About: History of the Nobel Prize
Pri: Historio de nobelpremio
Published, Aperis: Rheinischer Merkur (†), 49/2001
Die bekannteste Auszeichnung der Welt feiert Jubliäum: 100 Jahre Nobelpreis
„Der Nobelpreis ist doch bloß eine Erfindung der Schweden, um ihr Land bekannter zu machen. Wer würde im Winter jemals von Stockholm reden, wenn sie hier nicht den Nobelpreis vergeben würden?“ spottete der Biologe Max Delbrück, selbst Laureat. Trotzdem ist der Nobelpreis bis heute die berühmteste Auszeichnung der Welt. Unsterblichkeit für den eigenen Namen erlangen: was viele Verfasser eines Testaments erhoffen, ist dem Unternehmer Alfred Nobel gelungen.
Selbst hätte der 1833 in Stockholm geborene Nobel den Preis wohl nie bekommen. Jedenfalls hatte er nur ein Jahr lang eine Schule besucht, eine Universität nie. Nachdem sein Vater, ein Ingenieur, vor Gläubigern nach Russland geflohen war und für den Zaren Munition und Minen entwickelte, wurde Nobel in St. Petersburg von Privatlehrern unterrichtet. Früh fand er Gefallen an chemischen Experimenten, sein Ziel war aber, Schriftsteller zu werden.
Um ihm das auszutreiben, schickte ihn sein Vater auf Studienreise durch Labors in Europa und den USA. In Paris wurde er bei dem Chemiker Jules Pelouze auf Nitroglyzerin aufmerksam. Dieser Sprengstoff wurde damals für zu gefährlich gehalten, um von praktischem Nutzen zu sein. Da seine Geliebte an Tuberkulose starb, beschloss Nobel, ledig zu bleiben und sein „Leben nur noblen Pflichten zu weihen“, nämlich Nitroglyzerin verwendbar zu machen.
In Schweden übernahm Nobel die Leitung des Unternehmens, das sein Vater, von Gläubigern gejagt, zurück nach Stockholm verlegt hatte. Als 1864 sein Bruder Emil bei einem Unfall mit Nitroglyzerin starb, verbot die Stadtverwaltung derartige Experimente. Nobel ließ sich nicht aufhalten, sondern eröffnete noch im gleichen Jahr außerhalb Stockholms die erste Nitroglyzerin-Fabrik der Welt. Die Firma expandierte rasch.
Als bei Hamburg wieder einmal eine seiner Fabriken in die Luft geflogen war, fand Nobel dort eine Art porösen Sands: Kieselgur. Er mischte damit Nitroglyzerin zu einer gefahrlos transportierbaren Masse, die er „Dynamit“ nannte. 1867 bekam Nobel die ersten Patente dafür, ebenso für seine Sprengkapseln, die den Bau des Gotthard-Tunnels, des Panama-Kanals und weiterer Verkehrsbauten ermöglichten. 1875 besaß Nobel weltweit 15 Dynamitfabriken.
„Meine Heimat ist, wo ich arbeite und ich arbeite überall“, sagte Nobel, der 355 Patente anmeldete und rastlos experimentierte: In Paris staunten die Nachbarn seines Stadthauses genauso über Explosionen wie die seiner Villa in San Remo. Der „reichste Vagabund Europas“, wie ihn sein Freund Victor Hugo nannte, fand dazu noch Zeit, sich mit Literatur zu beschäftigen, selbst – erfolglos – Gedichte zu schreiben und mit der Friedensaktivistin Bertha von Suttner zu diskutieren. Seiner kurzzeitigen Sekretärin und lebenslangen Brieffreundin erläuterte er: „Ich möchte einen Stoff schaffen, von so fürchterlicher, massenhaft verheerender Wirkung, dass dadurch Kriege überhaupt unmöglich würden.“
Am 27. November 1895 unterzeichnete Nobel in Paris das Testament, das ihn nach seinem Tod am 10. Dezember 1896 noch berühmter machte als seine Sprengstoffe: Das riesige Vermögen, „in sicheren Wertpapieren realisiert, soll einen Fonds bilden, dessen jährliche Zinsen als Preise denen zuerteilt werden, die im verflossenen Jahr der Menschheit den größten Nutzen gebracht haben“, und zwar auf den Gebieten der Physik, Chemie, Medizin, Literatur „in idealistischer Richtung“ sowie bei der „Verbrüderung der Völker“ und „Verbreitung von Friedenskongressen“. Verteilt werden sollten die Preise von der Schwedischen Akademie der Wissenschaften, dem Karolinska Institut und der Akademie in Stockholm und vom Norwegischen Parlament.
In Frankreich, wo der Großteil des Vermögens angelegt war, wäre das Testament ungültig gewesen. Da Nobel keinen ständigen Wohnsitz hatte, erklärte sich aber ein schwedisches Gericht für zuständig. Dem Testamentsvollstrecker Ragnar Sohlman gelang es in einer abenteuerlichen Aktion, die Wertpapiere nach Schweden zu bringen, die Prozesse gegen die enterbte Neffen und Nichten zu gewinnen und in Stockholm die Nobel-Stiftung zu gründen.
