About: History of the ferry Konstanz-Meersburg accross Lake Constance.
Pri: Historio de pramoj Konstanz-Meersburg
Published, Aperis: Neue Zürcher Zeitung, 15.07.2003
75 Jahre Bodenseefähre Konstanz-Meersburg [2003]
Keine Werbung, keine Eröffnungszeremonie: fast heimlich fuhr am Morgen des 30. September 1928 die erste Fähre von Konstanz-Staad nach Meersburg. Der Misserfolg des waghalsigen Unternehmens schien vorprogrammiert. Dieses Jahr feiert Europas grösster Binnenschiffahrtsbetrieb einen Sommer lang Jubiläum.
Von der Welt verlassen fühlten sich die Konstanzer in der Zwischenkriegszeit. Der Bahnverkehr über die Gotthardroute liess ihre Stadt links liegen. Der Erste Weltkrieg hatte sie vom Schweizer Hinterland abgeschnitten. Die Reichsbahn hatte den Schiffsbetrieb drastisch eingeschränkt. Verzweifelt wurden Auswege gesucht: Den Flugplatz ausbauen? Den Hochrhein schiffbar machen? 1924 dachten der Hotelier Julius Augenstein und der Thurgauer Automobilclub laut über eine Bodenseefähre nach.
Die Stadtwerke Konstanz griffen die Idee auf und befragten die 600 Autobesitzer des westlichen Bodenseeraums. Von 70 abgegebenen Antworten waren 50 dafür: Bäckereien, Textilfirmen und die „Deutsche Bodenseezeitung“ wollten von Konstanz aus den Linzgau erschliessen. Dass zu den ersten Automobilisten auch Stadträte gehörten, brachte die Fähre 1926 mit nur einer Gegenstimme durch den Bürgerausschuss.
Auf der anderen Seeseite sah Karl Moll, Bürgermeister von Meersburg, im Autoverkehr eine Chance für seine Stadt ohne Bahnanschluss. Um Touristen anzulocken, hatte er Landwirte aus der Altstadt vertrieben und den Einwohnern Lektionen in Gastfreundschaft erteilt – tatkräftig unterstützte er nun das Vorhaben. Zunächst polemisierte er dagegen, „aus der Fähre ein Holz- und Kälberschiff für das hintere Salemer Tal zu machen“, denn der Nachbarort Uhldingen hatte ebenfalls Ambitionen und schlug eine Verbindung in die Mainauer Bucht vor. Erst als die Reichsbahn die Nutzung des Hafens Uhldingen verweigerte, stand Meersburg als Endpunkt fest.
Dass die Bahn den Konstanzer Hafen nicht öffnete, versteht sich von selbst. Der Neubau von Fährhafen und Zufahrtsstrassen in Staad und Meersburg trieb die Kosten in die Höhe. Dazu kam, dass die Stadt Überlingen und 28 Gemeinden des Linzgaus gegen die Fähre opponierten. Deshalb gab die badische Regierung nur ein Darlehen von 100.000 Reichsmark – 140.000 RM kostete aber allein das in Kressbronn gebaute Fährschiff „Konstanz“.
Zur Fasnacht 1927 kursierten „Verlustanteil-Scheine“ für die „Hypothekengondel“. In Konstanz forderten die Rechtsparteien die Einstellung des aussichtslosen Unternehmens; SPD-Bürgermeister Fritz Arnold brauchte all seine Rechenkünste, um darzulegen, dass die Liquidation teurer als die Fertigstellung käme. Da der Hafen Meersburg erst nach Saisonende provisorisch fertig wurde, wagten die Stadtwerke keinen Festakt. Den Betriebsbeginn kündigten nur kleine Zeitungsanzeigen an, trotzdem wurden am ersten Tag im Stundentakt 57 Autos und 584 Passagiere übergesetzt.
