About: Working conditions of journalists in Belarus
Pri: Laborkondiĉoj de ĵurnalistoj en Belorusujo
Sponsor, Sponsoro: Bundeszentrale für politische Bildung
Published, Aperis: journalist, 07/2003
Vom Arbeitslager zum Botschaftsempfang
Journalisten, die bei unabhängigen Medien in Weißrussland arbeiten, haben gute Chancen, von westlichen Organisationen Auszeichnungen zu bekommen. Oder nach einer Verwarnung des Minsker „Informationsministeriums“ im Gefängnis zu landen.
Was tun mit all den Schnauzbart-Diktatoren? Im Fall von Alexander Lukaschenko versucht es der Westen mit Zuckerbrot und Peitsche: einerseits dem weißrussischen Regime entgegenkommen, andererseits Pressefreiheit fordern. Einerseits haben im April die EU-Staaten und die USA das im vergangen Herbst verhängte Einreiseverbot für weißrussische Spitzenpolitiker wieder aufgehoben. Die OSZE akzeptiert Einschränkungen für die Arbeit ihrer neuen Mission in Belarus. Das Minsker Parlament mit seinen von Lukaschenko handverlesenen Abgeordneten wurde im Februar in die parlamentarische Versammlung der OSZE aufgenommen. Andererseits verurteilte die Menschenrechtskommission der UNO im April Belarus mit einer scharfen Resolution und forderte unter anderem die Freilassung von Journalisten, die „aus politischen Gründen festgehalten werden“. Zu Beginn des Jahres legte der Europarat erstmals einen Bericht zur „Meinungsfreiheit in den Medien Europas“ vor – und widmete darin einen ganzen Abschnitt Weißrussland: „Staatliche Repressionen, Verhaftung von Journalisten, wirtschaftliche und rechtliche Schikanen“. Am 3. Mai, dem „Tag der Pressefreiheit“, zählte das „Committee to Protect Journalists“ Belarus zu den zehn „schlimmsten Plätzen der Welt für Journalisten“. In Minsk laden westliche Botschafter verfolgte Medienschaffende zu Empfängen ein und halten herzerwärmende Reden über Pressefreiheit.
Versprechen und Drohungen vereint der „Belarus Democracy Act“, den das amerikanische Parlament seit März berät. Das Gesetz sieht vor, dass die USA in den kommenden zwei Jahren 40 Millionen Dollar für weißrussische „unabhängige öffentliche Kräfte“, das heißt Bürgerinitiativen und nichtstaatliche Medien, zur Verfügung stellen und weitere 5 Millionen Dollar für die weißrussischen Dienste von „Voice of America“ und „Radio Liberty“ ausgeben. Für den Fall, dass „die weißrussischen Behörden die Behinderung der freien Medien nicht aufgeben“, droht das Gesetz mit Sanktionen: Einreiseverbote für Lukaschenko und seine Entourage, Exportverbote für strategische Güter, Veröffentlichung von Daten zu Lukaschenkos Eigentum und Kürzung internationaler Finanzhilfe.
Preise und Auszeichnungen lenken ebenfalls die internationale Aufmerksamkeit auf die Lage der Medien in dem 10-Millionen-Einwohner-Land zwischen Polen und Russland: Am 9. Juni wird auf dem Welt-Zeitungskongress in Dublin der Weissrussischen Journalistenassoziation die „Goldene Feder der Freiheit 2003“ verliehen. Zur Begründung erklärt der Weltverband der Zeitungen (WAN), der unabhängige Journalistenverband kämpfe mit dem von ihm eingerichteten „Juristischen Zentrum zum Schutz der Medien“ mutig „gegen das wohl repressivste Regime in Europa. Viele seiner 900 Mitglieder sind verhaftet, geschlagen und wiederholt verfolgt worden. Ohne den außerordentlichen Widerstand dieser Organisation wären Informations- und Meinungsfreiheit in diesem Land wahrscheinlich völlig beseitigt worden“. Es sei erst das zweite Mal, dass die Auszeichnung nicht einzelnen Journalisten, sondern einer ganzen Gruppe verliehen werde: „Das erste Mal war 1969, als die Goldene Feder der ‚tschechoslowakischen Presse, die für ihre Freiheit kämpft‘ gegeben wurde.“
Die Zeit-Stiftung in Hamburg überreichte am 20. Mai neben einer russischen und einer ukrainischen Zeitung auch dem in Minsk erscheinenden Blatt „Belorusskij Rynok“ einen der drei mit 40.000 Euro dotierten Gerd-Bucerius-Förderpreise „Junge Presse Osteuropas“. Den „Sonderpreis für Journalisten“ von 10.000 Euro erhielt der Weißrusse Mikola Markewitsch, der 1992 die unabhängige Zeitung „Pagonja“ in Grodno gegründet hatte. Da „Pagonja“ schrieb, Lukaschenko könnte etwas mit dem unaufgeklärten „Verschwinden“ von oppositionellen Politikern und des russischen Kameramanns Dimitri Zawadsky vor drei Jahren zu tun haben, waren Markewitsch und sein Mitarbeiter Pavel Majeiko im Juni 2002 wegen Beleidigung des Staatspräsidenten zu 18, beziehungsweise 12 Monaten Zwangsarbeit verurteilt worden. Zwar hob ein Gericht am 4. März die Verbannung Markewitschs auf und er durfte zu seiner Familie nach Grodno zurückkehren. Da er aber weiterhin Berufs- und Ausreiseverbot hat, kam seine Frau Olga nach Hamburg, um den Preis entgegenzunehmen. Pavel Majeiko kam am 21. März wegen „guter Führung“ frei. „Pagonja“ wurde per Gerichtsbeschluss eingestellt und erscheint nur noch in einer Internet-Version; die Registrierung einer neuen Zeitung wird Markewitsch und seinen Mitarbeitern verweigert.
