About: China’s real estate bubble
Pri: La ĉina merkato de domoj estas spekulativa blazo
Published, Aperis: d’Lëtzebuerger Land, 22.02.2013
Kann die chinesische Immobilien-Blase nicht platzen, weil sie nicht platzen darf?
„Ehemann gesucht – Bewerbung mit Foto der Wohnung!“ So ist der Heiratsmarkt in China: Auf 100 Frauen kommen 120 Männer, da gibt keine Mama ihre Tochter her, wenn der Bräutigam kein eigenes Heim mitbringt. Xiaobo Zhang, Professor an der Universität Peking, macht das „Schwiegermutter-Syndrom“ für bis zur Hälfte der chinesischen Immobilien-Preissteigerung der letzten Jahre verantwortlich, geschätzte 6 Billionen Euro. Auf dem Land muss es ein dreistöckiges Haus sein, sonst fangen Heiratsvermittler gar nicht erst an. In Dörfern werden daher viele Gebäude um eine Etage aufgestockt, die dann ebenso leer bleibt wie der Rest des Hauses – das junge Paar zieht in die Stadt.
China ist anders! Das meinen Optimisten, die erwarten, dass der Immobilienboom im Reich der Mitte anhält. Wegen seiner Kultur. Weil die Urbanisierung dort noch Millionen Menschen in die Städte spült. Weil Chinesen außer Beton keine Anlagemöglichkeiten haben. Weil China enorm gewachsen ist und deshalb auch weiter wachsen wird. Weil die Chinesen nicht im Ausland verschuldet sind. Weil China aus seinen Problemen herauswachsen wird. Weil die Kommunistische Partei alles so kompetent im Griff hat. Weil man einfach daran glauben muss.
Weniger romantische Ökonomen halten China für ein Land mittleren Einkommens, das – wie die Sowjetunion um 1950 oder Japan ab 1960 – durch hohen Input ein hohes Wachstum erreichte: Billige Arbeitskräfte, billiges Land und billiges Kapital trieben anfangs die Wirtschaft an. Der Export billiger Waren brachte Geld, gleichzeitig drückte der Staat die Sparzinsen unter die Inflationsrate – riesige Summen wurden deshalb in Infrastruktur und Immobilien gesteckt. Erzwungener Konsumverzicht befeuerte eine historisch einmalige Bau-Orgie. Nun aber stößt dieses Wirtschaftsmodell an seine Grenzen. Zur Überwindung der Finanzkrise pumpte die chinesische Regierung ab 2009 mehr als 500 Milliarden Euro in die Wirtschaft. Damit wurden ungeheure industrielle Überkapazitäten errichtet, vor allem aber leerstehende Häuser, dösende Einkaufszentren, stille Flughäfen, Autobahnen ins Nichts.
Woran erkennt man eine Immobilien-Blase? Meist erst daran, dass sie platzt. Bereits davor gibt es aber Anzeichen: Außer Saudi-Arabien ist China das einzige Land, dessen Zementverbrauch in keinerlei Verhältnis zum Pro-Kopf-Einkommen steht. Von der Mongolei im Norden bis zur Insel Hainan im Süden kann man tagelang durch neue Geisterstädte wandern. Oft blättern Putz und Fliesen schon wieder von den Wänden: Qualität spielte beim Bau keine Rolle. Schon deshalb nicht, weil die Käufer nie die Absicht hatten, selbst einzuziehen. In den Großstädten wurden bis zu 40 Prozent aller Wohnungen nur zu Spekulationszwecken errichtet, meist sind sie leer. Die Manager von Staatsbetrieben werden nicht für Profite befördert, sondern für das Erreichen von Tonnen- und Wachstumszielen. China baut, um zu bauen.
