About: Museums about money and stocks in Switzerland
Pri: Svislandaj muzeoj pri mono kaj akcioj
1. Letzebuerger Land, 2018 : Scripophile Schatzkammer
2. Letzebuerger Land, 2006: Vom geprägten Gold zum reinen Glauben
Published, Aperis: d’Lëtzebuerger Land, 12.01.2018
Scripophile Schatzkammer
Das Schweizer Finanzmuseum in Zürich zeigt vor allem Nonvaleurs
„Je schöner die Aktie, desto dringender braucht die Gesellschaft Geld“ – das war einmal eine Börsen-Weisheit. Wer zum Beispiel im 18. Jahrhundert Anteilscheine von spanischen Handelsfirmen kaufte, bekam kunstvolle Kupferstiche auf grandiosen Kalbspergament-Bögen, die den überbordenden Reichtum der Neuen Welt priesen – aber nicht unbedingt auch eine Dividende. Heutigen Investoren werden meist bloß noch verheißungsvolle Computergrafiken und bunte Internetseiten angedreht. Scripophilisten schwelgen in den Versprechen vergangener Tage.
Das neue Schweizer Finanzmuseum hält sich aber nicht mit kulturpessimistischen Betrachtungen auf. Diesen Sommer wurde es im Keller des SIX-Hauptgebäudes eröffnet. In Zürich-West ist es ein bisschen abgelegen, vom Hauptbahnhof mit der Straßenbahn eine Viertelstunde durch ehemalige Industriegebiete, aber in guter Nachbarschaft, denn daneben haben sich auch die Kunsthochschule, das Museum für Gestaltung und das Museum digitaler Kunst angesiedelt. Die SIX-Group gehört rund 130 Banken und ist für die Infrastruktur des Schweizer Finanzplatzes zuständig; vor allem betreibt sie die Schweizer Börse.
Die Ausstellung ist als Schatzkammer inszeniert. Auf rund 300 Quadratmetern zeigt sie vor allem Glanzstücke aus einer der bedeutendsten Sammlungen historischer Wertpapiere. Der Düsseldorfer Jakob Schmitz hatte die Kollektion einst begonnen; mittlerweile umfasst sie rund 10.000 Nonvaleurs aus mehr als 150, oft ebenso verblichenen Staaten. Bis zum vergangenen Jahr war sie unter dem Namen „Wertpapierwelt“ in Olten zu sehen, wo SIX-Securities-Services in einem gigantischen unterirdischen Tresor Gold und Dokumente verwahrt. Heuer wurden die historischen Wertschriften an den SIX-Hauptsitz verlagert, weil Zürich für Touristen attraktiver sei.
An den Vitrinen lassen sich Filme und Erläuterungen zu den jeweiligen Exponaten abrufen. Den Auftakt macht eine Anleihe aus dem Jahr 1623, ausgegeben von der holländischen Ostindien-Kompagnie, der allerersten Aktiengesellschaft. Dann geht es quer durch die Wirtschaftsgeschichte: Eisenbahnbau und Elektrifizierung, großartige Imperien und spektakuläre Pleiten. Am Ende liegt eine Aktie von Lehman Brothers. Daneben präsentiert eine kleine Sonderausstellung unter dem Titel „Berühmt“ Wertpapiere mit Original-Unterschriften von Rockefeller, Nobel, Siemens, Chaplin und anderen Prominenten. Ein Autogramm des Amazon-Gründers Jeff Bezos beweist, dass Unternehmer auch heute noch gerne persönlich Aktien signieren.
Zuweilen überraschen antikapitalistische Akzente, etwa wenn „historische Meilensteine“ die moderne Weltwirtschaft im Jahr 1500 mit den ersten funktionstüchtigen Musketen und englischen Piratenüberfällen auf spanische Silberschiffe beginnen lassen. Zu einer Diamanten-Mine in Angola wird erst ein Foto von schuftenden Schwarzen gezeigt und gleich darauf eines von weißen Managern am Swimming-Pool.
