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Amtsdeutsch: Bitte recht menschenfreundlich

About: Attempts to make the language of German authorities more understandable for ordinary humans
Pri: Kiel fari la lingvon de germanaj oficistaroj pli kompreneble por ordinaraj homoj?
Published, Aperis: Südkurier, 10.07.2006


Stell‘ dir vor, du bekommst einen Brief aus dem Rathaus – und du verstehst jedes Wort! Dieser Wunschtraum mag unrealistisch klingen, an einer „bürgernahen Verwaltungssprache“ wird aber tatsächlich gearbeitet. Handbücher und Datenbanken sollen den grausigen Kanzlei-Stil beseitigen.

Beamte können ihre Worte durchaus sorgfältig wählen. Zum Beispiel schicken sie Untergebenen Akten „zur Kenntnis“, höhergestellten Wesen dagegen „zur gefälligen Kenntnisnahme“. Wenn es aber darum geht, Anliegen von Bürgern zu beantworten oder Vorschriften zu erläutern, versagen die Verwalter oft völlig: Sie mischen veraltete Floskeln mit Zitaten aus Gesetzen so zu einem unverständlichen Brei, dass kein Laie daraus schlau wird und verzweifelte Rückfragen den Behördenbetrieb aufhalten.

Zum Glück wird das Amtsdeutsch immer häufiger einer Bürgerverträglichkeitsprüfung unterzogen. Jedenfalls studieren immer mehr Beamte Ratgeber für verständliches Schreiben und besuchen Seminare zur Verbesserung ihrer Ausdrucksweise. So weit wie in Holland sind sie hierzulande zwar noch nicht: Bei der Stadtverwaltung Utrecht mahnt auf Kaffeebechern der Slogan „Schreib normal – mach dich nicht lächerlich!“ In Den Haag können Bürger unverständliche Briefe ans Rathaus zurückschicken, ein Ombudsmann entscheidet dann, ob sie neu verfasst werden müssen. Wortungetüme wie „Rechtsbehelfsbelehrung“ werden aber auch von deutschen Bürokraten zunehmend ersetzt, etwa durch ein schlichtes „Ihre Rechte“.

Meist sind es einzelne Behördenchefs, die ihre Ämter auf Trab bringen. In Harburg etwa verdonnerte der Landrat alle Beamten der Kreisverwaltung, die Bescheide verfassen, zu einer Schulung bei einem Kommunikationsberater. Die Unterlagen fanden so guten Anklang, dass sie nun als Buch mit dem Titel „Flotte Schreiben vom Amt“ verkauft werden. In Bochum ließ sich die Stadtverwaltung Formulare von Germanisten auf Verständlichkeit trimmen. Das nordrhein-westfälische Landesamt für Besoldung beauftragte die Verwaltungshochschule Speyer, eine „bürgernahe Verwaltungssprache“ zu entwickeln. Dem gleichen Ziel dient ein Handbuch, das vom Bundesverwaltungsamt schon seit ein paar Jahren verteilt wird und „vielen Menschen Ärger, Aufregungen, schlaflose Nächte und gesundheitliche Beeinträchtigungen ersparen“ will.

Die Anregungen für menschenfreundliches Schreiben sind auf den ersten Blick leicht zu verwirklichen: Amtston vermeiden, aktiv statt passiv, konkret statt abstrakt formulieren, Verben statt Nomen verwenden, Sätze nicht überfrachten, Fachausdrücke erklären und obskure Abkürzungen vermeiden. Empfohlen wird auch eine übersichtliche Gliederung: Die Hauptaussage eines Briefs an den Anfang stellen, die dazugehörenden Paragraphen an den Schluss. Und alles Überflüssige einfach weglassen.

Warum wimmelt es trotz dieser guten Vorsätze immer noch in vielen amtlichen Texten von unverdaulichen Schachtelsätzen und Wortmonstern wie „Abstandsbaulasterklärung“? Manfred Zach, ehemaliger Regierungspressesprecher in Baden-Württemberg, sieht dafür zwei Gründe: Nach langen Jahrhunderten Obrigkeitsstaat entwickle die Verwaltung nur langsam eine demokratische Service-Orientierung, außerdem müssten Behörden geltende, oft uralte Gesetze anwenden. Peter Heinrich von der Verwaltungshochschule Berlin verweist ebenfalls auf die zähe Tradition, das heißt die „tief sitzende Misstrauenskultur“ der Beamten: Beim Schreiben würden sie nicht an die Empfänger, sondern an ihre Vorgesetzten und eventuell drohende Gerichtsverfahren denken – und deshalb versuchen, sich mit einem konservativen Sprachgebrauch abzusichern.

Hans-Rüdiger Fluck und Michaela Blaha, Linguisten an der Uni Bochum, sind optimistischer: Wenn Verwalter die Verständlichkeit oft vernachlässigen, liege das einfach an der „Hektik des Alltags“. Zur Abhilfe haben sie im Juni einen „Internet-Dienst für eine moderne Amtssprache“ gestartet: eine Datenbank mit allgemeinverständlichen, aber juristisch stichfesten Alternativformulierungen und eine Hotline für schwierige Textfragen. Bisher beteiligen sich an dem Projekt 16 Verwaltungen, zum Beispiel die Stadt Wiesloch.

Gegen absichtliches Vernebeln werden allerdings die besten Arbeitshilfen nichts ausrichten. „Der größte Feind der klaren Sprache ist Unaufrichtigkeit“, bemerkte der Schriftsteller George Orwell: „Wenn die deklarierten Ziele nicht die echten sind, greift man instinktiv zu langen Worten. So wie ein Tintenfisch Tinte spritzt.“

Martin Ebner

Infos (last update: 04.05.2014):

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