Poster in Adelaide: Euro crash repairs

Geld-Zukunft: Zwischen Schwund-Kröte und Cyber-Euro

About: Digitalization and experiments with new currencies
Pri: Ciferigo kaj eksperimentoj kun novaj valutoj
Published, Aperis: Südwestpresse, 27.01.2007


Virtuelles Geld kommt nur langsam aus den Startlöchern. Zäh halten die Menschen an Münzen und Banknoten fest, die man mit Händen greifen kann. Dennoch treiben Computer und Internet nicht nur die Entmaterialisierung aller Werte voran, sondern erleichtern auch das Experimentieren mit ganz neuen, alternativen Zahlungsmitteln.

Häuslebauer nehmen Kredite in Yen auf, schwäbische Kleinsparer eröffnen Tagesgeldkonten bei einer türkischen Bank in Wien, Hausfrauen zocken mit Aktien-Optionen: Geschäfte, die einmal Sache von wenigen Profis waren, kann heute anpacken, wer will. Seit sich Guthaben und Zahlungsströme in elektronische Signale auflösen, müssen viele Bank-Angestellte ihre gewohnten Jobs aufgeben oder neu erfinden. Durch die Entwicklung der Informationstechnik sind Geldinstitute mindestens so bedroht wie Buchläden oder Reisebüros.

Sogar die Banken der Banken zittern: Wie sollen staatliche Zentralbanken die Geldmenge kontrollieren, wenn man zum Beispiel von Deutschland aus bequem online in den USA einkaufen und dabei von Konten in irgendeiner Steueroase abbuchen kann? Nicht einmal das Monopol der Bargeld-Ausgabe ist noch unbedingt wertvoll: Ein Computer oder ein Handy, viel mehr braucht es nicht mehr, um eine eigene Währung zu schaffen und in Umlauf zu bringen.

Zahlungsmittel herauszugeben, ist eine profitable Sache: Der Unterschied zwischen den niedrigen Kosten für Herstellung und Verwaltung des Geldes einerseits und seinem Nominalwert andererseits ist beträchtlich – und der Herausgeber streicht diesen Gewinn ein. Der Europäischen Zentralbank bringt die „Lizenz zum Gelddrucken“ Milliarden ein. Die Verlockung, sich an diesem Geschäft zu beteiligen, ist groß. Nicht umsonst waren früher auf den DM-Scheinen Strafandrohungen für Geldfälscher zu lesen.

Während aber jeder versucht, dubiosen 200-Euro-Noten aus dem Weg zu gehen, könnten neue Privatwährungen sogar attraktiver als das „echte“ staatliche Geld werden. Wer würde Euro (pro Jahr rund 2 Prozent Inflation) oder gar serbischen Dinar (zeitweise über 300 Millionen Prozent Entwertung!) nachjagen, wenn zum Beispiel DaimlerChrysler oder KarstadtQuelle inflationsfreie Wertaufbewahrungsmittel anbieten würden? Die Konzerne, die bereits eigene Banken betreiben, müssten sich nicht einmal mit dem Prägen von Münzen oder dem Drucken von Scheinen abplagen – virtuelles Geld tut’s auch. Bislang werden im Internet kursierende „Linden-Dollar“, „Gil“ oder „Star Wars Galaxies Credits“ zwar zuweilen durchaus für herkömmliches Geld gehandelt, dienen aber vor allem als Jetons für digitale Spielwelten ohne Bezug zur Realität. Das muss nicht so bleiben.

Durch Globalisierung und die rasante Beschleunigung der Geldströme ohnehin herausgefordert, haben Nationalbanken die drohende Konkurrenz privater Währungen schon früh erkannt. Bereits 1998 sorgte die Europäische Zentralbank dafür, dass elektronische Geld-Innovationen möglichst unter ihrer Fuchtel bleiben. „Elektronisches Geld“ sind nach der nun geltenden amtlichen Definition elektronisch gespeicherte „Geldeinheiten auf einem Datenträger, der sich im Besitz des Kunden befindet“ – also auf einer Computer-Festplatte (Netzgeld) oder einem Mikrochip (Kartengeld). Außerdem müssen diese Wert-Bytes auch von anderen Stellen als der ausgebenden für Zahlungen angenommen werden. Telefonkarten, Flugmeilen oder Bonuspunkte lassen sich meist nur beim ausgebenden Unternehmen einlösen, nicht überall – und gelten daher aus Sicht der Währungshüter nicht als Geld.