„Pagonja“ ist kein Einzelfall, betont Wjatscheslaw Chodossowskij, Vorstandsmitglied der Weißrussischen Journalistenassoziation und Chefredakteur von „Belorusskij Rynok“. Während die Staatszeitungen, allen voran „Sowjetskaja Belorussija“ mit einer Auflage von über 300.000, vom staatlichen Druck- und Vertriebsmonopol profitieren würden und Subventionen bekämen, würde die unabhängige Presse, die nur selten Auflagen von 30.000 erreicht, „immer konsequenter“ unterdrückt. „Von den 40 politischen Zeitungen wurden letztes Jahr 17 durch die Behörden geschlossen, rund die Hälfte! Weitere sind von der Schließung bedroht. Neue Zeitungen werden nicht registriert; die Behörden lassen Anträge einfach jahrelang unbearbeitet liegen. Das ist auch eine Tragödie für die arbeitslosen Journalisten.“
Auf elektronische Medien umsteigen können unabhängige Journalisten nicht, sagt Chodossowskij: „Die 182 in Belarus registrierten Sender, vor allem regionale Stationen, sind vollständig ‚gesäubert‘ und werden zu 100 Prozent vom Staat kontrolliert.“ Russischen Sendern, die sich nicht auf Musik und Unterhaltung beschränken, würden zunehmend die Frequenzen entzogen. Satellitenempfang und Internet gebe es fast nur in der Hauptstadt und sei für die meisten Weißrussen unerschwinglich. Natürlich treffe die Wirtschaftskrise und die allgemein abnehmende Kaufkraft auch die Journalisten: „Ihr Einkommen ist auf rund 200 Dollar pro Monat gefallen – vor drei, vier Jahren waren 500 Dollar ein normaler Verdienst“.
Sorgen bereitet der Journalistenassoziation auch das neue weißrussische Mediengesetz. Im Januar 2002 hatte „Informationsminister“ Michail Podgoiny in Straßburg bei einer Anhörung der Kulturkommission des Europarats versprochen, den Text dem Europarat vorzulegen. Seither hat der Europarat aber nichts mehr davon gehört, sondern lediglich erfahren, das Projekt werde von der weißrussischen Präsidialadministration geprüft und komme erst im Herbst 2003 vor das Minsker Parlament. Da das künftige Mediengesetz wie ein Staatsgeheimnis behandelt werde, gebe es viele Gerüchte, berichtet Chodossowskij: Etwa dass in Zukunft Internetseiten wie normale Zeitungen registriert werden müssten. Oder dass nicht nur das Informationsministerium, sondern auch Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft in der Provinz „Verwarnungen“ aussprechen, also Redaktionen mit Schließung bedrohen könnten. „Jedenfalls haben wir allen Grund zu befürchten, dass das neue Mediengesetz unsere Situation nicht verbessern wird.“
„Für uns ist es sehr wichtig, dass Informationen über Belarus im Westen erscheinen“, lobt Chodossowskij die Aufmerksamkeit des Auslands. „Sonst kann das Regime ohne Folgen machen, was es will. Zum Glück ändert sich jetzt die Situation mit dem EU-Beitritt der Nachbarländer – das Interesse an Weißrussland nimmt zu. Die westlichen Politiker müssen sich überlegen, welche Haltung sie zu unserem Land einnehmen.“
Martin Ebner
Foto (11.05.2003): „Woof!“ Cartoon from „Brestski Kurier“, Belarus. Boji beloruse: karikaturo el gazeto „Brestski Kurier“, Belorusujo. „Wau!“ Karikatur am Schwarzen Brett des „Brestski Kurier“, Weißrussland.