About: Is digitalization threatening banks?
Pri: Ĉu ciferigo minacas bankojn?
Published, Aperis: d’Lëtzebuerger Land, 22.11.2013
Wer hat Angst vorm schwarzen Phone?
Was kann ein Bankberater, was ein Handy nicht kann? In der schönen neuen virtuellen Welt sind Banken vielleicht bald ebenso überflüssig wie Buchläden oder Reisebüros. Als die Frankfurt School of Finance & Management im März eine Konferenz zur „neuen digitalen Macht der Kunden“ veranstaltete, war die Atmosphäre gespannt: Junge Internetfirmen machten den alten Nadelstreifenanzügen Angst.
„Die Großbanken sollten sich nicht allzu sicher sein, dass ihnen die Kunden treu bleiben, ohne einen wirklich guten Grund dafür zu haben“, droht im Begleitband Matthias Lamberti, der Gründer der Online-Anlageberatung Yavalu (Slogan: „Sparen Sie sich Ihren Berater“). Seit vielen Jahren würden die etablierten Banken darauf setzen, dass der Wechsel der Bankverbindung mit Aufwand verbunden ist. „Die fast schon arrogante Haltung nach dem Motto ‚Ihr kommt doch trotzdem‘ könnte sich bald rächen“, denn mittlerweile reichen ein paar Wischer übers Display: „Der Kunde kann sich im Zeitalter der Apps sein persönliches Netz an Leistungsanbietern selbst zusammenstellen. Services sind austauschbar wie nie zuvor.“
Weil das Bankwesen stark reguliert sei, eine starke Lobby habe und es um viel Geld gehe, würden sich da „Verhaltensweisen nicht so schnell ändern“, meint Robert Lempka, Mitbegründer der Schweizer Beteiligungsgesellschaft Next Generation Finance Invest. Nun führe aber der Vertrauensverlust im Gefolge der Finanzkrise dazu, dass „auch große und global tätige Finanzkonzerne mit bekannten Namen nicht mehr per se als stabiler als neue Anbieter angesehen werden“. Außerdem könnten sich Privatkunden zunehmend vernetzen und wollten sich nicht mehr schlechter als institutionelle Anleger behandeln lassen: Der Megatrend „Demokratisierung“ stehe noch ganz am Anfang, werde aber „die Finanzindustrie über viele Jahre prägen“. Lempka ist sicher: „Ohne Zweifel wird der Margen- und Kostendruck bei den etablierten Finanzdienstleistern weiter massiv zunehmen.“
Wozu überhaupt noch in eine der für teures Geld betriebenen Bankfilialen gehen? Falls man doch einmal Bargeld braucht, holt man es sich an der Supermarktkasse, ansonsten wird per PayPal oder Google-Wallet gezahlt, Giro- und Tagesgeldkonten laufen gratis bei einer Direktbank wie Fidor, Kredite bekommt oder vergibt man bei Crowdfunding-Plattformen wie Smava, Beratung holt man sich aus Internetblogs, mit Aktien und CFDs zockt man bei Gekko, Fremdwährungen gibt’s bei Oanda und Staatsanleihen vielleicht bald bei Amazon, und dafür, dass bei all dem der Überblick nicht verloren geht, sorgen Dienste wie Mint.com oder Meniga. Für herkömmliche Banken wird es nach Ansicht des Frankfurter Professors Jürgen Moormann „insbesondere dann kritisch, wenn branchenfremde Anbieter die Kundenschnittstelle besetzen.“ Zusammen mit dem direkten Kundenkontakt „können ganze Produktlinien verloren gehen.“ Etwa wenn Mobilfunk-Anbieter gleich auch noch die Versicherung fürs Handy verkaufen.
„Mit dem Gehalts- und Girokonto übernehmen die neuen Player die wichtigste und oft einzige Verbindung des Kunden zu seiner Bank“, erwartet Karl Matthäus Schmidt, Vorstand der deutschen Honorarberaterbank Quirin. Nicht nur das Geld, auch die Kundendaten verschwinden: „Bisher hatten die Banken einen Informationsvorsprung vor den Kunden. Sie kannten deren Kreditwürdigkeit und manchmal die Lebensumstände, die Kunden jedoch waren im Unklaren über die Vertrauenswürdigkeit ihrer Bank.“ Heute dagegen „kann jeder Kunde dank digitaler Unterstützung sein eigener Banker sein“. Und wenn jemand alles über die Menschen weiß, dann ist das Google – Banker aber bekommen sie immer seltener zu Gesicht. „Fakt ist: sämtliche Finanzdienstleistungen sind komplett digitalisierbar“, betont Schmidt: „Klassische Banken werden mit ihrer verbliebenen ‚analogen‘ Kundschaft schrumpfen und schließlich untergehen.“
Internet- und Telekom-Unternehmen, Kreditkartengesellschaften, Handelskonzerne und zahlreiche Start-ups greifen die gesamte Banken-Wertschöpfungskette an, vom Zahlungsverkehr über Kreditvergabe und Beratung bis zur Vermögensverwaltung. Nach einer Studie, die Deutsche-Bank-Research im Februar veröffentlichte, verarbeiten Nichtbanken heuer bereits rund 8 Prozent aller bargeldlosen Überweisungen, also zum Beispiel die mit einer Banklizenz ausgestattete Ebay-Tochter PayPal. Umwälzungen verspricht auch die „Passbook“-Funktion, die Apple in Smartphones einbaut: eine elektronische Geldbörse, in der man heute schon Flugkarten, Bahntickets und Starbucks-Gutscheine aufbewahren kann. Apple soll derzeit übrigens 400 Millionen Kunden-Konten verwalten – die Deutsche Bank kommt auf rund 29 Millionen.