Wer legal E-Geld ausgeben will, muss im Euroland ein Eigenkapital von mindestens einer Million Euro nachweisen und unterliegt der herkömmlichen Bankenaufsicht, samt Meldepflichten und Geldwäsche-Kontrolle. Kredite dürfen E-Geld-Emittenten nicht gewähren; sie müssen garantieren, die E-Guthaben auf Wunsch ihrer Kunden jederzeit in klassisches Zentralbank-Geld umzutauschen.

Diese Hürden sind nicht leicht zu nehmen. Noch schwieriger ist es, allgemeines Vertrauen und Nutzer für neuartiges Geld zu finden.
Software-Entwickler, Verschlüsselungs-Spezialisten und andere Pioniere des digitalen Geldes schließen sich daher meist mit bereits etablierten Banken zusammen. Bislang half die geborgte Reputation allerdings wenig. Sogar Computerfreaks zahlen ihre Online-Käufe immer noch lieber über ihr altertümliches Girokonto oder gar per Nachnahme.

Die Deutsche Bank stellte 2001 die Ausgabe von „eCash“ wieder ein. Technisch waren diese „digitalen Münzen“ zwar perfekt und ebenso anonym zu gebrauchen wie traditionelles Bargeld, die Kunden aber wollten von einer elektronischen Brieftasche auf ihrer Computerfestplatte nichts wissen. Die virtuelle Konkurrenz „CyberCash“ wurde von Commerz-, Dresdner und anderen Banken schon im Jahr 2000 wieder aufgegeben. Neue Zahlungsverfahren, etwa via Handy oder Funkchip, sind lediglich neue Transportkanäle für konventionelles Geld.

Die vom Zentralen Kreditausschuss der deutschen Banken ausgegebene „GeldKarte“, aufzuladen mit E-Geld und gedacht für Kleinbeträge, konnte bislang Münzen und Scheinen ebensowenig den Garaus machen. Die meisten Deutschen besitzen zwar mittlerweile einen dieser Geldchips, die vor zehn Jahren erstmals in Ravensburg getestet wurden – ignorieren ihn aber. Immerhin nahm von 1994 bis 2002 der Anteil von „Plastikgeld“-Zahlungen (Kredit-, EC- und GeldKarten zusammen) am Einzelhandelsumsatz von 6 auf 30 Prozent zu.

E-Geld als digitalen Flop abzuschreiben, wäre jedoch verfrüht. US-Zentralbanker erwarteten zwar schon 1960 die „bargeldlose Gesellschaft“. Das dauert nun etwa länger. In den USA setzte sich Kartengeld erst ab 1995 flächendeckend durch; die Europäer hängen immer noch am Bargeld. Aus Sicht von Historikern schreitet die Entstofflichung des Geldes trotzdem rasend schnell voran. Die Vorstellung, dass „echtes“ Geld selbst einen Materialwert haben müsse, hatte sich nach der Erfindung der Goldmünze um 700 v.Chr. gut 2500 Jahre gehalten: In Deutschland wurde die letzte Erinnerung daran, das Fünf-Mark-Stück mit Silbergehalt, erst 1975 durch billiges Kupfer-Nickel ersetzt. Die Menschheit von Banknoten, Schecks und Aktien aus Papier zu überzeugen, benötigte ein paar weitere Jahrhunderte. Der nächste Abstraktionsschritt, die Umstellung der meisten Guthaben und Zahlungen auf unsichtbares Buchgeld, ging dagegen in wenigen Jahrzehnten über die Bühne – nicht zuletzt dank der bargeldlosen Gehaltszahlungen seit den 1960er Jahren. Der erste deutsche Bank-Automat, Mittler zwischen archaischen Scheinen und moderner EC-Karte, wurde 1976 in Stuttgart aufgestellt.

