About: Alternative „social“ currencies
Pri: Alternativaj „sociaj“ valutoj
Published, Aperis: Stuttgarter Nachrichten (†), 05.05.2007
Nichts ist so gut mit Geld wie es ohne Geld schlecht ist. Was tun, wenn Angebot und Nachfrage nicht zusammenkommen, weil Tauschmittel fehlen? Wenn zum Beispiel einerseits Senioren betreut werden müssen, andererseits viele Arbeitslose Däumchen drehen – aber die guten Dienste nicht bezahlt werden können? Selbstgemachtes Geld könnte eine Lösung sein, hoffen immer mehr Menschen. Den Weltrekord halten dabei die Japaner: Während in Deutschland von den Stuttgarter „Rössle“ über die Kassler „Bürgerblüten“ bis zu den „KannWas“-Scheinen in Schleswig rund 20 alternative Gelder herausgegeben werden, experimentieren in Japan gut 900 Initiativen mit Do-it-yourself-Währungen.
Der Zentralbank von Tokyo machen nicht nur Globalisierungskritiker und Waldorf-Lehrer Konkurrenz. Als Japan nach Börsencrash und Immobilienkrise ab 1990 jahrelang in Rezession und Deflation versank, fanden auch staatliche Autoritäten, mit herkömmlichen Yen komme man nicht weiter. Toshiharu Kato, der Direktor der Dienstleistungsabteilung im Ministerium für Internationalen Handel und Industrie MITI, plädierte in seinem einflussreichen Buch „Ökogeld“ für Zahlungsmittel, die Ökologie und Ökonomie versöhnen und die Last der Wohlfahrtsausgaben veringern sollen. Zinslose Regionalgelder könnten Gemeinsinn und generationsübergreifende Aktivitäten fördern, Nachbarschaftskontakte beleben und soziale Einrichtungen unterstützen.
Im Mai 1999 machte der öffentliche Fernsehsender NHK die Idee populär und berichtete in „Endes letzte Worte – eine radikale Untersuchung des Geldes“ über deutsche Notgelder der Zwischenkriegszeit und die geldpolitischen Vorstellungen des Schriftstellers Michael Ende. Der Film und sein Begleitbuch inspirierten in ganz Japan Bürgerinitiativen zu selbstgestrickten Komplementärwährungen, die den Yen ergänzen. Die Fantasie von Stadtverwaltungen wird eher durch Subventionen angeregt, die von der Zentralregierung für das Ausprobieren von „sozialen“ Tausch-, Verrechnungs- und Geldkarten-Systemen verteilt werden.
In Chiba zum Beispiel, einer Sechs-Millionen-Schläfer-Stadt neben Tokyo, werden nun „Peanuts“ ausgegeben. Die Regeln für diese Lokalwährung schreiben vor, dass bei jedem Austausch Käufer und Verkäufer sich ganz unjapanisch die Hände schütteln und laut „Amigo“ rufen. Das soll der Anonymität der Pendler-Siedlung abhelfen. Wer in Tokyos In-Bezirk Shibuya Müll wegräumt, bekommt dafür „r“-Scheine, die bei örtlichen Geschäften eingelöst werden können. Andere Städte haben ihr Ökogeld „Waku Waku“, „Dan Dan“ oder „Love“ getauft.
International am meisten Aufsehen erregt das Pflegegeld „fureai kippu„. Seine Grundeinheit: eine Stunde Betreuung für Senioren, Behinderte oder auch Kinder. In Japan arbeiten 388 Gruppen damit; pro Jahr werden rund 30.000 Stunden „angespart“, die über Clearingstellen landesweit ausgetauscht werden können. Bernard Lietaer, früher Direktor bei der belgischen Zentralbank und heute Alternativgeld-Aktivist, empfiehlt das Konzept auch für Europas vergreisende Gesellschaften: „Sagen wir, in meiner Straße lebt ein älterer Herr, der nicht selbst einkaufen gehen kann. Ich mache das für ihn. Ich helfe ihm beim Kochen. Dafür bekomme ich Punkte auf mein Konto. Und wenn ich selbst krank bin, kann ich diesen Service von anderen Leuten in Anspruch nehmen. Oder ich kann die Gutschrift elektronisch an meine Mutter schicken, damit sich jemand um sie kümmert.“
Umfragen zeigen, dass sich Omas und Opas lieber von Freiwilligen für „Pflegetickets“ helfen lassen als von professionellen Pflegern, die dafür Yen kassieren. „Zeitwährung ist eine warme Währung“, erläutert die Sozialwissenschaftlerin Tamaki Nara: „Die Beziehung hat eine andere Qualität, wenn die Hilfe freiwillig geleistet wird. Sie hat weniger den Charakter von Almosen und kann leichter angenommen werden.“ Viele Menschen fänden es auch angenehmer, kleine Gefälligkeiten mit „fureai kippu“ zu honorieren als mit einem schnöden Geldschein.
Ob es ökonomisch sinnvoll ist, das Zentralbankgeld mit weiteren Währungen zu ergänzen, ist umstritten. Regionalgeld sei „ein Heimatverein mit exorbitant hohen Mitgliedsbeiträgen“, findet zum Beispiel Wolfgang Cezanne, Volkswirtschaftler an der TU Cottbus. Angesichts hoher Verwaltungskosten seien Komplementärwährungen alles andere als sozial, konstatiert auch Gerhard Rösl von der Fachhochschule Regensburg, der dazu eine Studie für die Deutsche Bundesbank verfasst hat. Ein „gewisser Werbeeffekt für die Region“ sei zwar „nicht auszuschließen“, die proklamierten guten Zwecke ließen sich aber viel effizienter erreichen, wenn dafür direkt herkömmliches Geld gespendet würde.
Womit wir allerdings wieder bei der Frage wären, woher denn die Moneten kommen sollen. Außerdem kann es allen Beteiligten Spaß machen, einen eigenen Währungskreislauf auszutüfteln. Die Tiroler Stadtverwaltung Wörgl zum Beispiel belohnt Jugendliche für Gartenarbeit, Schneeschaufeln oder Haushaltshilfe mit „i-motion“-Zeitwertkarten, die den Eintritt ins Schwimmbad, Fitness-Studio oder Kino ermöglichen. Im Vorarlberger Bodensee-Hinterland wird Senioren-Pflege mit einem Talente-Tauschkreis verknüpft.
Sogar die Heimat des harten Schweizer Franken lässt sich vom „fureai kippu“ inspirieren. Das Zürcher Moneymuseum hat säuberlich Risiken („noch keine Erfahrungswerte“) und Chancen („mehr Lebensqualität“) abgewogen und im Frühjahr zusammen mit den Sozialen Diensten der Stadt Zürich ein Zeittausch-System gestartet. Die Pflegewährung hat immerhin den Vorteil, dass kaum Inflation droht: Eine Stunde bleibt eine Stunde.
Martin Ebner
Foto: Social swans in The Hague, Netherlands. Socialaj cignoj en Den Haag, Nederlando. Soziale Schwäne in Den Haag, Niederlande.