Die erste Binnensee-Autofähre Europas bewältigte die Vier-Kilometer-Strecke in 20 Minuten und ersparte pro Fahrt bis zu 15 Autos und 200 Personen einen Umweg von 65 Kilometern. Trotz Wirtschaftskrise befördert sie im ersten Jahr 48.000 Pkw und 300.000 Passagiere. Schon 1930 wurde ein zweites Fährschiff in Dienst gestellt. Die Zufahrten mussten „autogerecht“ werden – so kam Konstanz zu Asphaltstrassen und Verkehrsschildern. Die Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h wurde aber kaum kontrolliert, denn die Fähre warb in Zeitschriften von Autoclubs.
Die Nazizeit brachte ein Ende des zollfreien Zigarettenverkaufs auf den Fähren, weil 1934 der Überlinger See zum deutschen Gewässer erklärt wurde. Bald ging auch der Fremdenverkehr zurück. Die finanziell klamme Stadt Konstanz verhandelte mit der Reichsbahn über einen Verkauf der Fähre, geheim und ergebnislos. Verkehrsdirektor Erwin Hildenbrand regte 1940 zur Behebung der „verkehrstechnischen Notstände“ an: „Die beste Lösung wäre die hoheitsrechtliche Ausdehnung des deutschen Gebietes nach Süden“. Im Krieg wurden die Fährschiffe aber nicht zur Eroberung der Schweiz verwendet, sondern nur zur Erprobung von Waffen. Die Marine zahlte per Gutschrift zur Verrechnung nach Kriegsende, also nie.
Der Massenmotorisierung ab den 50er Jahren begegneten die Stadtwerke mit Ausbau der Fährhafen, grösseren Schiffen und durchgehendem Nachtverkehr. Josef Hund, dem Geschäftsführer der IHK Konstanz, war die Verdreifachung der Beförderungsleistung nicht genug: Vehement forderte er eine vierspurige Bodenseebrücke mit Autobahnanschluss. Sein Trassierungsvorschlag über die Insel Mainau hinweg erboste nicht nur Umweltschützer. Um 1985 wurden Hunds Pläne genauso zu den Akten gelegt wie die Entwürfe gigantischer Grossraumfähren.
Heute befördern sieben Fähren im Jahr 1,6 Millionen Autos und 5,3 Millionen Menschen. Eine weitere Fähre ist in Kressbronn gerade in Bau. Der Fährbetrieb beschäftigt 150 Mitarbeiter und wirft, obwohl für den Alpenblick nicht eigens kassiert wird, genug Gewinn ab, um das Millionen-Defizit der Konstanzer Stadtbusse auszugleichen. Dieses Jahr übernehmen die Stadtwerke sogar von der Deutschen Bahn die Bodensee-Schiffsbetriebe.
Gefeiert wird das Jubiläum mit einem Volksfest am Juli und einer Ausstellung, die zeigt, wie eine einst idyllische Randregion unter die Räder kam. Nicht abgeschlossen wird die Restaurierung der ersten, 1963 pensionierten Fähre, die der Verein „Rettet die MEERSBURG ex KONSTANZ!“ betreibt. Immerhin steht das Gefährt, das unter der neuen Konstanzer Rheinbrücke liegt, als erstes Schiff Baden-Württembergs unter Denkmalschutz. So bleibt ihm das Schicksal der „Konstanz II“ erspart: Sie verkam nach ihrer Ausmusterung und jahrelanger Irrfahrt über den Bodensee zum Rosthaufen, wurde von Schweizer und österreichischen Behörden hin- und hergeschoben und 1995 in Fussach verschrottet.
Martin Ebner
Info (last update: 03.05.2014):
Die allererste Konstanzer Fähre wurde restauriert und fährt wieder:
www.historische-faehre-konstanz.de/
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Foto: Ferries on Lake Constance crossing in front of Swiss mountain Säntis; Pramoj apud Meersburg, Germanujo; Bodenseefähren mit Säntisblick.