Neben alten Aktien und Anleihen ist auch ein vorsintflutlicher Geldautomat ausgestellt: Bald nachdem Barclays 1967 in London damit angefangen hatte, war die Schweiz eines der ersten Länder mit Bancomaten. Heute geht es nicht nur ohne Bankschalter, sondern auch ohne Bargeld: In Luxemburg ist SIX-Payment-Services nach eigenen Angaben mit 11.375 mobilen Zahlterminals Marktführer. Ob alte Kreditkarten auch einmal so gesucht sein werden wie Aktien des RTL-Vorläufers „Société Européenne de Radio et de Dispositifs Antiparasites Euradia SA“ von 1936?
Zu Hintergründen aktueller Finanz- und Bank-Skandale informiert das Museum eher nicht. Immerhin darf eine Journalistin in einem Film zur Zukunft der Börse anmerken, dass es keinen „freien Markt“ mehr gebe, sondern „Manipulationen, wohin man schaut“. Zum Thema Hochfrequenzhandel ist zu erfahren, dass derzeit in Europa 40 Prozent aller Wertpapiere von Computern gehandelt werden. Trotzdem werden die Besucher ermuntert: Sie können eine vereinfachte Version des Trainingsprogramms ausprobieren, das Aktienhändler für die Schweizer Börse fit machen soll. Ein Handelstag schrumpft dabei auf drei Minuten, und die Verluste bleiben rein virtuell.
Martin Ebner
Das Schweizer Finanzmuseum ist in Zürich-West neben dem Toni-Areal: www.finanzmuseum.ch
Die Zeitung „Finanz und Wirtschaft“ stellt immer wieder einzelne Nonvaleurs aus der SIX-Sammlung vor: www.fuw.ch/galerien
Im Stadtarchiv von Enkhuizen hat 2010 ein Student die „älteste Aktie der Welt“ entdeckt: www.westfriesarchief.nl
Published, Aperis: d’Lëtzebuerger Land, 12.06.2006
Vom geprägten Gold zum reinen Glauben
Schweizer Museen dokumentieren den Weg zu wert-losen Werten
In einem Villenviertel oberhalb von Zürich würde man hinter Sicherheitstüren und Panzerglas vielleicht nicht unbedingt eine skeptische Einstellung zum modernen Finanzwesen und Sympathie für unkonventionelle Währungen erwarten. Jürg Conzett präsentiert im privaten MoneyMuseum aber nicht nur ausgewählte Stücke seiner funkelnden Münzsammlung, sondern bemüht sich auch, die Ausstellungsräume zum Forum zu machen und mit Vortragsreihen Diskussionen anzuzetteln. Ein umfangreiches Angebot von Internetseiten und meist gratis abgegebenen Broschüren, Hörspielen und DVD-Präsentationen soll zum Nachdenken über Geld anregen, das heißt vor allem über die „Gefühle, die damit verbunden sind: Leidenschaft, Versuchung, Glück, Betroffenheit“.
„Unsere Geldtradition ist ausgeschöpft und die Geschichte der Münze geht nach 2500 Jahren zu Ende“, stellt Conzett fest. Schade, denn auf einer Münze „verbinden sich Wirtschaft, Politik und Kunst auf dichtestem Raum“. Seit Kleingeld kein Edelmetall mehr enthält und die Golddeckung des US-Dollar aufgegeben wurde, steht den Zahlungsmitteln kein realer Gegenwert mehr gegenüber – Geld ist nur noch ein Symbol, ein Versprechen für Leistungen in der Zukunft. Dass die Geldmenge nun ungehindert explodieren kann, scheint Conzett zu beunruhigen: Die vom MoneyMuseum produzierten CDs haben oft Titel wie „Finanzkrisen wiederholen sich“, „Träume und Schäume in der Finanzgeschichte“ oder auch „Boom und Bust in der New Economy“.
Mit der kleinen, aber feinen Sonderausstellung „Unterwegs zum wert-losen Geld“ zeigt das MoneyMuseum die historische Entwicklung von den ersten Münzen, die König Krösus um 560 v.Chr. auf dem Gebiet der heutigen Türkei aus Gold und Silber schlagen ließ, bis zum Euro, der „ersten Währung, die bereits wertlos geboren wurde“. Münzen sind heute nur noch Jetons aus billigen Materialien, und auch das Papiergeld wird zunehmend ersetzt durch Kreditkarten, Flugmeilengutschriften, auf Chips gespeicherte Leuchtzeichen… „Der Westen muss mit wertlosem Geld erst leben lernen“, ist Conzett überzeugt. „In China dagegen gibt’s das schon seit Jahrhunderten.“ Da erste Experimente mit staatlichem Papiergeld im Reich der Mitte zu Inflation geführt hatten, führten dort Kaufleute eigene Parallel-Währungen auf der Basis von Vertrauen und Gegenseitigkeit ein – zum Beispiel mit Ziegeln aus Teeblättern.
