About: Biological weapons for the „war against drugs“
Pri: Biologiaj armiloj por la „milito kontraŭ drogoj“
Published, Aperis: Der Tagesspiegel, 24.06.1999
Biowaffen sollen den „Krieg gegen Drogen“ doch noch gewinnen. USA und UNO wollen mit Pilzen „illegale“ Koka- und Mohnpflanzen ausrotten.
Stell‘ dir vor, du willst Kokain oder Heroin kaufen – und es gibt keines! Diesen Junkie-Alptraum wollen die US-Regierung und die UNO bis zum Jahr 2008 verwirklichen. Der „Krieg gegen Drogen“, 1998 ausgerufen von den USA und dem UN-Drogen-Kontrollprogramm (UNDCP mit Sitz in Wien), war bisher allerdings nicht besonders erfolgreich: Das Drogengeschäft boomt. Das Besprühen der ständig größer werdenden Mohn- und Koka-Anbauflächen in Asien und Südamerika mit chemischen Herbiziden wie Glyphosat führte neben großer Umweltbelastung lediglich zu Gesundheitsschäden bei Menschen und Tieren, zum Ausweichen der Drogenproduzenten in bislang unberührte Gebiete, etwa der Rodung weiterer Urwälder – und Unmut bei der Landbevölkerung, die in Scharen zu Fundamentalisten und Guerrilleros überläuft.
Neue biologische Kampfstoffe sollen nun den Endsieg bringen. Drogenpflanzen haben natürliche Feinde. In Peru zum Beispiel gibt es einen Wurm, von den Campesinos „el Clinton“ genannt, der sich von Koka-Blättern ernährt. Noch gefräßiger sind verschiedene Pilze. Warum also nicht der Natur nachhelfen? Der Forschungsdienst des US-Landwirtschaftsministeriums und andere Labors arbeiten daran, aus diesen Pilzen „umweltfreundliche Bioherbizide“ herzustellen – wobei „umweltfreundlich“ heißen soll, daß sie ausschließlich unerwünschte Mohn-, Koka- und Marihuana-Pflanzen angreifen, den Rest der Welt aber verschonen. Das US-Parlament stellte hierfür mit einem „Gesetz zur Eliminierung der Drogen in der Westlichen Hemisphäre“ 23 Millionen Dollar zur Verfügung.
Schon in diesem Jahr sollen die Forschungen weitgehend abgeschlossen werden. Während die Entwicklung von Pilzen gegen Marihuana (auf den Philippinen) geheim gehalten werden konnte, ist über die Bekämpfung von Kokain und Opium mehr bekannt. Wie „Christian Science Monitor“ und „Sunday Times“ letztes Jahr aufdeckten, finanzieren die USA, Großbritannien und das UN-Drogenprogramm mit rund 650.000 US-Dollar bis zum Jahr 2001 ein Forschungsprojekt des „Usbekischen Instituts für Genetik“ in Taschkent. Den rund 200 beteiligten Wissenschaftlern geht es darum, aus den natürlich vorkommenden, eher harmlosen Pilzen „Pleospora papaveracea“ und „Dendryphion penicillatum“ neue, aggressivere Varianten zu entwickeln und ihre großtechnische Produktion vorzubereiten. Erste Feldversuche im Osten von Usbekistan seien ein voller Erfolg gewesen. Die für Schlafmohnpflanzen tödlichen Pilze überziehen Blätter und Stengel mit einem grünlich-schwarzen Pulver.
Das Ziel des biologischen Angriffs ist jedoch nicht die schnelle Vernichtung der Mohnfelder (dann würde einfach neu gepflanzt), sondern nur die Infektion der Pflanzen. Das heißt, die Bauern sollen sich erst tüchtig mit den Pflanzen abrackern, dann aber nichts ernten – und irgendwann die Opiumproduktion frustriert aufgeben. Eingesetzt werden sollen die Pilze im „Goldenen Halbmond“, also den Ländern von Iran über Afghanistan bis Tadschikistan, die einen Großteil des in Europa verbrauchten Opiums liefern und im von Laos, Thailand und Myanmar gebildeten „Goldenen Dreieck“, das vor allem die USA versorgt.
Die Killerpilze können von Flugzeugen über den Feldern versprüht werden. Falls die Regierungen der betroffenen Länder aber nicht zustimmen, wäre es auch möglich, ohne großes Aufsehen zu erregen die Verbreitung der Pilzsporen einfach dem Wind zu überlassen. Den Vorwurf der „Sunday Times“, daß die UNO damit die Entwicklung von Biowaffen fördere, weist Sandro Tucci, der Sprecher des UNDCP entrüstet zurück. Geheimdienstler und B-Waffenexperten seien nicht an dem Projekt beteiligt; es gehe wirklich nur um „pflanzen-pathogene Pilze“ als „verlässliche und effektive biologische Kontrollmittel“.
