie versprechen, überwiegend mit recyceltem Gold zu arbeiten und auf Blutdiamanten zu verzichten. Bert Hofmeester in Weitingen bei Horb, der sich als einer der ersten Goldschmiede-Meister in Deutschland um das Fairtrade-Zeichen bemühte, meint, Kinderarbeit habe nicht viel mit Liebe und Harmonie zu tun. Der ganze Weg „von der Gewinnung, der Anfertigung bis zum Tragen der Eheringe sollte harmonisch sein“.
Vorerst nur Kleingeld
Freunde wertvoller Geldstücke finden noch kaum unbedenkliche Objekte ihrer Begierde. Als erste Zentralbank der Welt gab die Luxemburger BCL im Jahr 2014 eine Sammlermünze aus Fairtrade-Gold heraus: „175 Jahre Unabhängigkeit Luxemburgs“. Um die mittlerweile ausverkauften 2.500 Stück mit einem Gewicht von jeweils 6,22 Gramm (1/5 Unze) in Wien prägen zu lassen, hatte die BCL 15 Kilo Gold erworben. Dieser bis dahin größte Einzelkauf von Fairtrade-Gold soll den Minen Aurelsa und Sotrami in Peru eine Prämie von 34.000 Euro gebracht haben. Im Juni 2016 gab Luxemburg „D’Maus Ketti“ heraus: Die derzeit einzige „faire“ Goldmünze auf dem Markt hat einen Nominalwert von 10 Euro und wiegt 3,11 Gramm (1/10 Unze). Geprägt wurde die Auflage von 3.000 Stück ebenfalls von der Österreichischen Münze.
Gratis kommt an Fairtrade-Gold, wer mit der „Palme d’Or“ des Filmfestivals in Cannes, dem Friedensnobelpreis oder der neuen IOC-Trophäe „Olympic Laurel“ ausgezeichnet wird. Wer es selbst kaufen will, kann bei deutschen Edelmetall-Händlern oder verschiedenen Schweizer Kantonalbanken kleine Barren von 1 Gramm bis zu 1 Unze erstehen, genaugenommen also dünne Plättchen. Neuerdings bietet auch die Luxemburger Sparkasse BCEE „faire“ Goldbarren mit einem Gewicht von 5 und 10 Gramm an. Dafür wurden 10 Kilo Gold von der Macdesa-Mine in Peru verarbeitet; der Fairtrade-Zuschlag von 18.800 Euro soll nun mehr als 500 Familien in der Atacama-Wüste helfen. Für größere Barren, die Investoren bevorzugen, reichen die verfügbaren Rohstoffmengen noch nicht aus.
Keine Schwierigkeiten, genügend Gold zu finden, hat dagegen Fairphone in Amsterdam. Das erste Fairtrade-zertifizierte Elektronikunternehmen vertreibt seit 2013 Mobiltelefone, die sozial und ökologisch korrekt und reparierbar sein sollen. Dabei reicht 1 Gramm Goldsalz für 1.000 beschichtete Smartphone-Platinen. Das Gold dafür wird in Peru gefördert, in der Schweiz raffiniert und in China verarbeitet. Immerhin sollen die „Fairphones“ dann 5 Jahre halten, deutlich länger als die meisten anderen elektronischen Geräte. Müllkippen gelten nicht umsonst als die Goldminen der Zukunft.
Martin Ebner
Foto: Unfair gold: ancient coin from the apartheid state South Africa. Nejusta ora: mono el Suda Afriko. Unfaires Gold: alte Münze aus dem Apartheid-Staat Südafrika.