About: Researcher Christine Cooper investigates relicts of the Swiss-German battle at Dornach in 1499.
Pri: Sciencistino Christine Cooper esploras restaĵojn de la batalo en Dornach (Svisoj kontrau Germanoj, en la jaro 1499).
Published, Aperis: Stuttgarter Nachrichten (†), 04.07.2009
Totenschädel beweisen: in der Schlacht von Dornach kannten die Eidgenossen keine Gnade
Fesch war das Heer, das König Maximilian am 16. Juli 1499 mit wehenden Bannern vor Konstanz antreten ließ: 2.500 Reiter, darunter der Herzog von Württemberg, 10.000 Fußknechte aus ganz Süddeutschland, verstärkt durch Dänen und Kärntner, Holländer und Ungarn und andere Söldner des Reichsheeres. Die feindlichen Eidgenossen beeindruckte der Aufmarsch allerdings kaum: Da sich die Anführer des Schwäbischen Bundes zerstritten, feuerte die Streitmacht nur ein paar Schüsse ins Grüne und löste sich dann in kleinere Haufen auf. Eine Woche nach der pompösen Parade war der Schwabenkrieg entschieden. Und ein beträchtlicher Teil der schwäbischen Soldaten lag tot auf dem Dornacher „Bluethübel“.
Was in Beinhäusern von der Schlacht in Dornach bei Basel erhalten geblieben ist, erforscht an der Universität Bern die Anthropologin Christine Cooper: „Für meine Doktorarbeit untersuche ich sämtliche Schädel und Knochen, die ich noch auftreiben konnte.“ Die 105 Totenköpfe und 33 Oberschenkelknochen sollen ein genaueres Bild der Geschehnisse liefern, erläutert die Wissenschaftlerin: „Die Schriftquellen berichten nur, wann irgendwelche Truppen wohin marschiert sind. Was aber tatsächlich in dem Getümmel geschehen ist, sagen uns nur die Schädel.“
Schön war das wohl nicht. Am 22. Juli 1499 wollte eine schwäbische Armee über Dornach nach Solothurn vorstoßen. Sie war sich ihrer Überlegenheit so sicher, dass sie bei ihrem Lager nicht einmal Wachposten aufstellte. Da griffen aus dem Dickicht überraschend Soldaten aus Bern, Zürich und Solothurn an. Sonst waren die Schwaben meist schleunigst davongerannt, wenn kriegserprobte Eidgenossen auftauchten. Für den Schwäbischen Bund kämpften viele Landsknechte ohnehin nur, weil sie gezwungen wurden; Rottweil zum Beispiel war mit den Eidgenossen verbündet gewesen, auch Konstanz hatte verzweifelt versucht, neutral zu bleiben. Diesmal aber dauerte der Kampf stundenlang – bis am Abend frische Truppen aus der Innerschweiz Schluss machten. Todesbilanz: rund 500 Eidgenossen und 3.000 Schwaben. Maximilians Kommandeur Heinrich von Fürstenberg war gleich zu Beginn gefallen. Der König erfuhr im Hauptlager zu Überlingen, dass die Eidgenossen auch den gesamten schwäbischen Tross, die Kriegskasse und alle Geschütze erbeutet hatten.
Bisher war man davon ausgegangen, dass damals die Kämpfer sehr jung in den Krieg zogen, vielleicht 20jährig. Christine Cooper hat aber herausgefunden, dass die meisten Haudegen über 30, nicht wenige sogar bis zu 70 Jahre alt waren. Besonders erstaunt die Forscherin die Zahl der Kopfverletzungen: „Es sind mindestens 4 pro Schädel, das kann aber auch bis zu 15 gehen.“ In der Schlacht habe man „nicht genau dosiert, ob ein Hieb schon langt, sondern im Zweifel lieber einen zweiten draufgegeben“.
Cooper kann Spuren von Verstümmelungen an Nase, Ohren und Augen nachweisen. Viele Verletzungen seien liegenden Opfern zugefügt worden, die bereits kampfunfähig waren: „Die Verwundeten sind nach der Schlacht erschlagen worden.“ Abkeulen des Schlachtfelds ist der Fachausdruck dafür. In Dornach gab es weder Rotes Kreuz noch Kriegschirurgie. Außerdem hatte die eidgenössische Tagsatzung beschlossen, grundsätzlich keine Gefangenen zu machen: Alle noch lebenden Feinde sollten „abgetan“ werden, so wie es der frommen Altvorderen Brauch gewesen sei. Vor diesem Befehl hatten sich oft Landsknechte mit Gefangenen eigenmächtig vom Schlachtfeld entfernt, um Lösegeld-Geschäfte anzufangen.