Allerdings gibt die UNO in der offiziellen Projektbeschreibung zu, das Taschkenter Institut habe „ein einzigartiges professionelles Potential für derartige Forschungen“. Tatsächlich entwickelte es früher B-Waffen für die Sowjetunion. Seit in den 30er Jahren Tausende Sowjetbürger wegen Pilzbefalls an mangelhaft gelagertem Getreide gestorben waren, beschäftigten sich sowjetische Forscher mit Mykotoxinen (Pilzgiften). Beim Einsatz entsprechender Waffen sollen zu Beginn der 80er Jahre in Laos, Kambodscha und Afghanistan nach amerikanischen Schätzungen mehr als zehntausend Menschen umgekommen sein. Kein Wunder also, daß das Taschkenter Projekt nicht nur Begeisterung auslöst.
Auch in Lateinamerika sind nicht alle davon überzeugt, daß Mykoherbizide wirklich als Alternative zur herkömmlichen Chemiekeule taugen. Der Biochemiker Efrén Andrade von der Universität Mérida in Venezuela gehört nicht zu den Skeptikern – schließlich ist es ihm zuerst gelungen „Aspergillus sp“ zu isolieren. Dieser Pilz lebt ausschließlich von Kokapflanzen, deren Blättern er das Kokain entzieht ohne die Sträucher selbst zu beschädigen. Während Herbizide ganze Plantagen vernichten und die Umgebung dazu, wirkt „Aspergillus sp“ selektiv. Da der kleine Pilz einige Monate in den Nasenlöchern von Kokainschnupfern überlebt und immerhin einige Wochen an den Händen (etwa von Kokainhändlern) nachweisbar bleibt, hat ihn Andrade „Polizeipilz“ getauft.
Mindestens eine unangenehme Eigenschaft hat „Aspergillus sp“ mit echten Polizisten gemein – er kann die Seiten wechseln und selbst sozusagen kriminell werden, räumt Andrade ein: „Einige Mutanten dieses Pilzes können nicht nur Kokain zerstören, sondern genausogut auch Kokain produzieren.“ Vielleicht ist das der Grund, wieso der Professor bisher noch nicht erschossen wurde? Es ist ja keineswegs nur die kolumbianische Mafia, die vom Drogengeschäft abhängig ist – für ganze Länder ist es die Hauptdevisenquelle.
Zum Bankrott der Drogenproduzenten, die nur schwer auf Kaffee, Bananen oder andere Alternativen umsteigen, könnten ökologische Desaster kommen, fürchtet das „Transnational Institute“ in Amsterdam: Wegen der Geheimhaltung der Projekte gebe es „keine effektive Kontrolle“ durch unabhängige Wissenschaftler. Die Pilze könnten auch „legale“ Pflanzen zur Medikamentenherstellung ausrotten – oder gar auf andere Lebewesen überspringen. Die Probezeit von nur einem Jahr sei viel zu kurz, um Nebeneffekte auszuschließen.
Drei englische Forscher warnen in der aktuellen Juni-Ausgabe des „Scientific American“ davor, daß der Einsatz der Pilze ohne Zustimmung der betroffenen Staaten „ein gefährlicher Präzedenzfall“ wäre und gegen die internationale Biowaffenkonvention verstoßen würde. „Unsere größte Sorge aber ist, daß die Entwicklungen zur Vernichtung von Drogenpflanzen durch Pflanzenpathogene zwangsläufig zu Know-how führen, das für die offensive biologische Kriegführung gegen die Nahrungsmittelproduktion anderer Länder verwendet werden kann.“
Dazu kommen Zweifel am Sinn der ganzen Aktion: „Wenn es uns tatsächlich gelingt, alle Koka- und Mohnpflanzen restlos auszurotten, werden die Leute ganz einfach auf synthetische Drogen umsteigen“, meint der amerikanische Publizist Albert McCallum. „Das Pilzprojekt ist reine Geldverschwendung und bringt Völker rund um den Erdball gegen uns auf. Was wir vielleicht wirklich bräuchten, ist ein Pilz, der Politiker angreift.“
Martin Ebner
N.B. (05.05.2014):
Die US-Amerikaner sahen sich damals leider nicht in der Lage, meine Fragen zu beantworten… Aber zum Glück gibt es ja auch noch Holländer, wie das Transnational Institute in Amsterdam.
Foto: Beer, goulash, and – presumably – pacifist music: poster in Slovakia. Biero, gulaŝo kaj – probable – muziko kontraŭ tankoj: afiŝo en Slovakujo. Bier, Gulasch und – vermutlich – Musik gegen Panzer: Plakat in der Slowakei.