Porsche tractor

Autodesign: Stromlinien aus Baden-Württemberg

About: Streamline design for cars was invented in Baden-Württemberg, Germany
Pri: Historio de dezajno por aŭtomobiloj
Published, Aperis: Südwestpresse, 22.02.2003


Flossen auf dem Autodach

Die Stromlinie kommt ursprünglich aus Baden-Württemberg

Tüftler aus Schwaben haben der Welt nicht nur die ersten Autos beschert, sondern auch dafür gesorgt, dass die Vehikel elegant daherkommen. Das zeigen Ralf Kieselbach und Hans-Erhard Lessing in „Faszination der Form“, einer Gesamtschau über hiesige Autogestalter und Prototypen, Firmen und Fahrzeughersteller, über Stilrichtungen und Moden. Obwohl viele vergilbte Konstruktionspläne und alte Modelle „in echt schwäbischer Gründlichkeit als ‚Platzfresser‘ frühzeitig entsorgt“ und auf den Müll geschmissen wurden, haben die beiden Liebhaber geschwungener Formen beeindruckend viele historische Dokumente ausgegraben.

Schon um 1913 begann man bei NSU in Heilbronn und Neckarsulm an die Verringerung des Luftwiderstandes zu denken und mit eiförmigen Limousinen zu experimentieren, vor allem um auf den damaligen Straßen die verheerende Staubwirbelschleppe hinter dem Auto loszuwerden. Zunächst aber wurden rundliche, gewölbte Formen als Kuriosum belächelt.

Um so wuchtiger setzten sich in den 30er Jahren aerodynamische Linien als Welt-Trend durch für alles, was fährt. Nicht nur Rennwagen wurden als Tropfen gestaltet, sondern zum Beispiel auch der „Magirus-Stromlinien-Omnibus“, der 1936 in Ulm geplant wurde und laut Werbeplakat „vierzig ganz bequeme Sitze in Fahrtrichtung“ bieten sollte. Kässbohrer stand dem nicht nach und entwickelte für die neuen Autobahnen eine Kreuzung von Haifisch und Flugzeug: einen Bus mit großer Heckflosse und seitlichen Stummelflügeln. Den Landwirten wurde der Zeitgeist mit eleganten Porsche-Traktoren nahe gebracht.

Wenn man die Stromlinie einem Erfinder zuschreiben will, dann dem Flugzeugkonstrukteur Paul Jaray, der in Friedrichshafen arbeitete. Als nach dem Ersten Weltkrieg die Siegermächte den Flugzeugbau verboten, wandte er sich Autos zu: Er verschmolz zwei nach vorn bauchige und nach hinten ablaufende Flügelformen zu einem „Tropfen“. Da sich zu dieser Zeit allerdings kaum jemand für geringeren Benzinverbrauch oder höhere Geschwindigkeiten interessierte, konnte der Stromlinienpionier seine Patente kaum vermarkten. Immerhin vergab er eine Lizenz an die tschechischen Tatra-Werke, und bei der ehemaligen Kutschenbaufirma Wendler in Reutlingen entstanden spektakuläre Demonstrationswagen.

Mehr Erfolg hatte Reinhard Freiherr Koenig-Fachsenfeld, der Jarays Entwürfe weiterentwickelte. Der Stuttgarter Baron interessierte sich für Aerodynamik zunächst vor allem deshalb, weil er sich einen schnellen Maserati oder Bugatti nicht leisten konnte, aber trotzdem Rennen fahren wollte. Als 1932 ein von ihm zigarrenförmig gestalteter Mercedes-Rennwagen auf der Avus-Strecke einen moderneren, eigentlich stärkeren Alfa-Romeo besiegte, jubelte die deutsche Presse. Bei Aufträgen für Busse entdeckte der Freiherr im Windkanal die Vorteile des „abgeschnittenen Hecks“ gegenüber dem lang und spitz ablaufenden „Schwanz“ nach Jaray-Art.

Das Patent  für die neue Hecklinie übertrug Koenig-Fachsenfeld dem 1930 in Stuttgart gegründeten Kraftfahrtforschungsinstitut FKFS. Dessen Leiter, Wunibald Kamm, entwarf damit radikal glatte, runde und kotflügellose Versuchswagen mit minimalem Luftwiderstandswert. Um diese futuristischen Gefährte bei Seitenwind zu stabilisieren, wurden ihnen Flossen aufs Dach montiert. Nach dem Krieg bemühten sich die Besatzungsmächte um Kamms Forschungsergebnisse: Der Professor wurde zu einem mehr oder weniger freiwilligen Lehrauftrag in die USA verfrachtet; die Franzosen ergatterten den Versuchswagen „K4“ und zerlegten ihn. Heute ist das Stumpfheck allgemein verbreitet. Der in Neckarsulm gefertigte Audi A2 soll den Kammschen Ansatz besonders deutlich zeigen.