Die genaue Leerstandsquote ist ein gut gehütetes Geheimnis. Beamte, die sich mit ihrem regulären Gehalt nicht einmal eine einzige Wohnung kaufen könnten, geschweige denn 20 oder 30 (was vorkommt), beschäftigen „Haussitter“, die ab und zu Licht einschalten, Wasser aufdrehen und für einen bewohnten Eindruck sorgen. Das reichste Prozent der Bevölkerung, das rund 80 Prozent allen Vermögens besitzt, verjubelt seine Spekulationsgewinne mit Audis, Prada-Taschen oder im Casino in Macao. Derweil wird Wohnraum für Normalchinesen unerschwinglich: Die Ratingagentur Moody’s rechnet, dass eine Angestelltenfamilie in Peking für eine gewöhnliche 100-Quadratmeter-Wohnung 25 bis 40 Jahreseinkommen hinlegen muss. Das sei ein Alarmsignal, denn selbst in New York City sei dieses Verhältnis nie über 10:1 gestiegen. Nach offiziellen Statistiken verdienten chinesische Städter im Jahr 2011 im Schnitt 250 bis 550 Euro im Monat; ein Quadratmeter Wohnung in guten Lagen war ab rund 3000 Euro zu haben.
Für Übertreibung spricht auch, dass nun praktisch alle chinesischen Firmen im Immobiliengeschäft mitmischen, direkt oder über Tochtergesellschaften. Diesen Januar fing zum Beispiel die Broad-Group, die bislang Klimaanlagen fertigte, in der Provinzstadt Changsha den Bau eines 220-Stockwerke-Wolkenkratzers an, der bis Mai auf 838 Meter wachsen soll – das höchste Gebäude der Welt. Gehässige US-Analysten sehen in „Deppen aus Düsseldorf“ ein böses Omen, in deutschen Fonds, die in China Häuser erwerben.
Wie es sich für eine Immobilien-Blase gehört, geht auch die chinesische Hand in Hand mit einer Kredit-Blase. Private Wohnungskäufer zahlen zwar meist bar und verschulden sich allenfalls bei ihrer Familie. Für Staatskonzerne ist Geld ebenfalls kein Problem, denn ihre Kredite werden ständig verlängert, gerne auch zu neuen Konditionen oder zinslos; die faulen Kredite der vier großen Staatsbanken „verschwinden“ dann in Bad Banks oder werden ins Ausland verkauft. Kleinere Firmen haben jedoch keinen Zugang zu diesen „immergrünen“ Darlehen. Immobilien-Entwickler, Baufirmen und Lokalregierungen stecken bei Schattenbanken tief in der Kreide. Da sind schon mal 180 Prozent Zinsen pro Jahr fällig. Die Bankenaufsicht CBRC nennt diesen undurchsichtigen, explosionsartig wachsenden Sektor „Social Financing“. Dazu gehören Kredithaie, Pfandleiher, Wucherer, vor allem aber Trusts, die so genannte „vermögensbildende Produkte“ verkaufen.
Das läuft ungefähr so: Eine Stadt baut die Wohnanlage „Shangri-La“. Den Kredit dafür reicht die Bank an einen Trust weiter, so bleibt die eigene Bilanz sauber. Der Trust wandelt den Kredit in eine Unternehmensanleihe um oder verquirlt ihn mit anderen Assets zu einem „wealth management product“ (WMP) namens „Golden Dragon“. Ein netter Bankangestellter verkauft „Golden Dragon“-Anteile an den Kleinsparer Wang, auf eigene Rechnung, also ohne Haftung der Bank. Herr Wang liest nicht gerne Kleingedrucktes; er freut sich über die hohen Zinsen seiner risikolosen Geldanlage. „Shangri-La“ ist übrigens ein leerstehendes Hochhaus an einem Feldweg nahe Tibet. Es wird ganz bestimmt einmal sehr profitabel. Spätestens in 10 Jahren, wenn die Industrie von den Häfen der Ostküste ins verkehrsgünstige Hinterland umzieht, wie von der Regierung gewünscht. Bis dahin kommen die Ausschüttungen an Herrn Wang aus den Einlagen neuer Investoren.