Kredite sind selbst bei Projekten über 100.000 Euro kein Bankenmonopol mehr. Weltweit gibt es mittlerweile gut 140 Crowdfunding-Plattformen. In Deutschland spielen sie mit einem Gesamtvolumen von etwa 4 Millionen Euro noch keine große Rolle bei der Unternehmensfinanzierung (netto insgesamt fast 130 Milliarden Euro). Besonders Start-ups, die keine Sicherheiten wie Grundstücke vorzuweisen haben, versuchen aber gar nicht erst, mit Banken ins Geschäft zu kommen. Lieber probieren sie es zum Beispiel mit Genussrechten bei Bankless24, vorbörslichen Aktien bei Bergfürst oder Nachrangdarlehen bei Seedmatch.
Für Mirko Schiefelbein von der Berliner Denkfabrik CORE ist auch Beratung keine Überlebensoption: „Bankberater verfügen über keinen glaubhaften Informationsvorsprung mehr.“ Die Banken könnten auch keine eigenen Online-Angebote dafür aufbauen, ohne das eigene Filialnetz zu kannibalisieren. Die Neulinge hätten dagegen nicht mit einer „bis zu 40 Jahren alten und historisch gewachsenen Technologiebasis“ zu kämpfen und könnten sich ganz unbelastet auf Nischen oder neue Geschäftsfelder spezialisieren.
Finanz-Start-ups kooperieren durchaus mit etablierten Banken, schon weil sie oft keine eigene Lizenz haben. Beispielsweise verbreitet iZettle seine Kreditkarten-Lesegeräte für Smartphones in Deutschland über die Volks- und Raiffeisenbanken. Apple lässt die Zahlungen für seinen Musikladen von der Deutschen Bank abwickeln. Dabei sieht Schiefelbein jedoch das Risiko, dass die Banken „als reine Netzwerkbetreiber an die Peripherie der Wertschöpfungskette gedrängt werden“. Soll heißen: wer bloß Backoffice-Arbeiten für andere erledigt, kann nur über den Preis konkurrieren und ist beliebig austauschbar. Als unlängst die Kreditplattform Smava ihre Partnerbank wechselte, hat das die Kunden wohl kaum interessiert. Wenn sie es überhaupt bemerkten.
Die etablierten Finanzinstitute sitzen in der Klemme, findet Lempka: Ein Zehntel des Preises mit einem Zehntel der Leute sei „mit starren Strukturen und hohen Fixkosten schlichtweg nicht abbildbar“. Zwar würden die Banken „nicht völlig tatenlos zuschauen“; Kooperationen mit Jungunternehmen würden meist aber „nicht prominent positioniert, sondern oft eher halbherzig und als Absicherung eingegangen, falls sich das betreffende Geschäftsmodell tatsächlich nachhaltig durchsetzt“. So bleibe das Risiko, „bei schnellen und massiven Veränderungen nicht vorne dabei zu sein“.
Professor Moormann empfiehlt „einen drastischen Perspektivenwechsel“: Nicht mehr dubiose Produkte mit viel Werbung in einen unwilligen Markt drücken, sondern sich „kundenzentriert“ weiterentwickeln zum „Unterstützer für verschiedene Lebenssituationen“. Für einen „ganzheitlichen“ Ansatz eigneten sich Themen, zu denen Banken alle Dienstleistungen aus einer Hand anbieten könnten, wie zum Beispiel Autokauf, Weiterbildung, Heirat oder auch Tod und Erbschaft. Vielleicht ungefähr so, wie das einschlägige Internetportale bereits vormachen. Suchmaschinen-Optimierung und QR-Codes im Schaufenster werden jedenfalls kaum reichen.
Martin Ebner
Link (last update: 06.05.2014):
Konferenzen der Frankfurt School: www.frankfurt-school-verlag.de/verlag/konferenz/
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Foto: Kaupthing bank in Reykjavik, Iceland. Fifama Kaupthing banko en Reykjavik, Islando. Der letzte macht das Licht aus? Kaupthing-Bank in Reykjavik, Island