Lingkor in Hüttenberg

Heinrich-Harrer-Museum: Ferne Welten im engen Tal

About: Museum in Carinthia dedicated to the Austrian explorer and adventurer Heinrich Harrer (the guy played by Brad Pitt in the movie „Seven Years in Tibet“).
Pri: Muzeo en Karintio por la aŭstra esploristo kaj aventuristo Heinrich Harrer.
Published, Aperis: Sonntag Aktuell (†), 01.02.2004


Heinrich Harrer, der Kärntner Tausendsassa: Die Eigernordwand erklomm er als Erster, den Himalaya kennt er wie seinen Rucksack. Was er von diesen Reisen mitbrachte, zeigt ein Museum in seinem Geburtsort Hüttenberg.


Der große Buddha überrascht Touristen, die im Hinterland der Kärntner Badeseen nicht mit exotischen Begegnungen rechnen. Wer von Klagenfurt aus an der Burg Hochosterwitz vorbeikurvt, am Fuß der Saualpe abbiegt und rund 20 Kilometer entlang der längst stillgelegten Bahnlinie in das enge Görschitztal hinauf fährt, erwartet weidende Kühe, alte Bauernhäuser, eine katholische Kirche, allenfalls noch eine Blaskapelle. Mit dem fernöstlichen Götterbild in den Felsen hoch über dem Ortseingang von Hüttenberg hat aber alles seine Richtigkeit; es wurde vom XIV. Dalai Lama höchstselbst gesegnet. Was es damit und mit der neuen Stahl-Pagode daneben auf sich hat, ist unten im Tal zu erfahren.

Die ehemalige Volksschule der abgelegenen 1800-Einwohner-Gemeinde Hüttenberg wurde zu einem Völkerkundemuseum umgebaut, auf das auch eine Großstadt stolz sein könnte. Dass hier auf 1000 Quadratmetern Zaubermasken, Giftpfeile, Ahnenschädel und über 4000 andere Exponate gezeigt werden können, ist Zufall: In Hüttenberg wurde 1912 Heinrich Harrer geboren. Der mittlerweile in Vaduz lebende Abenteurer und Entdecker ist vor allem wegen seiner durch Buch und Film weltberühmten „Sieben Jahre in Tibet“ bekannt. Auf 21 Expeditionen zum „Dach der Welt“, aber auch zu Urvölkern, die am Amazonas, in Neuguinea, Zentralafrika, Surinam, Alaska und anderswo vom Aussterben bedroht sind, hat Harrer eine riesige ethnographische Sammlung zusammengetragen. Einen Teil davon brachte er im Völkerkundemuseum Zürich unter; seinem Geburtsort vermachte er zusammen mit einem Bildarchiv von über 100.000 Fotografien, Landkarten und Zeichnungen den Rest.

Hüttenberg kann diese Schätze brauchen. Der Erzbergbau, vom dem der Ort seit Keltenzeiten gelebt hatte, wurde 1978 eingestellt – nun sind neben dem Schaubergwerk, urigen Hochöfen und einem Geologiezentrum weitere Touristenattraktionen höchst willkommen. 1982 wurde ein erstes, kleines Harrer-Museum eröffnet, zehn Jahre später zum 80. Geburtstag des Namensgebers das heutige große Haus. Außer den Ausstellungsstücken erlauben dort auch verschiedene Multimedia-Shows eine Weltreise auf den Spuren des Forschers, der über Indianer am Rio Xingu, Andamanen-Insulaner und andere „Naturvölker“ über 40 Dokumentarfilme gedreht hat.

Heinrich-Harrer-Museum in Hüttenberg
Heinrich-Harrer-Museum in der ehemaligen Schule von Hüttenberg

Im Mittelpunkt der Ausstellung steht Tibet. Zu bewundern sind zum Beispiel Fotos aus der Zeit vor der chinesischen Invasion, alte Rollbilder, der Kopfschmuck des Ministers Tsarong und der Prototyp einer von Harrer entwickelten tibetischen Schreibmaschine. Obwohl Harrer sich in Interviews immer wieder skeptisch über den Buddhismus-Boom im Westen äußert, wurde nicht nur eine tibetische Teestube, sondern auch ein buddhistischer Gebetsraum eingerichtet. Auf dem Prunksessel darf nur der Dalai Lama thronen, der manchmal zu Besuch kommt. Harrer hatte das spirituelle Oberhaupt der Tibeter Ende der 1940er Jahre beraten und dann auf der Flucht vor den Truppen der Volksrepublik China begleitet.