Dass verschiedene Währungen für unterschiedliche Zwecke denkbar sind, belegen die Begleitpublikationen zur Ausstellung: das Buch „Komplementäres Geld – Vorteile, Erscheinungsformen und Funktionsweisen“ und die DVD „Regionalwährungen in Deutschland – Wirtschaften mit neuem Geld“. Beide finden, dass „offizielles Geld allein nicht mehr genügt und nicht mehr alle Aufgaben erfüllen kann“. Wohlwollend schildern sie Erfahrungen mit Demurrage-Währungen, die wie das altägyptische Getreide-Geld keine Zinsen bringen, sondern mit der Zeit an Wert verlieren – und daher nicht gehortet, sondern schnell ausgegeben werden und die Wirtschaft in Schwung bringen. Die Schwierigkeiten bisheriger Tauschringe und ähnlicher Selbsthilfe-Einrichtungen erklären sie mit der Feindschaft von Nationalbanken, die Konkurrenz verhindern wollen. Immerhin hält sich in der Schweiz schon seit 1934 die WIR-Genossenschaftsbank, bei der kleine Unternehmen nicht nur für Franken, sondern auch für eine eigene, zinslose WIR-Währung Konten einrichten können.
Die Geschichte der WIR-Bank und der Freiwirtschaftslehre ist auch ein Thema in der Ausstellung „Die Zürcher und ihr Geld“, die das MoneyMuseum gerade in einer Filiale des Schweizer Nationalmuseums gleich hinter den Bankpalästen am Paradeplatz zeigt. 20 Vitrinen und Hörstationen mit „Geldgeschichten“ erlauben dort einen unterhaltsamen Streifzug durch die Historie der eidgenössischen Finanzhauptstadt: von den Kelten, die ausgerechnet im heutigen Bankenviertel einen großen Münzschatz hinterlassen haben, über Haudegen, die in Kolonien zu Reichtum kamen, bis zu den „Gnomen von Zürich“, die ihren Schimpfnamen 1964 von einem erbosten englischen Finanzminister angehängt bekamen. Nebenbei ist zu erfahren, wie am Limmat in der Reformationszeit die Kirchenschätze geraubt und verscherbelt wurden, was ein Henker im Jahr 1770 verdient hat und warum 1869 ein Buchhalter der Eidgenössischen Bank die damals astronomische Summe von drei Millionen Franken abzweigen konnte. Die Schau endet bei der modernen Schuldenberatung: Kreditkarten und virtuelles Geld erleichtern den Weg in die Pleite.
Dass sich heute alle Werte in Bits und Bytes auflösen und eine Epoche der Finanzgeschichte zu Ende geht, erfüllt auch die Wertpapierwelt in Olten mit Melancholie. Gleich nebenan lagern im „Fort Knox“ der Schweiz zwar noch milliardenschwere Urkunden. Der unterirdische Zentraltresor der SIS, einer Clearing-Organisation der Banken, wird aber nur deshalb vorerst nicht leer, weil etwas anachronistische Gesetze verlangen, dass Aktionären auf Wunsch ein greifbares Exemplar ihres Schatzes auszuhändigen ist. Daher muss für jede Emission zumindest ein Globalzertifikat und eine Art Probedruck angefertigt werden. Ansonsten hantiert aber an den Börsen schon lange niemand mehr mit Mappen voller Wertpapiere und Dividendencoupons – gehandelt wird mittlerweile elektronisch.
