About: Gustav Mesmer, a pour Swabian farm labourer and unhappy inventor, designed flying bicycles powered by the riders. His flying machines never left the ground, and he was shut away in madhouses. A talent lost. Only years after his death, Mesmer was recognized by the American Folk Art Museum in New York, the Zeppelin Museum in Friedrichshafen et.al.
Pri: Ekspozicio en Friedrichshafen, Germanujo, pri Gustav Mesmer, elpensinto de flugbicikloj.
Published, Aperis: Südwestpresse, 09.05.2015
Abgehoben hat der Flugradbauer Gustav Mesmer nie, aber den Traum vom Fliegen ließ er sich nicht nehmen: Der „Ikarus vom Lautertal“ war Künstler, Utopist und Philosoph. Das Zeppelin-Museum in Friedrichshafen würdigte seine verschrobenen Flugapparate in einer Ausstellung.
Ein Genie, zur falschen Zeit am falschen Ort? Dass man es dem schwäbischen Tüftler Gustav Mesmer leicht gemacht hätte, kann jedenfalls nicht behauptet werden. Unermüdlich bastelte er Fluggeräte. Gefördert wurde sein Talent nie; 35 Jahre lang war er in psychiatrischen Anstalten untergebracht. Erst kurz vor seinem Tod fand Mesmer Anerkennung für seine Arbeiten, die Erfindungen, Zeichnungen und Texte zu einem eigenwilligen Gesamtkunstwerk verbinden.
Gustav Mesmer wurde 1903 in Altshausen geboren, als sechstes von insgesamt zwölf Kindern eines Verwaltungsbeamten. Der Erste Weltkrieg, Tuberkulose und Halsoperationen verhinderten einen Schulabschluss. „Wo die Schule versagt, geht das ganze Leben einen Nebenweg“, bedauerte Mesmer später. Zunächst schlug er sich als Vedingbub auf Bauernhöfen und im Kloster Untermarchtal durch. Dann trat er als Laienbruder in das Benediktinerkloster Beuron ein. Das Klosterleben war aber nichts für ihn: Nach sechs Jahren kam er – enttäuscht und verstört – zu seinen Eltern zurück und lernte Schreiner.
Entscheidend für sein Leben wurde der 17. März 1929: Mesmer stürmt eine Feier in der evangelischen Kirche in Altshausen und verkündet, hier werde „nicht das Blut Christi“ ausgeteilt, es sei „alles Schwindel“. Von aufgebrachten Gläubigen nach Hause gebracht, schließt sich Mesmer tagelang in sein Zimmer ein. Der Hausarzt diagnostiziert Schizophrenie; der Skandalfall wird in die „Irrenanstalt“ Schussenried eingewiesen. Dort ertrotzt er sich Beschäftigung in der Druckerei, als Bibliothekar und als Korbflechter. Und er findet sein Lebensthema: Fliegen mit dem Fahrrad, ohne Motor, nur mit Muskelkraft. Sein Ziel ist ein „Lüfteapparat“ für den kleinen Flugverkehr von Dorf zu Dorf.
Elf Mal entläuft Mesmer, wandert tagelang durch Oberschwaben. Ansonsten ist er ein freundlicher und pflegeleichter Anstaltsinsasse. „Ist guten Humors, zeichnet immer wieder neue Flugprojekte über welche schon der Laie den Kopf schüttelt“, ist in seiner Krankenakte zum 13. März 1937 notiert. Zum Glück ist er den Ärzten nicht verrückt genug für Elektroschocks, Psychopharmaka oder andere Therapieversuche. Die Nazis, die 620 Schussenrieder Patienten ermorden, lassen den fleißigen Arbeiter leben.
