Zeppelin NT at Friedrichshafen

Zeppelin: Gemütlich nach Fernost schweben

About: History of Zeppelin airships, on the occasion of the 75 year jubilee of the first around the world trip by LZ127
Pri: Historio de zepelinoj. Kialo: 75 jaroj unua flugo de LZ127 ĉirkaŭ la mondo.
Published, Aperis: Südwestpresse, 04.09.2004


Vor 75 Jahren gelang LZ 127 „Graf Zeppelin“ zum ersten Mal eine Weltumrundung in der Luft. Zum Jubiläum fliegt nun auf einem Teil der historischen Route wieder ein Luftschiff vom Bodensee nach Japan. Flugzeuge sind zwar schneller und billiger, die Luftschiff-Werft in Friedrichshafen hofft aber auf Marktnischen für ihren modernen Zeppelin.

Die einen stimmten stolz „Deutschland, Deutschland über alles“ an, die anderen machten sich über den „Staatsphallus“ lustig: Es ließ kaum jemanden kalt, wenn sich früher am Himmel ein Zeppelin zeigte. Am 4. September 1929 überwog Begeisterung. Im Morgenlicht fuhr das Luftschiff „Graf Zeppelin“ über den mit Fahnen festlich geschmückten Münsterturm von Konstanz, setzte über dem Bodensee zum Landeanflug an und wurde in Friedrichshafen von jubelnden Schaulustigen empfangen. In 12 Tagen, 12 Stunden und 20 Minuten reiner Reisezeit hatte LZ 127 in sechs Etappen als erstes Luftfahrzeug die Erde umrundet und dabei 34.200 Kilometer zurückgelegt. Probleme hatte es unterwegs keine gegeben, einmal abgesehen davon, dass der von 105.000 gut brennbaren Kubikmetern Wasserstoffgas getragene Zeppelin in Amerika einmal knapp an einer Hochspannungsleitung vorbeigeschrammt war und dass kurz vor der letzten Landung ein Fahrgast beim Rauchen erwischt wurde.

Gelenkt von dem legendären, damals 61 Jahre alten Luftschiffkapitän Hugo Eckener war „Graf Zeppelin“ am 1. August in Friedrichshafen gestartet und zunächst erst einmal über den Atlantik gefahren. Der Hauptsponsor der Rekordtour war nämlich der amerikanische Pressezar William Hearst, und der legte Wert darauf, dass die Reise um den Globus bei der New Yorker Freiheitsstatue anfing. Die meisten der 20 Passagiere aus zehn Nationen waren Regierungsvertreter und Journalisten, darunter als Repräsentantin des Hearst-Imperiums Lady Grace Drummond-Hay, die einzige Frau an Bord. Nur zwei Fahrgäste hatten gezahlt; in die Geschichte ging der 26jährige Multimillionär William Leeds ein – weil er ein Grammophon mitschleppte und allen auf die Nerven ging. Zu den 40 Mann Besatzung gehörten ein Koch, drei Funker und fünfzehn Maschinisten, die während der Fahrt die fünf Maybach-Motoren warteten und nach jeweils vier Stunden Arbeit acht Stunden Pause hatten.

Am 10. August war LZ 127  aus New York zurück in Friedrichshafen, von wo er am 15. August um 4.30 Uhr wieder aufbrach. Eine Stunde später wurde Ulm passiert, über Berlin und Danzig ging es dann nach Russland. Wegen Schlechtwetter wurde nicht Moskau, sondern weiter nördlich Wologda überflogen. Während in Sibirien Bauern in panischer Angst vor dem Zeppelin flohen, ließen es sich die Fahrgäste im mit Seidentapeten verzierten Speisesalon gutgehen. Das Bordgeschirr war exklusiv von Heinrich in Selb hergestellt worden, auch das Silberbesteck trug das Monogramm „LZ“. Nach 99 Stunden, dem bis dahin längsten Nonstop-Flug, landete „Graf Zeppelin“ in Tokyo. Der Treibstoff hätte zwar noch für weitere 50 Stunden und die Fahrt in die USA gereicht, aber der japanische Kaiser und Tausende seiner Untertanen, die zur Begrüßung des Luftschiffs gekommen waren, hätten das bestimmt übel genommen. Zur Feier des Tages recherchierte ein US-Korrespondent, wie in Friedrichshafen die Nachricht von der wohlbehaltenen Landung in Japan aufgenommen wurde: „Frau Eckener glücklich. Sie strickt weiter.“ Am 23. August verließ der silbergrau angestrichene Gigant Tokyo, legte nach dem ersten Nonstop-Flug über den Pazifik am 25 August einen Halt in Los Angeles ein und kreiste nach 21 Tagen wieder über der Freiheitsstatue.