Normalerweise werden „Non-Valeurs“, die zu keinen Dividenden oder Zinszahlungen mehr berechtigen, einfach weggeworfen. Exemplare, die dem Shredder entgangen sind, haben heute aber wegen ihrer oft reichen Verzierung und historischen Bedeutung nicht selten einen Sammlerwert, der höher ist als der Börsenwert zu ihrer aktiven Zeit. Damit trotz Computer und Entmaterialisierung „Geschichten und Geschichte rund um das Wertpapier nicht in Vergessenheit geraten“ und um „die Wurzeln unseres heutigen Finanz- und Wirtschaftssystems freizulegen“, hat die SIS 2002 eine große deutsche Privatsammlung alter Aktien und Anleihen angekauft. Die Kollektion wird systematisch erweitert und zum „ersten internationalen Wertpapiermuseum“ ausgebaut.
Von den allersten Aktien, die am 20. März 1602 in Amsterdam von der Holländisch-Ostindischen Kompanie ausgegeben worden waren, ist kein Stück erhalten. Ansonsten haben aber schon über 7000 historische Wertschriften aus aller Welt den Weg nach Olten gefunden. Luxemburg ist allerdings nur mit einer Handvoll alter Urkunden vertreten, zum Beispiel Eisenbahn-Papieren von 1856 und Sodec-Aktien aus dem Jahr 1960 – kein Vergleich zu den 500 Beiträgen Belgiens, wobei Belgisch-Congo noch nicht einmal mitgezählt ist.
Bilder der gesamten Sammlung können in einer Datenbank bewundert werden. Eine wechselnde Auswahl von rund 100 Originalen wird im Ausstellungssaal gezeigt, wozu jeweils auch ein schön gestalteter Katalog erscheint. Im vergangenen Jahr war das Thema „Reich und mächtig – berühmte Namen auf Wertpapieren“: Aktien warben früher nicht nur mit vielversprechenden Bildern von rauchenden Schloten um Käufer, sondern wurden auch oft vom Boss persönlich unterschrieben. Das Wertpapiermuseum ist stolz auf Autogramme von Rockefeller, Edison oder auch Charlie Chaplin. Goethe gründete zwar keine eigene AG, verlieh aber als Bergbau-Minister mit seiner Signatur Minen-Anteilen Seriösität.
Derzeit ist in Olten eine Ausstellung zur „Geschichte der Mobilität auf Wertpapieren“ zu sehen. Seit der 1825 gegründeten AG Stockton & Darlington Railway war die Aktie Geburtshelferin vieler Fortbewegungsmittel und der dazugehörenden Infrastruktur, zum Beispiel der 1855 mit Pferdedroschken gegründeten Omnibus de Paris, des Suezkanals ebenso wie der Golden Gate Bridge. Zu entdecken sind schmucklose Rolls-Royce-Anteile und üppig dekorierte Junk Bonds von Pleitefirmen. Dass Wertpapiere zur Enteignung von Kapitalisten geeignet sind, beweisen auch 1925 zwangsweise von der sowjetischen Regierung verkaufte Dobrolet-Anteile: Die Dividende des Aeroflot-Vorläufers war wohl so überschaubar wie die Begeisterung der ganz bestimmt nicht stimmberechtigten Shareholder. Mehr Freude bereiteten zu ihrer Zeit wahrscheinlich VW-Volksaktien und Swissair-Anleihen. Mittlerweile ist der Fortschritt so beschleunigt, dass die Aktie selbst überholt wurde, jedenfalls auf dem Papier.
Martin Ebner
Links (last update: 05.09.2017):
- MoneyMuseum Zürich: www.moneymuseum.com
- Die SIS ging 2008 in der SIX-Group auf. Die Wertpapier-Sammlung wurde in der Folge von Olten nach Zürich verlegt und ist seit Juni 2017 als „Schweizer Finanzmuseum“ zu sehen: www.finanzmuseum.ch
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Foto: Alfred Escher, Hermes and Robert Comtesse: famous, though somewhat dubious historical characters greet visitors at the entry of the Swiss Financial Museum in Zürich, Switzerland. Eniro de svislanda financa muzeo en Zuriko, Svislando. Installation am Eingang des Schweizer Finanzmuseums in Zürich: Alfred Escher, Wirtschaftsführer und Gründer der modernen Schweiz; Hermes, Gott der Händler und Diebe; Robert Comtesse, Politiker und Mitbegründer der Schweizer Nationalbank.