About: Saving water in Germany is useless
Pri: Ŝpari akvon en Germanujo ne havas sencon
Published, Aperis: d’Lëtzebuerger Land, 16.05.2008
Sparen an der falschen Stelle nützt der Umwelt nichts
Beim Zähneputzen den Hahn zudrehen und den WC-Spülkasten mit einer Spartaste ausrüsten: Wassersparen ist so einfach. Brav geizen zum Beispiel die Kieler mit jedem Tropfen. Wie die übrigen Deutschen haben sie ihren Wasserverbrauch im letzten Jahrzehnt um etwa 20 Prozent verringert. Leider vergeblich: Die Leitungen sind für einen Mindestdurchfluss ausgelegt. Um Rostschäden und Krankheitserreger zu verhindern, jagen nun die Kieler Stadtwerke jeden Tag über 4000 Kubikmeter Wasser nur zum Spülen durch ihr Netz – das entspricht dem Verbrauch von 33.000 Personen. Nach und nach werden zwar die Rohre verkleinert. Das kostet allerdings pro Meter mehr als 1200 Euro, doppelt so viel wie ganz neue Leitungen. „Gespart“ werden so nur die Wasserschutzgebiete, die bei rückläufiger Nachfrage aufgegeben werden. Dabei gibt es hierzulande, abgesehen von ein paar trockenen Flecken wie der Schwäbischen Alb, alles Mögliche, bloß keinen Mangel an Wasser.
Außer Mülltrennen bereitet kaum eine Aktivität den Deutschen so viel Spaß wie das Knausern mit Wasser. Pro Kopf und Tag verbrauchen sie im Schnitt gerade einmal 1450 Liter, davon im Haushalt 126. Das ist beinahe Weltrekord; in den Industrieländern zapfen nur die Belgier noch weniger. Der globale Durchschnitt liegt bei etwa 2000 Litern. Besonders die deutsche Industrie hat ihren Durst radikal gedrosselt. Entsprechend groß ist bei uns die „Wasserproduktivität“: Pro verbrauchtem Kubikmeter werden in Deutschland knapp 60 Euro erwirtschaftet – in den USA dagegen weniger als 30, in Indien nicht einmal 6. Nirgendwo sonst sind auch die Leitungen so gut im Schuss: Während in England mehr als ein Drittel des Wassers aus maroden Rohren versickert, beträgt der Schwund bei uns nur acht Prozent.
Sollten wir uns nicht freuen, dass wir wenigstens in einem Umwelt-Bereich Spitze sind? „Bei uns Wasser sparen ist Unsinn und geht oft auf Kosten eines erhöhten Energieverbrauchs“, stellt Hans-Jürgen Leist von der Universität Hannover fest. In seiner Studie „Wasserversorgung in Deutschland. Kritik und Lösungsansätze“, die im Münchner Oekom-Verlag erschienen ist, legt er dar, dass andere Aufgaben viel wichtiger wären: „Wasser ist eine erneuerbare Ressource, und die Niederschläge sind bei uns regional und jahreszeitlich gut verteilt.“ Ungefähr das Dreieinhalbfache des Bodensee-Inhalts könne in Deutschland jedes Jahr problemlos genutzt werden, tatsächlich verbraucht werde davon aber nur ein Fünftel.
Den Einwand, dass Wassersparen auch Energie spare, lässt Leist nicht gelten: Aufbereitung und Transport von Wasser kostet bei uns pro Nase und Jahr nur etwa 44 Kilowattstunden Strom – dagegen 170 der Stand-by-Betrieb von elektrischen Geräten. Allein dieser unsinnige Leerlauf verschlingt pro Person 8,2 Kubikmeter Wasser: Die größten deutschen Wasserverbraucher sind die Wärmekraftwerke; sie schlucken rund zwei Drittel. Bekannt sei das allerdings kaum, bedauert Leist: „In unserer Instituts-Küche habe ich an einem hellen Sommertag das Licht angeschaltet und den Wasserhahn tröpfeln lassen. Jeder Student, der vorbeikam, drehte den Wasserhahn zu – das Licht löschte keiner.“
Schon gar nichts hält Leist davon, aus Solidarität mit der Südsahara aufs Duschen zu verzichten. Wassermangel sei rund um die Erde meist die Folge von fehlender Infrastruktur, sprich Armut, oder von Misswirtschaft. In den Entwicklungsländern sei der Pro-Kopf-Wasserverbrauch drei bis sieben Mal höher als in Deutschland. Dagegen verbrauchen wir 100 Mal mehr Erdöl und haben 1000 Mal mehr Autos als die Menschen in der Dritten Welt: „Angesichts dieser Zahlen ist kaum eine Ressource ungeeigneter als Wasser, im Interesse eines globalen Verantwortungsgefühls bei uns eingespart zu werden.“ Kurz: wer etwas Nützliches tun will, soll lieber mit Energie haushalten und statt dem Flugzeug das Fahrrad nehmen.
Kein gutes Haar lässt Leist an privaten Anlagen, die Leitungswasser, also Regenwasser aus dem Grund, gegen Regenwasser vom Dach tauschen und dabei Strom verbrauchen. Sinnvoll seien nur Einrichtungen, die das öffentliche Netz wirklich entlasten, zum Beispiel Löschwasser-Teiche oder Regentonnen für den Garten. Regenwasser im Haushalt nütze dagegen gar nichts: Die vorhandenen Rohre müssten trotzdem weiter gepflegt werden, schon zur Löschwasser-Versorgung; die wegen Privattanks schwankendere Auslastung mache den Unterhalt aber schwieriger und teurer.
Die Wasser-Tarife würde Leist am liebsten auf den Kopf stellen: „Die Kosten für die Leitungen fallen unabhängig vom Verbrauch an – 90 Prozent sind Fixkosten.“ Anders als fürs Telefon wird aber fürs Wasser fast kein Grundpreis kassiert. „Dieses falsche Signal fördert die Zersiedlung“, kritisiert der Forscher. Außerdem sei es „sozial ungerecht“: Großfamilien in Innenstadt-Wohnblöcken subventionieren Wenigverbraucher in Einfamilienhäusern oder Ferienwohnungen.
Dass Wasser mit Milliarden-Aufwand zum reinsten Lebensmittel aufbereitet wird, lässt die Konsumenten erstaunlich kalt. Während sie krampfhaft die Abwassermenge verringern, schmeißen sie immer mehr Abfälle ins Klo. Dafür sind die Deutschen mit 125 Litern pro Kopf und Jahr Vizeweltmeister im Mineralwassertrinken. Nur die Italiener, die allerdings kaum gute Wasserwerke haben, kaufen mit 140 Litern noch mehr Flaschen. Die holländischen Nachbarn kommen dagegen mit 17 Litern aus und holen ihr Trinkwasser ansonsten direkt vom Hahn. Das ist nicht nur viel billiger, sondern auch vernünftiger als Plastikflaschen: Ein effizienteres und umweltfreundlicheres Transportmittel als Rohre gibt es nicht.
Martin Ebner
Foto: No acute water shortage: islands near Turku, Finland.Insuloj apud Turku, Finnlando. Im Norden ist Wassermangel eher kein Problem: Schären bei Turku, Finnland