Feuerwaffen spielten in Dornach noch keine Rolle, berichtet Cooper: „Die Büchsen verbreiteten wohl nur Schall und Rauch.“ Festgestellt hat sie vor allem Hiebe von Schwertern und Hellebarden. Dagegen hätten Helme gut schützen können. Anscheinend konnten sich aber viele Schwaben keinen Helm leisten – oder kamen bei dem Überfall nicht mehr dazu, ihn anzulegen.
Vom Zeughaus Solothurn hat sich Cooper alte Schwerter ausgeliehen und einen Schmied Kopien von Armbrustbolzen und anderen historischen Mordwerkzeugen machen lassen. Mit Hilfe eines vier Meter hohen Fallturms probiert sie diese im Berner Institut für Rechtsmedizin an mit Gelatine gefüllten Kunststoff-Köpfen aus. Die Einschläge werden mit Hochgeschwindigkeitskameras fotografiert, die Aufnahmen dann mit den Löchern der Originalschädel verglichen. Nun ist zum Beispiel klar, dass die unhandlichen Langspieße von den Eidgenossen langsam, aber mit viel Kraft eingesetzt wurden – andernfalls wären die Spitzen nicht steckengeblieben, sondern hätten die Schädel gespalten. Die Experimente können auch zur Aufklärung moderner Fälle beitragen, ist Cooper überzeugt: „Hellebarden haben kaum mehr Bedeutung, aber die Ergebnisse sind allgemeingültig für Hieb- und Stichverletzungen.“
Den Schädeln lässt sich nicht ansehen, wo sie einmal zu Hause waren. Cooper ist sich aber sicher, dass es sich um Schwaben handelt: „Die Knochen sind verwittert und zeigen Spuren von Tierfraß.“ Schriftquellen berichten nämlich, dass nur die eidgenössischen Gefallenen ordentlich bestattet wurden. Bloß die Anführer der Schwaben wurden quasi als Trophäen in der Kirche von Dornach begraben. Die übrigen Eindringlinge ließ man – trotz Bitten von Angehörigen – an Ort und Stelle verwesen, erst ihre Skelette wurden in Beinhäuser überführt. Offensichtlich war das nachbarschaftliche Verhältnis gründlich zerrüttet. Dabei hatte alles nur damit angefangen, dass streitlustige Schwaben Rindviecher in Brautkleider gesteckt und den „Kuhschweizern“ über den Rhein zugerufen hatten, sie sollten zur Hochzeit kommen.
Schwäbisches Desaster
Die modernen Staaten Europas entstanden in einer schier endlosen Abfolge blutiger Kriege. Im Schwabenkrieg, in Deutschland auch Schweizerkrieg genannt, standen sich im Jahr 1499 der von den Habsburgern eigentlich gegen Bayern gegründete Schwäbische Bund und die zunehmend auf Unabhängigkeit vom Deutschen Reich bedachten Eidgenossen gegenüber. Die Kämpfe entlang der heutigen Schweizer Grenze von Südtirol bis zum Elsaß beschränkten sich meist auf wechselseitige Raubzüge, Brandschatzungen und das Massakrieren von Bauern. Große Schlachten mit Tausenden Toten gab es in Hard bei Bregenz, Schwaderloh bei Konstanz und Dornach bei Basel. Ergebnis: die Bewohner des alten Herzogtums Alemannien entfremdeten sich – für die einen bürgerte sich die Bezeichnung „Schwaben“ ein, „Schweizer“ für die anderen. Hauptverlierer war Konstanz, das zur Grenzstadt ohne Hinterland wurde. An die Gemetzel erinnern heute Denkmäler und Traditionsvereine, wie zum Beispiel die „Thurgauer Landknechte„. In Dornach wurde auf dem Schlachtfeld die „Kapelle zum elenden Gebein“ im Jahr 1874 für einen Bahnbau abgerissen; Schädel mit Schwerthieb-Spuren sind aber noch im Heimatmuseum Schwarzbubenland zu sehen.
Martin Ebner
Zu den deutsch-schweizerischen Beziehungen siehe auch:
- Schweizer vs. Deutsche: Haben Sie einen Kuhschwanz dabei?
- Dossier: Schweizerdeutsch: Thurgauer Ortsnamen-Krampf
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Foto (aus Südtirol): Suits of armor are not always protective. Kirasoj ne ĉiam helpas. Ritterrüstungen helfen nur bedingt gegen Angriffe.