LZ 127 gilt als das „glücklichste“ der starren Luftschiffe, die sonst meist durch spektakuläre Unfälle in Erinnerung geblieben sind. Zu seiner Finanzierung hatte Hugo Eckener eine Spendenkampagne organisiert, die allerdings statt der erhofften sieben nur 2,5 Millionen Mark brachte, da der Zeppelin-Enthusiasmus im Ersten Weltkrieg anscheinend etwas gelitten hatte. Die deutsche Regierung steuerte eine Million und der Zeppelin-Konzern die restlichen 3,5 Millionen Mark bei. Die Bauarbeiten an der 236,6 Meter langen Flugzigarre, die einen maximalen Durchmesser von 30,5 Meter aufwies und 58 Tonnen wog, hatten mehr als 200.000 Besucher nach Friedrichshafen gelockt. Am 8. Juli 1928 wurde sie „Graf Zeppelin“ getauft und absolvierte bald darauf den ersten Atlantikflug nach New York. Auf dem Heimweg wurde der erste blinde Passagier der Luftfahrtgeschichte, ein 19jähriger Amerikaner, entdeckt und zu Küchenarbeiten verdonnert.

Nach ihrer Weltreise fuhr LZ 127 im Jahr 1930 zum ersten Mal nach Brasilien. In Rio konnte die begeisterte Menge nur mit Mühe davon abgehalten werden, zum Empfang ein Feuerwerk abzubrennen. 1931 erregte das Luftschiff mit einer Arktisexpedition Aufsehen. Zwei Mann waren bei dieser Fahrt Tag und Nacht mit dem Stempeln von 300 Kilo Postkarten und Briefen beschäftigt, denn Briefmarkensammler waren eine Haupteinnahmequelle des Zeppelin-Betriebs. Falls er nicht von den Nazis für Propagandafahrten gebucht wurde, pendelte „Graf Zeppelin“ anschließend mit einer Reisegeschwindigkeit von rund 100 Stundenkilometern zwischen Friedrichshafen und Rio de Janeiro. Nach der Explosion von LZ 129 in Lakehurst im Mai 1937 wurde die Passagierbeförderung eingestellt. Da damals für das gefährliche Wasserstoffgas kein Ersatz erhältlich war, wurde „Graf Zeppelin“ nach 590 Fahrten zusammen mit LZ 130 in einem Hangar in Frankfurt eingemottet und ausgestellt. Der Verkauf von Eintrittskarten brachte einen größeren Gewinn als der unwirtschaftliche Fahrbetrieb jemals gemacht hatte. Im Frühjahr 1940 wurden die beiden letzten Zeppeline schließlich auf Befehl von Luftfahrtminister Göring abgewrackt und die Luftschiffhalle in Frankfurt gesprengt. Die Zeppelinwerft in Friedrichshafen wurde bei Luftangriffen zerstört.

