About: New life for the last swamps in Southern Germany
Pri: Nova vivo por la lastaj marĉoj kaj torfejoj en Suda Germanujo
Published, Aperis: Südwestpresse, 29.06.2013
Neues Leben für die letzten Moore in Oberschwaben und Allgäu.
Prächtig blüht das weiße Wollgras. Noch schöner sind die kahlen Aststümpfe: Im Wurzacher Ried stirbt der Wald, und Naturschützer freuen sich. Eine einzige Birke verdunstet am Tag bis zu 100 Liter Wasser. Das Nass muss aber bleiben, wenn sich Torfmoos, Mosaikjungfern und andere Moorbewohner wohlfühlen sollen. Deshalb werden nun Drainagen unterbrochen und Entwässerungskanäle verstopft. Die Baumleichen zeigen Erfolg an: Das Grundwasser steigt wieder; mit der Zeit wird sich neuer Torf bilden.
Ein Feuchtgebiet darf sich amtlich Moor nennen, wenn es eine mindestens 30 Zentimeter dicke Torfschicht hat. Die entsteht nur unter besonderen Umständen: Abgestorbenes Torfmoos zersetzt sich nicht, weil Sauerstoff fehlt. Selbst wenn keine Trockenheit dazwischenkommt, dauert das extrem lange: Eine Torfschicht wächst bloß einen Millimeter pro Jahr. Dass zwischen Donau und Alpen in vielen Mulden, die Gletscher ausgekratzt haben, Torfpolster eine Höhe von 10 Metern erreichen, könnte ein Grund für Ehrfurcht sein. Trotzdem wollte man bis vor kurzem diese Kinder der Eiszeit umbringen, weil sie nicht für Land- oder Forstwirtschaft taugen, nicht einmal für die Jagd.
Bei Bad Wurzach wurde mehr als 200 Jahre lang Torf abgebaut: Brennstoff für die Dampfloks der Schwäbischen Eisenbahn und für Stuttgarter Wohnungen, Streu für Viehställe, Erde für Gärten und Badetorf für Heilbäder. Der Kern des Wurzacher Rieds blieb jedoch unberührt und ist heute das größte noch intakte Hochmoor Mitteleuropas. Das heißt, eines der letzten überhaupt: von den einst in Deutschland vorhandenen Mooren wurden mehr als 90 Prozent zerstört.
Als Erste entdeckten Vogelfreunde ab den 1960er Jahren, dass zusammen mit den nassen Moosen viele seltene Pflanzen und Tiere verschwinden. Dann stellte sich heraus, dass die vermeintlich wertlosen Ödflächen dem Hochwasserschutz dienen, weil sie wie Schwämme Regen zurückhalten. Moore wirken geradezu als Nieren der Landschaft: Sie filtern Stickstoff, Phosphat und andere Schadstoffe aus dem Wasser. Schließlich schlugen auch Klimaschützer Alarm: Torf speichert mehr Kohlenstoff als Wald; wenn Torf austrocknet, setzt er Kohlendioxid und Lachgas frei.
Jetzt stehen die meisten süddeutschen Moore unter Schutz. Nicht nur das Wurzacher Ried wird entkusselt, also von Gehölzen befreit. Wieder vernässt werden zum Beispiel auch das Arrisrieder Moos bei Ravensburg und das Haubacher Moos bei Isny. Im April startete die Renaturierung des Seemooses bei Oy-Mittelberg. Der Naturschutzbund NABU will, gesponsert von Daimler, ab Herbst das Hinterzartener Moor im Schwarzwald wiederbeleben, nächstes Jahr sollen die Bodenmöser bei Isny regeneriert werden.
Heimat seltener Tiere und Pflanzen, Wasserfilter und Kohlenstoff-Speicher: Torfboden ist viel zu wertvoll, um im Blumentopf zu enden.
Für die Bewahrung der Feuchtgebiete wirbt in Bad Wurzach die neue Schau „Moor Extrem“. In Kißlegg ist eine vom Naturmuseum St. Gallen gestaltete Wanderausstellung zu sehen. Sie klärt darüber auf, dass in Deutschland pro Jahr immer noch mehr als 10 Millionen Kubikmeter Torf verbraucht werden, davon ein Drittel von Hobbygärtnern. Meist wird Torf aus dem Baltikum, Skandinavien und Russland importiert.
Welchen Sinn soll das haben, bei uns für viel Geld kleine Moorflecken zu pflegen, wenn dafür anderswo riesige Torffräsen tote Mondlandschaften schaffen? Die Allgäuer Moorallianz, eine Initiative von fünf Landkreisen und Städten, bietet deshalb seit diesem Frühjahr einen Torf-Ersatz aus Kompost, Holzfasern und Rindenhumus an. Motto: „Torf gehört ins Moor. Für Ihren Blumentopf haben wir etwas Besseres.“
Martin Ebner
Besuch bei Sumpfschrecke, Bekassine und Sonnentau
(last update: 06.05.2014):
Im rauen Hochmoor überleben nur Hungerkünstler. Diesen faszinierenden Lebensraum stellt eine neue Ausstellung im Naturschutzzentrum Bad Wurzach vor: www.moorextrem.de. An manchen Wochenenden kann man auch mit dem Torfbähnle durch das Wurzacher Ried tuckern und das ehemalige Zeiler Torfwerk besichtigen: www.oberschwaebisches-torfmuseum.de. Immer geöffnet ist ein Lehrpfad auf den Spuren der Torfstecher beim Riedsee.
„Nachhaltiges Moormanagement“ war ein Interreg-IV-Projekt: www.moormanagement.de. Darin ist u.a. die Multimedia-Schau „Lebensraum Moor“ entstanden, die besonders Schüler ansprechen soll. Die CD ist kostenlos erhältlich beim BUND-Regionalverband Bodensee-Oberschwaben in Bad Saulgau: www.bund-bodensee-oberschwaben.net.
„Wir gärtnern ohne Torf“ ist eine Aktion des Naturschutzbundes Deutschland: www.nabu.de/themen/moorschutz. Für torffreie Blumen- und Pflanzerde machen sich auch die Allgäuer Landkreise und Städte stark: www.moorallianz.de. Das Bayerische Landesamt für Umwelt bietet in seiner Serie „UmweltWissen“ die Broschüre „Kompost nutzen, Moore schützen“ an: www.lfu.bayern.de/umweltwissen.
Die Wiedervernässung von Mooren dient auch dem Schutz von archäologischen Denkmälern.
N.B. (28.05.2016): „Moor-Renaturierung – eine kritische Diskussion der Entwicklung in Südwest-Deutschland“, ein Artikel von Adam Hölzer
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Foto: Wurzacher Ried, one of the most important bogs in Southern Germany; Wurzacher Ried estas grava torfejo en Suda Germanujo; Das Wurzacher Ried ist eines der bedeutendsten Moorgebiete Südddeutschlands