Der Dalai Lama hat auch im vergangenen Jahr den „Lingkor“ geweiht, den steilen tibetischen Pilgerpfad an der Felswand gegenüber dem Museum. Der „einzige Lingkor außerhalb Asiens“, ein Nachbau des Pilgerwegs um Lhasa, ist von einer Stupa am Eingang bis zur „Mani-Mauer“ am Ende im Uhrzeigersinn über rund 500 Treppenstufen zu begehen. Unterwegs sind Heiligendarstellungen, Ornamente, kunstvoll dargestellte heilige Silben und große Bilder des Guru Milarepa, seines Lehrers Marpa und seines Schülers Rechung zu sehen. Im Zeichen Tibets steht auch das „Fest der Kulturen“, das in Hüttenberg jährlich am 6. Juli den gemeinsamen Geburtstag des Dalai Lama und Harrers feiert: Tempelmusik, Rauchopfer, von Mönchen gestreute Sandmandalas und tibetisches Picknick mit Buttertee.

Der zuweilen von esoterischem Deppentum heimgesuchte, ansonsten aber friedlich-verträumte Alpenort zieht sich mit seinem Tibet-Engagement den Zorn der Volksrepublik China zu. Genervt von den Predigten über die Zerstörung von Kultur und Umwelt in Tibet, wettert in Peking die Nachrichtenagentur „Xinhua“ immer wieder gegen den „notorischen Nazi“ Harrer. Das Museum in Hüttenberg zeige „zahlreiche Exponate verdächtiger Herkunft“; Harrer habe sie von der Expedition übernommen, die Nazi-Deutschland 1938 nach Tibet geschickt hatte. Wie vielen Westlern vor und nach ihnen, diente das ferne, unbekannte Tibet auch den Nazis als Projektionsfläche für allerhand Fantasien. Eine Lieblingsidee von SS-Führer Heinrich Himmler war zum Beispiel, im „Kraft- und Weisheitszentrum“ des Himalaya seien reinrassige Ur-Arier zu finden.

In der biographischen Abteilung des Museums, die vor allem Harrers Erfolgen als Sportler und Bergsteiger gewidmet ist, werden diese Zusammenhänge nicht übertrieben detailliert geschildert. Harrer beteuert jedenfalls, außer einem Hitler-Empfang nach der Erstbesteigung der Eiger-Nordwand nichts mit den Nazis zu tun gehabt zu haben. Sein Beitritt zur NSDAP sei 1938 „ein großer Irrtum“, aber Voraussetzung für eine Lehrerstelle in Graz gewesen; seine SS-Uniform habe er nur zu seiner Hochzeit getragen; im übrigen sei er schon 1939 nach Indien abgereist und habe durch seinen Einsatz für bedrohte Völker seine Jugendsünden längst wieder gut gemacht. Die meisten Exponate seiner Tibet-Sammlung habe er Flüchtlingen für „einen fairen Preis“ abgekauft, wird Harrer in der Museumszeitschrift trotzig zitiert. Er werde auch gerne „ein Kultobjekt dorthin zurückbringen, woher es stammt und wohin es gehört“. Nämlich nach Abzug der chinesischen Besatzer: „Ich habe die Vision, daß Tibet eines Tages wieder frei sein wird.“

Martin Ebner

 

Heinrich-Harrer-Museum
Bahnhofsstr. 12, A-9375 Hüttenberg, Tel.: 0043-4263-8108-20
huettenberg.at


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Foto: Lingkor in Hüttenberg, Austria. Tibetstilaj konstruaĵoj en Hüttenberg, Austrujo. Eingang zum tibetischen Pilgerpfad in Hüttenberg, Österreich.

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