Mit Ausnahme des Parlaments in Oslo zierten sich jedoch die vorgesehenen Preisverleiher. Sie fürchteten, sich zu blamieren, außerdem ärgerte sie Nobels „ausdrücklicher Wille, dass bei der Preisverleihung keine Rücksicht auf die Zugehörigkeit zu irgendeiner Nation genommen wird“. Erst als Sohlman ihnen 40 Prozent der Erträge der Nobel-Stiftung überließ, machten sie mit. Am 10. Dezember 1901 verliehen sie die ersten Nobelpreise, jeweils dotiert mit einem Preisgeld in der 20fachen Höhe des Jahresgehalts eines Professors, an die Deutschen Röntgen (Physik) und Behring (Medizin), den Holländer Van’t Hoff (Chemie), den Franzosen Prudhomme (Literatur) und den Schweizer Dunant (Frieden).
Die Bestimmung, die Stars des „verflossenen Jahres“ zu würdigen, wurde von Anfang an missachtet. Nobel hatte seinen Preis als eine Art Risikokapital für junge Forscher gedacht. Das entwickelte Auswahlverfahren – fünfköpfige Komitees befragen anerkannte Experten und bisherige Preisträger – ließ die Auszeichnung aber zum Karrierehöhepunkt etablierter, meist über 60jähriger Wissenschaftler werden, die spätestens nach der Preisverleihung repräsentative Aufgaben, aber kaum Zeit mehr zum Forschen haben.
Seit 1901 bekamen insgesamt 719 Laureaten, davon 29 Frauen, die 200 Gramm schwere Goldmedaille mit dem Porträt Nobels, vier sogar zweimal. Vor dem Zweiten Weltkrieg sonnten sich viele deutsche Hochschulen im Nobel-Ruhm, auch aus dem seither unauffälligen Österreich kamen damals neun Laureaten. In den letzten 25 Jahren dagegen arbeiteten zwei Drittel aller Nobelpreisträger an US-Universitäten. Der erfolgreichste Kleinstaat ist die Schweiz mit 19 Preisträgern, internationale Organisationen wie das Rote Kreuz in Genf nicht einmal mitgerechnet.
Die größten Chancen auf einen Nobelpreis haben die Schüler bisheriger Laureaten. Zwar sind die Nobel-Komitees durchaus flexibel, sie gaben etwa Genetikern den Medizin- und dem Politiker Winston Churchill den Literaturnobelpreis – aber Mathematiker oder Geologen zum Beispiel sind aussichtslos. Frauen bei einer „Quote“ von 4%, der niedrigsten des gesamten Wissenschaftssystems, auch beinahe: Als 1974 die Astrophysikerin Joycelyn Bell eine neue Klasse von Sternen entdeckte, bekam Antony Hewish den Nobelpreis dafür, er war ihr Chef. Immerhin können Doktoranden und andere Mitarbeiter zur Preisverleihung eingeladen werden.
Während Naturwissenschaftler der Stolz ihrer Länder sind, werden Literatur- und Friedensnobelpreisträger, zuweilen durchaus im Sinne des Antimonarchisten und Religionsskeptikers Nobel ausgewählt, oft heftig angefeindet. Der Preis für den Pazifisten Ossietzky zum Beispiel erboste Hitler so, dass er deutschen Staatsbürgern die Annahme des Nobelpreises verbot und ihnen einen NS-Staatspreis gab. Drei Chemiker und ein Mediziner aus Deutschland bekamen deshalb ihre Nobel-Medaille erst nach 1945 ausgehändigt. Der sowjetische Schriftsteller Boris Pasternak wurde gezwungen, seinen Preis zurückzugeben. Bei den politischen Preisen kommen auch Ablehnungen vor: Sartre verweigerte die Annahme des seiner Meinung antikommunistisch ausgerichteten Literaturpreises, fragte allerdings Jahre später an, ob er nicht doch das Preisgeld bekommen könne.
Bei aller Kritik an „Heldenkult“, „Mythos des einsamen Forschers“ und „elitärem Wissen“: Selbst die Gegner entkommen nicht dem Bann Nobels. Der seit 1980 jeweils am 9. Dezember von dem Briefmarkenhändler Jakob von Uexküll für „praktische Lösungen der wirklichen Probleme“ vergebene „Preis für ein verantwortungsvolles Leben“ wurde von den Medien prompt „Alternativer Nobelpreis“ getauft.
Die Nobel-Stiftung hat Veränderungen ihres Konzepts immer abgelehnt, mit Ausnahme einer 1968 von der Schwedischen Reichsbank gestifteten Auszeichnung für Wirtschaftswissenschaftler. Auch die diesjährige Preisverleihung soll aussehen wie immer: erst im Stockholmer Konzerthaus Händeschütteln mit dem schwedischen König, dann ein Bankett im Stadthaus. Das Menue wird streng geheim gehalten, fest steht nur, dass es wie jedes Jahr Eis als Dessert gibt, Nobel-Eis. Alfred Nobel hätte sich über den ganzen Rummel wohl lustig gemacht: „Der Wunsch, irgendeine Rolle in der buntgewürfelten Sammlung der zweibeinigen, schwanzlosen Affen zu spielen, die auf unserem kreisenden Erdprojektil herumlaufen, scheint mir verächtlich.“
Martin Ebner
Buch:
Hubert Filser: Nobelpreis. Der Mythos, die Fakten, die Hintergründe. Herder Verlag, Freiburg im Breisgau 2001
Links (last update: 14.12.2014):
- Das gigantische Internet-Portal der Nobel-Stiftung bietet umfassende Informationen zur Geschichte des Preises und den Forschungen der Laureaten: www.nobelprize.org
- Nobel Peace Center in Oslo: www.nobelpeacecenter.org
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