Nach dem Krieg werden Anträge auf Entlassung abgelehnt, schon weil seine Mutter davon nichts wissen will. Immerhin wird Mesmer 1949 in die Heilanstalt Weissenau verlegt, wo er mehr Freiheiten hat und Flugfahrräder basteln darf. Erst 1964 kommt er aus der Psychiatrie. Bis zu seinem Tod Ende 1994 lebt Mesmer in einem Altenheim in Buttenhausen auf der Schwäbischen Alb: In einer eigenen Werkstatt hat sein Erfinderreichtum endlich freien Raum.
In seinen letzten Lebensjahren wurden Fotografen und Filmemacher auf den „Ikarus vom Lautertal“ aufmerksam, erste Ausstellungen zeigten seine Bilder. Den deutschen Beitrag zur Weltausstellung 1992 in Sevilla zierte eines seiner Flugräder. Heute sind noch rund 100 dieser raffinierten Konstruktionen aus Schrott-Teilen, Plastikplanen und anderen gebrauchten Materialien erhalten. Nach Mesmers eigenen Angaben soll eines sogar einmal ein bisschen geflogen sein – allerdings habe da gerade niemand zugeschaut.
Das Zeppelin-Museum in Friedrichshafen zeigt nun eine große Mesmer-Retrospektive: Fluggeräte und Zeichnungen, Eigenbau-Werkzeuge, Musikinstrumente und ein Vorführgerät für selbst gemalte Filme. Ebenfalls in diesem Frühjahr läuft in New York im American Folk Art Museum eine Ausstellung, die Mesmer als einen von 27 „Außenseiter-Künstlern“ präsentiert. So kommen die Flugräder doch noch um die Welt.
Links (last update: 05.03.2020):
Die Ausstellung „Gustav Mesmer. Mit dem Fahrrad fliegen“ war bis 28. Juni 2015 im Zeppelin-Museum in Friedrichshafen zu sehen: www.zeppelin-museum.de
Die Gustav-Mesmer-Stiftung bewahrt in einem Dachstuhl in Buttenhausen den Nachlass des Tüftlers: www.gustavmesmer.de
Fliegen mit eigener Kraft
Als im Mai 1811 Albrecht Ludwig Berblinger, bekannt als Schneider von Ulm, in die Donau plumpste, wusste man noch nicht viel von Fallwinden und erst recht nichts von Leichtbau-Materialien. Im Prinzip war sein Gleitflieger durchaus flugtauglich. Schwieriger ist es, sich mit eigener Muskelkraft in die Luft zu schwingen: Dass Menschen nicht so schnell und ausdauernd wie Vögel sind, müssen Flugapparate durch leichtes Gewicht und eine große Spannweite ausgleichen. Bis heute wurden immerhin schon an die 100 Fluggeräte gebaut, denen das gelingt.
Zum Beispiel schaffte es im Jahr 1979 das 32kg leichte Einmann-Flugrad „Gossamer Albatross“ mit Propeller-Pedalantrieb über den Ärmelkanal. Ein griechischer Radrennfahrer pedalierte 1988 mit dem Gefährt „Daedalus 88“ gar 115 Kilometer durch die Luft von Kreta nach Santorin, bis ihn 30 Meter vorm Ziel eine Windböe ins Meer warf. Moderner schwäbischer Flugfahrradbau ist zu Himmelfahrt an der Uferpromenade in Friedrichshafen zu bestaunen: Am 14. Mai 2015 wetteifern dort Konstrukteure ab 12 Uhr um den „5. Gustav-Mesmer-Flugradpreis“.
Siehe auch:
– Outsider-Art: fantastische Kopfreisen
– Tücken der Technik
– Düsentriebs Hürdenlauf
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Foto: Some of Gustav Mesmer’s „flying“ bicycles, exhibited in the Zeppelin-Museum in Friedrichshafen, Germany. „Flugbicikloj“ de Gustav Mesmer en Friedrichshafen, Germanujo. Flugfahrräder von Gustav Mesmer, ausgestellt im Zeppelin-Museum in Friedrichshafen, Deutschland.