Trinkwasserdesinfektion mit Sonnenlicht

About: Water treatment with sunlight, especially interesting for poor countries
Pri: Akvopurigo helpe de sunlumo
Published, Aperis: Stuttgarter Nachrichten (†), 03.05.2003


Klares Wasser aus der Plastikflasche

Einfach, billig, umweltfreundlich: solare Trinkwasserdesinfektion

Von sauberem Trinkwasser kann jeder vierte Mensch nur träumen, schätzt die Weltgesundheitsorganisation. Sie hat auch ausgerechnet, dass alle 15 Sekunden ein Kind an einer Durchfall-Erkrankung stirbt. Viele arme Länder können sich Wasserreinigung nicht leisten; oft ist auch Abkochen nicht möglich, weil es an Brennstoff fehlt. Für dieses Problem schlagen Schweizer Forscher eine genial einfache Lösung vor: Wasser für den Hausgebrauch in PET-Flaschen füllen und fünf bis sechs Stunden in die Sonne legen, bis Wärme und UV-Strahlen die Krankheitserreger abgetötet haben.

Auf die Idee kam schon vor 20 Jahren Aftim Acra, ein Mikrobiologe der Amerikanischen Universität Beirut: Während des Kriegs im Libanon lagerte er auf seinem Balkon Wasser in Plastikflaschen. Zufällig bemerkte er dabei, dass im Wasser ungute Mikroorganismen, die sich bei der Temperatur des menschlichen Körpers wohlfühlen, von Sonnenstrahlen vernichtet werden. Acra veröffentlichte seine Entdeckung 1984 in einer Fachzeitschrift, fand aber lange keine Beachtung. 1991 wurde eine Forschergruppe der „Eidgenössischen Anstalt für Wasserversorgung, Abwasserreinigung und  Gewässerschutz“ (Eawag) darauf aufmerksam.

In Dübendorf bei Zürich experimentierten die sechs Mikrobiologen, Virologen und Photochemiker zunächst im Labor mit Viren- und Bakterienkulturen in unterschiedlichen Wasserproben. Sie fanden heraus, dass neben der Intensität an UV-A-Strahlen (Wellenlänge 320-400nm) auch die erwärmende Infrarotstrahlung entscheidend für die Desinfektion ist: „Wenn Wasser während 60 Minuten bei 50 Grad Celsius dem Sonnenlicht ausgesetzt ist, werden die pathogenen Keime zu 99,99 Prozent inaktiviert. Je nach Meereshöhe, Bewölkung und Temperatur ergeben sich abweichende Werte.“ Zerstört werden durchfallerzeugende Bakterien und Viren, wie zum Beispiel Escherichia coli, Streptococcus faecalis oder Salmonella typhii, insbesondere aber auch Vibrio cholerae, der Erreger der Cholera.

Das SODIS (Solar Water Disinfection) getaufte Verfahren wurde anschließend in Kolumbien, Jordanien, Thailand und einer Reihe anderer Länder in Feldversuchen getestet. Nun ist die Forschung, die knapp drei Millionen Euro gekostet hat, weitgehend abgeschlossen und die Ergebnisse werden mit der Hilfe von verschiedenen Stiftungen in die Praxis umgesetzt, berichtet Projektleiter Martin Wegelin: „Zur Zeit wird SODIS in mehr als 20 Ländern eingeführt, zum Beispiel in Bolivien und Peru, Indien und Usbekistan, Kenya und Südafrika. Das Verfahren eignet sich gut als Hilfe zur Selbsthilfe: Die Zielbevölkerung kann sich meist Plastikflaschen beschaffen und die Sonnenenergie ist gratis.“ Schwierig sei allerdings, die Wasserverbraucher zu überzeugen: „Das ist ein langwieriger Prozess, es muss eine Verhaltensänderung erreicht werden.“

Damit die Skepsis überwunden wird, müssen vor Ort vertrauenswürdige Feldmitarbeiter erklären, wie SODIS funktioniert: eine transparente Plastikflasche zu drei Vierteln mit Wasser füllen und 20 Sekunden lang kräftig schütteln – das bringt Sauerstoff ins Wasser und verbessert die Wirkung von SODIS. Dann die Flasche ganz füllen, verschließen und ins volle Sonnenlicht legen. Bei klarem Himmel kann das Wasser nach sechs Stunden getrunken werden; bei starker Bewölkung benötigt die Reinigung zwei Tage. Wenn die Flasche auf einen schwarzen Hintergrund oder eine reflektierende Metallfläche gelegt wird, kann die Wassertemperatur erhöht werden.

PET-Flaschen sind besser als PVC-Gefäße, da ihnen weniger Zusatzstoffe beigemischt sind; in den Versuchen der Eawag-Forscher diffundierten allerdings keine Stoffe aus dem Plastik ins Wasser. Glas ist weniger geeignet, weil es kaum UV-Strahlen durchlässt. Da die Intensität der UV-Strahlung mit zunehmender Wassertiefe schnell abnimmt, haben Flaschen mit ihrer relativ kleinen Oberfläche und einer Wassertiefe von 6-10cm nicht unbedingt die effizienteste Form für SODIS. Die Eawag entwickelte deshalb aus PET-Folie einen speziellen, flachen Wassersack, konnte sich aber damit in den Feldversuchen gegen die praktischen PET-Soft-Drink-Flaschen nicht durchsetzen.

SODIS benötigt relativ klares Wasser. Weist das Wasser eine Trübung von mehr als 30 NTU (nephelometrische Trübungseinheiten) auf, muss es erst gefiltert werden, da sonst im Wasser schwebende Partikel die Mikroorganismen vor der Bestrahlung schützen. Wichtig ist, dass SODIS nur die mikrobiologische Qualität des Wassers verbessert, zum Beispiel nach Verunreinigung mit Fäkalien. Gegen chemische Verschmutzung kann das Verfahren nichts ausrichten. Dass SODIS die chemische Wasserqualität nicht verändert, hat andererseits den Vorteil, dass der Geschmack des Wassers frisch bleibt. Während beim Abkochen von Wasser der im Wasser gelöste Sauerstoff entweicht und alle, auch harmlose Organismen abgetötet werden, bleibt bei SODIS der Sauerstoff in der Flasche und getötet werden nur Krankheitserreger. SODIS produziert also kein steriles Wasser.

So simpel SODIS ist, kann doch allerhand falsch gemacht werden: eine grüne, braune oder völlig zerkratzte Flasche verwenden, die die UV-Strahlung absorbiert; die Flasche nicht so hinlegen, dass die Sonnenstrahlen auf möglichst großer Fläche darauf fallen, sondern senkrecht aufstellen, womöglich gar in den Schatten; das behandelte, saubere Wasser nicht direkt aus der Flasche trinken, sondern vor Gebrauch in schmutzige Behälter umfüllen… Die Dübendorfer Forscher haben daher einen Traum: Große Getränkehersteller könnten auf ihre Flaschen eine SODIS-Gebrauchsanweisung aufdrucken.

Martin Ebner

Link (last update: 04.05.2014):
www.sodis.ch

N.B. (18.03.2024):

  • The Austrian company Helioz offers a solar powered UV-measurement device that visualises the process of solar water disinfection (SODIS) in a PET-bottle.
  • The mission of PT Holland for Water, an Indonesian company founded by two Dutchmen in 2009, is to provide affordable water filters, under the brandname Nazava Water Filters: www.nazava.com
  • Other smart solutions for the improvement of living and working conditions of people especially in developing countries and crisis regions: www.km4dev.org/

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