Nach dem Zweiten Weltkrieg hatten gigantische Starrluftschiffe, die riesige Hangars und bis zu 300 Mann Bodenpersonal benötigen, keine Chance mehr gegen den immer effizienteren und leistungsfähigeren Flugzeugbau. Ein moderner Jumbo-Jet ist achtmal schneller und befördert siebenmal mehr Passagiere als der Luftsaurier LZ 129. Zwar gab es zahlreiche skurrile Projekte, wie zum Beispiel den Vorschlag, Sigmaringen mit einer 800 Meter langen Halle zur Luftschiffstadt zu machen oder Sibirien mit atomgetriebenen Zeppelinen zu erschließen, sie blieben jedoch auf dem Papier. Als aber 1990 eine Marktstudie ein Absatzpotenzial von rund 80 Zeppelinen errechnete, fing der Zeppelin-Konzern wieder mit dem Luftschiffbau an.

Das neu gegründete Tochterunternehmen „Zeppelin Luftschifftechnik GmbH“ stellte 1997 in einer Friedrichshafener Messehalle mit modernen Werkstoffen den ersten „Zeppelin NT“ fertig. NT steht für „Neue Technologie“. Das im Vergleich zu den früheren Zeppelinen kleine, halbstarre Luftschiff ist mit 75 Meter Länge etwas größer als ein B747-Jet, kann in seiner komfortablen Kabine immerhin zwölf Passagiere befördern und braucht nur noch drei Mann Bodenpersonal. Die Betreibergesellschaft „Deutsche Zeppelin-Reederei“ preist die besonderen Eigenschaften des von unbrennbarem Helium getragenen und von drei schwenkbaren Propellern angetriebenen Vehikels: Senkrecht-Starten, große Reichweite ohne Nachtanken, geringer Kraftstoffverbrauch, ruhiges, langsames Gleiten oder auch Anhalten in der Luft. Damit sollen Marktnischen zwischen Flugzeug und Hubschrauber erobert werden, zum Beispiel als Plattform für TV-Kameras oder Messgeräte, als Ausflugsschiff oder Werbeträger. In der Flugsaison 2003 wurden mehr als 17.000 Passagiere befördert.

Bisher wurden in Friedrichshafen drei Zeppelin NT hergestellt. Der älteste absolvierte dieses Jahr für einen deutschen Autokonzern eine dreimonatige Werbekreuzfahrt über Osteuropa und Istanbul. Der jüngste schipperte Touristen über den Bodensee. Der dritte aber wurde verkauft an die 2002 von einer japanischen Reederei in Nagoya gegründeten „Nippon Airship Corporation“, die ihn vor allem für Rund-, Werbe- und Überwachungsflüge einsetzen will. Am 12. Juni wurde das Luftschiff übergeben und „Yokoso! Japan“ getauft. „Yokoso“ heißt „Willkommen“ und soll zum Besuch der Weltausstellung 2005 in Aichi animieren.  

In Friedrichshafen wurden drei Monate lang drei Piloten und drei Mechaniker aus Japan ausgebildet. Danach verabschiedete sich „Yokoso“ zwei Wochen lang von verschiedenen europäischen Städten, etwas vom schlechten Wetter behindert. Am 4. Juli verließ der Zeppelin NT dann endgültig Friedrichshafen und startete in Richtung Helsinki seinen rund 10.000 Kilometer langen Überführungsflug. Anders als einst „Graf Zeppelin“  soll „Yokoso“ nicht direkt nach Tokyo durchfahren, sondern 45 Zwischenlandungen einlegen. Mitte September soll er dann von Sachalin nach Nordjapan einschweben. Hiroyuki Watanabe von der „Nippon Airship Corporation“ schwärmt jetzt schon: „Zeppeline werden eine Harmonie von Natur und Technik bringen. In Zukunft werden wir umweltfreundliche Luftschiffe mit einer Kombination von Brennstoff- und Solarzellen bauen können.“


Ehemaliger Zeppelin-Hangar: Markthalle in Riga, Lettland
Ehemaliger Zeppelin-Hangar: Markthalle in Riga, Lettland