Xiao Gang, der Vorstandsvorsitzende der Bank of China, äußerte unlängst die Vermutung, die WMPs könnten ein „Ponzi-Spiel“ sein. Edward Chancellor von der US-Vermögensverwaltung GMO weist auf ihr großes Volumen hin: geschätzte 300 Prozent des chinesischen BSP. Auf das rasante Wachstum. Und auf die kurzen Laufzeiten: Jedes Quartal müssten derzeit WMPs für rund 400 Milliarden Euro refinanziert werden – das sei ein hohes Rollover-Risiko, eine hohe Abhängigkeit von der Marktliquidität.
So lange die Menschen daran glauben, ist ein Schneeball-System sehr gemütlich. Warum sollten sie nicht vertrauen? Ab 1989 wurde in China der Immobilienhandel freigegeben. Die Preise starteten auf einem lächerlich niedrigen Niveau, zuweilen gab es Wohnungen sogar gratis – und seither kennen sie nur eine Richtung: aufwärts. Zum Beispiel in Peking: seit 2003 plus 800 Prozent. Chinesische Immobilienpreise können gar nicht fallen. Weil sie nicht fallen dürfen. Schon deshalb nicht, weil in China praktisch alle Kredite mit Land, Häusern oder Baumaschinen „besichert“ sind. Als im Frühjahr 2012 Händler für Wohnungen hohe Rabatte gaben, weil sie Geld brauchten, zerlegten aufgebrachte Altkäufer, die für baugleiche Appartements ihre Lebensersparnisse zusammengekratzt hatten, mehrere Showrooms in kleinste Teile.
Die KPCh fürchtet nichts mehr als eine Revolution. Seit 2010 versucht sie, den Wohnungsmarkt „sanft“ abzukühlen. Etwa durch höhere Hypothekenzinsen, Verbot von Zweitwohnungskäufen und Pilotprojekten zu Immobilien-Steuern. Bis 2015 sollen auch 36 Millionen Sozialwohnungen gebaut werden. Die Lokalregierungen, die sich überwiegend durch Landverkäufe finanzieren, sollen dafür Boden bereitstellen und ihren eigenen kommerziellen Immobilienprojekten Konkurrenz machen. Wer’s glaubt.
„Nackte Beamte“ sind da wohl skeptisch. Laut der auslandschinesischen Zeitung „Epoch Times“ gibt es von ihnen mehr als 1 Million; sie heißen so, weil sie Familie und Geld ins Ausland geschafft haben und allein zu Hause sind. Die Kapitalflucht aus China wird für 2012 auf mehr als 1 Billion US-Dollar geschätzt. Obwohl sie legal pro Kopf und Jahr nur 50.000 US-Dollar mitnehmen dürfen, jagen reiche Chinesen Immobilien in Amerika, Australien, aber auch in London und Berlin. In Hongkong haben Käufer vom Festland in den letzten vier Jahren für eine Verdoppelung der Wohnungspreise gesorgt. Ein Auto-Stellplatz kostet dort jetzt im Schnitt mehr als 60.000 Euro; der Rekord waren bisher 300.000 Euro. Die Chinesen richten in Hongkong sogar eine Parkplatz-Blase an.
Martin Ebner
Links (last update: 27.04.2014):
China ist ein Lieblingsthema des Blasen-Ökonomen Jesse Colombo: www.thebubblebubble.com/china-bubble
Sehenswerter Film des australischen Senders SBS zu Chinas Geisterstädten: www.sbs.com.au/dateline/story/related/aid/371/id/601007/n/China-s-Ghost-Cities
Zu chinesischer Architektur und Stadtplanung siehe auch:
Der Hutong fängt die Sonne ein – Die Idee des Wohnhofs: aus China nach Radolfzell – und vielleicht wieder zurück
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Foto: New quarter in Haikou, China; Novaj domoj en Haikou, Ĉinujo; Neubauviertel in Haikou, Insel Hainan, China