Ferdinand Porsche ist zu verdanken, dass auch die breite Masse in den Genuss von Stromlinien kam. Sein Konstruktionsbüro in Stuttgart entwarf alles mögliche: Weltrekord-Rennwagen, Panzer, Industriemotoren und Traktoren. Ab 1931 arbeitete Porsche an einem tropfenförmigen Kleinwagen, der dank modernster Großserienfertigung preisgünstig und bei geringem Verbrauch relativ schnell sein sollte. NSU und Zündapp fertigten erste Prototypen – die deutschen Autofirmen winkten ab.

Porsche gelang es jedoch, Adolf Hitler von seinem Konzept zu überzeugen. Die neue Reichsregierung beauftragte die NS-Organisation „Kraft durch Freude“ (KdF) mit der Herstellung des kleinen Flitzers. Bei Mercedes in Sindelfingen wurde für das nun staatliche Projekt eine Vorserie von 30 Stück gebaut, die dann zu erfolgreichen Versuchsfahrten durch den Schwarzwald gejagt wurde. 1938 war Porsches Kleinauto serienreif.

Da kein Unternehmen den KdF-Wagen herstellen wollte, stampften die Nazis im norddeutschen Flachland eigens dafür ein neues Autowerk aus dem Boden, samt der neuen Stadt Wolfsburg. Nach dem Krieg boten die Besatzer die Pläne der englischen Autoindustrie an. Da diese kein Interesse an dem Ei auf Rädern zeigte und die britischen Offiziere sich einen Erfolg nicht vorstellen konnten, erlaubten sie den Deutschen die Produktion. Als „Käfer“ wurde es eines der meistverkauften Modelle aller Zeiten.

Ob sich die Mercedes-Manager schabten, als sie sahen, welche Gewinne die Stromlinie für alle abwarf, ist nicht überliefert. Andererseits ist ja auch nicht einzusehen, warum alle Autos immer nur in Baden-Württemberg gebaut werden sollten.

Martin Ebner

Buch:
Ralf Kieselbach, Hans-Erhard Lessing: „Faszination der Form. Automobildesign in Baden-Württemberg“, Verlag J.B.Metzler, Stuttgart 2002

Siehe auch das Dossier: Oldtimer am Bodensee

NSU Quickly T
Das von 1959 bis 1963 gebaute „NSU Quickly T“ war den damaligen Straßenkreuzern nachempfunden (fotografiert im NSU-Museum Neckarsulm: www.zweirad-museum.de/ )

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About: The first cars had been motorized bicycles
Pri: La unuaj aŭtomobiloj estis bicikloj kun motoroj
Published, Aperis: d’Lëtzebuerger Land, 24.01.2003


Velociped statt Pferdekutsche

Technikgeschichte: Die ersten Autos waren motorisierte Fahrräder

Österreich, Nordkorea und eine Reihe weiterer, ernst zu nehmender Länder nehmen in Anspruch, Urheimat des Automobils zu sein. Bei einer Erfindung, die sozusagen in der Luft lag, ist das auch kein Wunder. Tatsächlich gefahren sind Motorvehikel, abgesehen von französischen Dampfwagen, die nach ein paar Metern in eine Mauer donnerten, jedenfalls zum ersten Mal in Baden-Württemberg. Also in dem deutschen Bundesland, dessen Bewohner heute noch vorzugsweise „beim Daimler“ arbeiten, sofern sie nicht Porsches, Magirus-Lastwagen, Käsbohrer-Busse oder Fahrzeugzubehör fabrizieren. In dieser Gegend zwischen Mannheim und Friedrichshafen haben der Technikhistoriker Hans-Erhard Lessing und der Designer Ralf Kieselbach alte Konstruktionspläne, Automodelle und Werbeplakate ausgegraben.

Ihre Suche brachte unter anderem die Erkenntnis, das Auto habe mehr mit dem Velo zu tun als mit der Kutsche: „Denn auf den Straßen war das Fahrrad das historisch erste individuelle Verkehrsmittel, das ohne Pferdegespann auskam, somit Pionier einer ganzen Fahrradkultur, von der die nachfolgende Automobilkultur nur zu erben brauchte. Die ersten Automobile waren mehrheitlich motorisierte Fahrräder, und die Zeitgenossen nannten sie zunächst auch so, nämlich ‚Fahrräder mit Kraftbetrieb‘.“ Viele Autohersteller fabrizierten zuvor Velos. Aus der Fahrradindustrie übernahmen sie zum Beispiel Stahlrohrrahmen, Kugellager, Kettenantrieb, Differential und den Pneu, aber auch Verfahren wie die Serienproduktion mit speziellen Werkzeugmaschinen, Blechpressen und Lichtbogenschweißmethoden.

