About: The „Vienna Biennale“ 2017 focused on robots, work and automation.
Pri: Evento kaj ekspozicio pri robotoj en Vieno, Austrujo.
Published, Aperis: d’Lëtzebuerger Land, 01.09.2017
Die Vienna Biennale stellt Fragen zu unserer Roboter-Zukunft
Könnte ein Roboter deinen Job machen? So manchen, der sich unersetzlich wähnte, befallen in letzter Zeit ungute Ahnungen. Beispielsweise freuen sich wohl nicht alle Pfarrer über „BlessU-2“: Der mannsgroße Automat begrüßt Besucher der Reformationsausstellung in Wittenberg und erteilt ihnen mit strahlenden Augen und leuchtenden Händen unermüdlich biblischen Segen. Die computergesteuerte Seelsorge scheppert zwar ein bisschen, dafür können aber Männer- oder Frauen-Stimme in sieben Sprachen gewählt und der Segen ausgedruckt mitgenommen werden.
Weil immer mehr „intelligente, selbstständig agierende Maschinen in unseren Alltag einziehen“, legt die heuer zum zweiten Mal stattfindende „Vienna Biennale“ den Fokus auf das Themenfeld Arbeit, Robotik und Automatisierung. Mehr als 300 Künstler, Designer und Architekten wurden aufgeboten, diesen Sommer über auszuloten, „wie wir aus der technologie- und wirtschaftsgetriebenen digitalen Revolution das Beste für uns Menschen herausholen können“. Organisiert wird der Veranstaltungsreigen vor allem vom Museum für angewandte Kunst MAK.
Über Wien verstreut demonstrieren nun sechs Stationen „Szenarien neuer Arbeit“: alle kreativ, sozial und nachhaltig sowieso. Am Nordbahnhof soll eine Reparaturwerkstatt ein „Gegenpol zur Turbo-Digitalisierung“ sein. Anderswo werden zum Beispiel Aludosen zu Barren geschmolzen, nach Schnittmustern aus dem Internet Kleider geschneidert oder warme Abluftrohre für Mini-Gewächshäuser genutzt. Dem Philosophen Frithjof Bergmann folgend soll die verbleibende Arbeit gerechter verteilt werden: ein Drittel klassische Lohnarbeit, ein Drittel Selbstversorgung mit Hightech-Eigenproduktion und ein Drittel Arbeit, „die wir wirklich tun wollen“.
„Hello, Robot“, die Hauptausstellung, wird im MAK selbst gezeigt. Diese Gemeinschaftsproduktion von MAK, Vitra Design Museum und Design Museum Gent wird nach Wien auch in anderen Städten zu sehen sein. Sie gibt einen Überblick zur Roboter-Entwicklung und will vermitteln, dass man Technik nicht allein Ingenieuren oder Programmierern überlassen dürfe: Wenn wir gut mit Robotern auskommen sollen, brauche es Designer. Wie dem Militär immer schon klar war, ist es allerdings viel einfacher, Menschen an Maschinen anzupassen als umgekehrt.
Gegliedert ist „Hello, Robot“ in vier Kapitel. In „Science und Fiction“ geht es um die Anfänge der modernen Angst-Faszination zu künstlichen Menschen: Karel Capeks Theaterstück „R.U.R“, in dem Maschinen-Sklaven rebellieren, machte 1920 das Wort „Roboter“ populär. Westinghouse ließ 1939 zur Weltausstellung in New York „Elektro the Moto-Man“ marschieren, einen zwei Meter hohen Blechkerl, der 700 Worte sprechen und Zigarette rauchen konnte. Alte Filme und Kinderspielzeug prägen bis heute unsere Vorstellung, obwohl Roboter mittlerweile beliebige physische oder digitale Formen haben können.
Der Abschnitt „Programmiert auf Arbeit“ behandelt Industrieroboter, aber auch neue Chancen für Prosumer. Eine Datenbank berechnet die Wahrscheinlichkeit, dass ein Job bald durch ein Stück Silizium gemacht wird. Das Kapitel „Freund und Helfer“ zeigt Assistenten aller Art, vom Putzroboter über Cybersex bis zur „End of Life Care Machine“ des Künstlers Dan Chen, die Sterbenden die Hand hält. Für Jugendliche, die vor lauter Smartphones nicht mehr reden, hat der Designer Gerard Ralló einen „Personal Advisor for Reintegration“ entwickelt: ein Gerät, das belanglose Fragen und Antworten für eine zwanglose Konversation vorschlägt. Im Abschnitt „Eins werden“ verschmelzen zum Schluss Mensch und Maschine: Implantate, Prothesen, Nanobots, aber auch ganze „smarte Städte“. Willst du in einem Roboter leben?
Überhaupt wird im MAK gerade viel gefragt: „Hello, Robot“ folgt 14 Leitfragen; 11 Fragen aus dem „Ausstellungsmanifest“ sind auf großen Plakaten in der Säulenhalle des Museums zu lesen. MAK-Direktor Christoph Thun-Hohenstein hat einen Aufruf zu „Vernunft und Gefühl im digitalen Zeitalter“ verfasst: „Um die Abschaffung von uns Menschen, beziehungsweise unsere Reduzierung zu Haustieren zu vermeiden, müssen wir endlich aufwachen und handeln.“ Arbeiten zu künstlicher allgemeiner Intelligenz seien so gefährlich wie die Entwicklung nuklearer Waffen und müssten „strikt überwacht“ werden: „Machen wir gegen Upgradings zu Supermenschen mobil!“
Intellektuelle, die glauben, mit kritisch-reflexiven Texten seien sie gegen Übergriffe der Technik gefeit, haben sich allerdings geschnitten: Die Karlsruher Künstlergruppe RobotLab hat einen Roboter gebaut, der am laufenden Band Manifeste zu philosophischen oder anderen tiefschürfenden Themen produziert.
Martin Ebner
Links (last update:09.03.2020):
Die „Vienna Biennale 2017: Roboter. Arbeit. Unsere Zukunft“ lief vor allem im Österreichischen Museum für angewandte Kunst: www.viennabiennale.org
Nach Wien war die Ausstellung „Hello, Robot. Design zwischen Mensch und Maschine“ vom 27. Oktober 2017 bis 15. April 2018 in Gent zu sehen sein: www.designmuseumgent.be Das deutsche Vitra Design Museum hat dazu ein Begleitbuch (deutsch oder englisch) veröffentlicht.
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Foto: „Robin“, a music-loving robot by designer Jan de Coster (seen at MAK in Vienna, Austria). Roboto de belga artisto Jan de Coster. Robin, eine Musik-liebende Roboterin des belgischen Designers Jan de Coster (fotografiert im MAK in Wien, Österreich).