Schwimmen in der Luft

Der unternehmungslustige General Ferdinand Graf von Zeppelin, 1838 in Konstanz geboren und 1917 in Berlin gestorben, hat die nach ihm benannten Luftschiffe nicht erfunden, aber kein anderer hat sich so hartnäckig und mit derart professioneller Öffentlichkeitsarbeit dafür eingesetzt. Als 1908 sein viertes Fluggerät bei Echterdingen in Flammen aufging, erbrachte eine Spendenkampagne so viel Geld, dass er in Friedrichshafen den bis heute existierenden Zeppelin-Konzern gründen konnte.
    Bis 1938 produzierte diese Firmengruppe 119 Luftschiffe, davon 102 für das Militär. Das letzte, LZ „Hindenburg“, war mit 245 Metern doppelt so lang wie LZ 1, gut dreieinhalb mal länger als ein moderner Jumbo-Jet und das größte jemals gebaute Luftfahrzeug. Trotz der enormen technischen Entwicklung blieben die Grundelemente immer gleich: Unter einer Stoffhülle trägt ein starres Rumpfgerippe aus Aluminium voneinander getrennte Zellen, die mit Wasserstoffgas gefüllt sind und so für Auftrieb sorgen. Am Rumpf sind Gondeln für Crew, Passagiere und Propellermotoren angebracht.
    Hatten die Deutschen zunächst gehofft, damit die englische Marine zu schlagen, stellte sich im Ersten Weltkrieg rasch heraus, dass Luftschiffe nicht nur teuer, langsam und wetterempfindlich sind, sondern auch leicht abgeschossen werden können. Immerhin bombardierten die „fliegenden Babymörder“ Städte von Bukarest bis London, töteten dabei rund 4000 Menschen und eröffneten so die Ära des Luftterrors gegen die Zivilbevölkerung.    
    Konkurrenz hatte Zeppelin beim Bau starrer Luftschiffe kaum: In Mannheim fertigte Schütte-Lanz 20; Großbritannien baute 17, die USA 4 – bis zum Absturz oder Abwracken flogen sie aber nie sehr lang. Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es unzählige Luftschiff-Projekte, verwirklicht wurden aber nur relativ kleine Blimps ohne starres Innengerüst.
    Die seit 1993 in Friedrichshafen gebauten „Zeppelin NT“ sind strenggenommen keine echten Zeppeline: Ihre Form kommt nicht durch das Gerüst aus Alu und Kunststoff zustande, sondern durch die Heliumfüllung. Wie Flugzeuge sind die neuen halbstarren Luftschiffe schwerer als Luft, ihr Übergewicht wird durch den Schub der Triebwerke oder durch dynamischen Auftrieb während des Flugs kompensiert. Anders als seine ehrwürdigen Leichter-als-Luft-Namensvettern „fährt“ ein „Zeppelin NT“ also nicht, sondern „fliegt“.

Martin Ebner


Nostalgie und Zukunft (last update: 03.05.2014):

In Friedrichshafen ist die Erinnerung an die fliegenden Zigarren lebendig. Die Hauptattraktion des Zeppelin-Museums im ehemaligen Hafenbahnhof ist die begehbare Rekonstruktion eines 33 Meter langen Teils von LZ 129 „Hindenburg“:
www.zeppelin-museum.de

Am Flughafen Friedrichshafen sind die neuen „Zeppelin NT“ zu Hause. Fluggäste müssen mindestens 2 Jahre alt und „in der Lage sein, die Treppe zum Luftschiff selbständig hinauf- und hinabzusteigen“: www.zeppelinflug.de
 
Zahlreiche weitere Informationen bieten die www.luftschiffseiten.de

Zu Verkehrs- und Fahrzeugmuseen im Bodenseeraum siehe das Dossier: Oldtimer am Bodensee

Zu Friedrichshafen habe ich meine Magisterarbeit geschrieben:
Die Entnazifizierung von Zeppelin, Maybach, Dornier & Co.


 


Foto (08.06.2014): A Zeppelin NT reaches its homebase at Friedrichshafen airport, Germany. Zepelino en flughaveno de Friedrichshafen, Germanujo. Ein Zeppelin NT bei seinem Hangar auf dem Flughafen Friedrichshafen, Deutschland

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Texts of timeless beauty. Or at least some historical interest.