Geld-Neuheiten setzen sich allerdings nicht automatisch durch. Eine Rolle spielt zum Beispiel die Verteilung der Kosten. Zwar kann sich jeder Konsument denken, dass zerbröselnde Euro-Scheine, dubiose Geldtransporter und die Gehälter der 11.000 Bundesbanker nicht gratis sind. Doch auf den ersten Blick erscheint Bargeld billiger als ein PC-Kartenlesegerät. Nicht zu vergessen sind auch kulturelle Faktoren. Die Japaner zum Beispiel wehrten sich lange mit Händen und Füßen gegen Girokonten und Plastikkarten.
Warum? In Japan wird das Geld traditionell von den Männern verdient, von den Frauen verwaltet. Im Unterschied zur mehr oder auch weniger vollständigen Lohntüte gaben Kontoauszüge aber nicht nur erstmals exakte Angaben zum Gehalt des Gatten, sondern auch Anlass zu Fragen: „Schatz, hier steht ,Nachtclub Moulin Rouge – 20.000 Yen‘?!?“ Mittlerweile bekommen Nippons Männer ihr Taschengeld auf eine eigene, diskrete „Partner-Karte“.

Nicht das technische Drumherum, sondern das Geld selbst ist für
Kapitalismus-Kritiker ein Problem. Sie wollen daher die Geld-Funktionen „Wertaufbewahrung“ und „Tauschmittel“ trennen. Rund 20 Bürgerinitiativen geben derzeit in Deutschland eigenes „Schwundgeld“ als Parallelwährung zum Euro heraus: Kassler „Bürgerblüten“, Stuttgarter „Rössle“ oder das Calwer „NahGold“ sind zum Sparen und Spekulieren wenig geeignet, da sie Gebühren kosten. Sie sollen, wie das Notgeld der 1930er Jahre, umgehend ausgegeben werden und die regionale Wirtschaft in Schwung bringen. Von Tauschringen geschaffene Verrechnungseinheiten, etwa Ulmer „Talente“ oder Konstanzer „Kröten“, basieren in der Regel auf Arbeitszeit-Guthaben und werfen ebenfalls keine Zinsen ab. Die Bundesbank beäugt das Do-it-yourself-Geld der Anti-Globalisierer misstrauisch, hält die Provokation aber noch für unbedeutend: Die Wertschöpfung aller Tauschringe betrage etwa 15 Millionen Euro im Jahr, der Gegenwert des umlaufenden Schwundgeldes rund 200.000 Euro – kein Vergleich zu den hierzulande 2.246 Milliarden Umsatz mit konventionellen Euros.

Das Internet erleichtert aber nicht nur das Hantieren mit alten und alternativen Währungen, sondern auch die Wiederbelebung von uralten Tauschhandels-Traditionen nach dem Muster: „Biete Kuh – suche Ehefrau.“ Die Welthandelsorganisation schätzt, dass 15 Prozent des internationalen Güteraustauschs ohne Geld abgewickelt werden. Finanzbehörden behandeln allerdings getauschte Waren steuerlich meist wie regulär bezahlte. Das Geld mag zwar seine Form ändern, der Geldwirtschaft entkommt man nicht so schnell.


Zukunftsgeld  nur langsam auf dem Vormarsch

Von 1000 Einwohnern haben in Deutschland bereits mehr als 800 elektronisches Geld in der Tasche. Genauer: sie könnten es haben – wenn sie den Mikrochip auf ihrer EC-Karte mit vorbezahlten Werteinheiten aufladen würden. Viele wissen aber nicht einmal, dass sich die EC-Karte, die Abbuchungen vom Girokonto erlaubt, zur elektronischen Geldbörse „GeldKarte“ erweitern lässt. Für größere Beträge werden meist konventionelle Überweisungen oder Lastschriften verwendet; an der Ladenkasse dominiert nach wie vor das für Handel und Banken unpraktische Bargeld. Gerade einmal 55,5 Milliarden Euro elektronisches Geld wurden 2005 umgesetzt, nur 0,2 Prozent des gesamten bargeldlosen Zahlungsverkehrs. Immerhin hat E-Geld bereits die Kreditkarten überholt, deren Anteil bei 0,1 Prozent stagniert. Vielleicht bringt 2007 den Durchbruch: Seit 1. Januar müssen Raucher den Zigaretten-Automaten mit einer EC-Karte beweisen, dass sie älter als 16 Jahre sind. Da werden wohl viele den integrierten Geld-Chip auch gleich zum Bezahlen nutzen.

Martin Ebner


 


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