Die ersten Zweiräder kamen aus Mannheim: Als im Hungerjahr 1816 Pferdehafer unerschwinglich wurde, baute der Mechanikprofessor Karl von Drais „Laufmaschinen“. Sie wurden bald als „velocipede“ international bekannt und ermöglichten Geschwindigkeiten von 13 km/h. Als der Haferpreis wieder fiel, war gegen die Pferdewirtschaft allerdings nichts mehr zu machen. Außerdem verboten übellaunige Obrigkeiten den ersten Radlern die Fußgängerwege und verwiesen sie auf die zerfurchte Fahrbahn der Fuhrwerke.

Nach Drais experimentierten einzelne Mechaniker weiter mit muskelgetriebenen Fahrzeugen, meist mit drei oder vier Rädern. Erst als Rollschuhe populär wurden, verschwand die Balancierangst, fürchtete das Publikum auch beim Zweirad nicht mehr den Verlust des Bodenkontakts. Neue Boulevards begünstigten in Paris das „vélocipède bicycle“, das auf der Weltausstellung 1867 vorgestellt wurde. In Frankreich und den USA wurde eine Fülle von Patenten erteilt, etwa für kugelgelagerte Achsen und kettengetriebene Hinterräder. Auch der spätere Automobilpionier Karl Benz trat in einen „Velociped-Club“ ein und jubelte: „Nach vierzehn Tagen hatte ich es erlernt. Wer war stolzer als ich! War das eine Sensation, als ich durch Mannheims Straßen pedalierte.“

Schon um 1869 gab aber das runde Dutzend deutscher Velo-Hersteller die Fertigung wieder auf. Neue Rollschuhbahnen boten den kontaktfreudigeren Sport, und der Deutsch-Französische Krieg 1870 brachte die Fahrradindustrie endgültig zum Stillstand. Dafür ging die Entwicklung in England weiter. Mit Stahldrahtspeichen von James Starley konnten immer größere Räder gebaut und folglich bei gleicher Trittstärke schneller gefahren werden. Rasch wurden Vollgummireifen und leichte Rahmen zum Standard. Queen Victoria kaufte ein Dreirad.

Als sich Hochräder auch in den USA ausbreiteten, wurden sie dort von Heinrich Kleyer entdeckt, der dann in Frankfurt eine eigene Fahrradfabrik gründete. Seine Räder verkaufte er zum Beispiel den Söhnen des Nähmaschinenfabrikanten Adam Opel, der prompt selbst in die Produktion des neuen Statussymbols einstieg. Karl Benz, der sich auf die Fertigung von Gasmotoren verlegt hatte, dachte eine Weile ebenfalls an die Produktion von Hochrädern. Dann baute er aber mit dem Maschinenhändler Max Caspar Rosé, Kleyers Vertreter in Mannheim, einen Motorwagen. Dieses Tricycle mit Petroleum-Motor und Drahtspeichenrädern von Kleyer machte 1885 die ersten Fahrten und erhielt ein Jahr später ein Deutsches Reichspatent – das erste Auto.

Zur gleichen Zeit erprobten in Cannstatt bei Stuttgart Gottlieb Daimler und Wilhelm Maybach ein hölzernes „Petrol-Reitrad“ mit einem schnelllaufenden Motor – und mit Stützrädchen, denn beide konnten nicht Rad fahren. Später baute Daimler seinen Motor auch in ein vom Stuttgarter Hofwagner Wimpff & Sohn gebautes Fuhrwerk ein, um die Zielgruppe der Kutschenhalter zu erreichen. Benz, der Daimler persönlich nie begegnete, wollte dem nicht nachstehen und brachte ebenfalls einen Motorwagen mit Kutschaufbau und Holzspeichenrädern heraus. Die konservative Kutschenfraktion blieb gegen diese Anbiederung jedoch immun, während sich die Fahrrad-Avantgarde nicht mehr angesprochen fühlte.

Erfolg hatte Benz erst mit einem kleineren Vierrad mit Fahrrad-Anmutung und dem Namen „Velo“, dessen Speichenräder wieder von Kleyer kamen. Bis 1902 wurden von diesem ersten Serienauto etwa 1200 Stück abgesetzt, vor allem in Frankreich. Daimler zog mit einem leichten Stahlradwagen nach. Peugeot kaufte die Lizenz und machte damit Benz schwer zu schaffen. Nach und nach entwickelte sich über verschlungene Wege aus quasi verdoppelten Fahrrädern und modifizierten Kutschen die heutige Wagenform.

Martin Ebner


 


Foto: Porsche tractor at a vintage vehicle event. In the 1950s these elegant tractors were built in Friedrichshafen, Germany; Porsche traktoro, fabrikita dum la 1950aj jaroj en Friedrichshafen, Germanujo; Porsche-Traktor beim Oldtimer-Treffen in Schienen. Diese eleganten Traktoren wurden in den 1950er Jahren in Friedrichshafen produziert.

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Texts of timeless beauty. Or at least some historical interest.